Die UN-Staaten haben nach den ersten Klimaverhandlungen 2015 ein Wünsch-dir-was-Dokument verabschiedet. Sämtliche Staaten durften darin ihre teils konträren Vorstellungen zum Klimaschutz einbringen. Drei Experten zeigen in genaueren Analysen, dass sich bereits einige Tendenzen zeigen, welche Teile des Verhandlungstextes sich in einem globalen Abkommen wiederfinden könnten.
Das erste Quartal 2015 geht bald zu Ende – und die UN-Staaten müssen Farbe bekennen. Bis Ende März dieses Jahres, dazu haben sie sich verpflichtet, sollen sie der UN melden, welche Ziele sie sich in Sachen Klimaschutz setzen. Diese können vom Ausbau erneuerbarer Energien über den Schutz der Wälder bis hin zu konkreten CO2-Senkungen reichen.
Einige Staaten wie Japan, Indien oder Brasilien werden sich wohl verspäten, schreibt der Washingtoner Thinktank World Resources Institute (WRI) in einer Analyse der sogenannten „Intended Nationally Determined Contributions“ (INDC).
Die EU-Kommission hat am 25. Februar ihre INDC-Meldung abgegeben und ihre Idee für ein Klimaschutzabkommen veröffentlicht. Wie bereits beschlossen will die Staatengemeinschaft ihren Ausstoß von Klimagasen bis 2030 – ausgehen von dem 1990 erreichten Volumen – um 40 Prozent senken. Zudem setzt sich die EU dafür ein, den globalen Ausstoß an Klimagasen bis 2050 um „mindestens 60 Prozent“ im Vergleich zu 2010 zu senken.
Sollte das Paris-Abkommen im Dezember dazu nicht ausreichen, setzt sich die EU für ein Arbeitsprogramm ein, um weitere CO2-Minderungen zu erreichen. Damit ist der Pfad nach Paris im Dezember vorgezeichnet. Dort soll ein internationales Klimaschutzabkommen verabschiedet werden.
Wie das aussehen könnte, dazu gibt es nun immerhin eine grobe Vorstellung: einen Verhandlungstext, verabschiedet in Genf Anfang Februar. Das häufigste Wort des 86 Seiten langen Dokuments ist „Option“. Denn jeder der 103 Paragraphen enthält verschiedene Varianten zu weiterhin kontroversen Themen.
Die Frage ist, welche Optionen später in das Klimaschutzabkommen übernommen werden. „Aus dem Text lässt sich alles machen. Von einem völlig wertlosen Dokument bis zu einem wirklich progressiven Klimaschutzabkommen“, sagt Martin Kaiser, Teamleiter Klimaschutz bei Greenpeace.
Gutes Gefühl für alle
David Waskow, in gleicher Position beim WRI, drückt es so aus: „Es war ein positiver, konstruktiver Start. Trotzdem muss noch ein Großteil des Weges – inklusive einiger Gebirgspässe – zurückgelegt werden.“ Demnach gehörte es zur Verhandlungsstrategie der beiden Vorsitzenden Ahmed Djoghlaf aus Algerien und Dan Reifsnyder aus den USA, allen Ländern das Gefühl zu geben, dass ihre Vorstellungen gehört und bedacht werden.
Wie unterschiedlich die Optionen in dem Text sind, zeigt die Bandbreite der möglichen Senkungen des globalen Klimagasausstoßes. Ambitionierte Optionen sehen beispielsweise vor, die Emissionen bis 2050 um 70 bis 95 Prozent zu senken, oder sogar ein globales CO2-Budget aufzustellen: Maßstab sind darin die Berechnungen des Weltklimarates IPCC, wie viel Treibhausgase die Menschheit noch ausstoßen darf, um die globale Erwärmung auf zwei oder optional 1,5 Grad zu begrenzen.
Diese Gesamtmenge an Klimagasen wird dann anhand eines Schlüssels, der historische Verantwortung, ökologischen Fußabdruck, Leistungsfähigkeit und Entwicklungsstand des Landes berücksichtig, weltweit verteilt. An anderer Stelle des Verhandlungstextes ist von einem Peak der Emissionen im Jahr 2020 die Rede. Auch mögliche schwache Klimaschutzziele finden sich, etwa in Form schwammiger Formulierungen von „substantiellen“ Reduktionen bis 2050. Die EU unterstützt das Ziel, bis zum Ende des 21. Jahrhunderts die weltweiten CO2-Emissionen auf null zu senken.
Doch selbst die Gültigkeitsdauer des Abkommens ist unklar. Als Startdatum steht etwa Januar oder Dezember 2020 im Text. Auch bezüglich der Dauer werden mehrere Optionen genannt: bis 2025, 2030 oder gar „für immer“. WRI-Analyst Waskow sieht eine wachsende Unterstützung für ein längerfristiges Abkommen.
Eine wichtige Frage ist deshalb, ob in Paris ein flexibles Abkommen verabschiedet wird, das nachgebessert werden kann. „Mein Eindruck ist in der Tat, dass die Länder sich im Klaren sind, dass Paris ein langfristiges Abkommen sein soll“, schreibt etwa Sönke Kreft, Teamleiter, Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.
Das bedeute auch, dass wichtige Elemente im Nachhinein immer wieder weiter verbessert werden. Dazu zählen Mechanismen, wie die Einhaltung der Klimaschutzziele einzelner Staaten überprüft werden, wie lange die Verpflichtungsperioden jeweils dauern und ob die globale Senkung des Klimagas-Ausstoßes überhaupt ausreicht, um eine Erwärmung der Erde um durchschnittlich mehr als zwei Grad abzuwenden.
Hybrid fürs Weltklima
Waskow spricht deshalb von „Aktionszyklen“, nach denen Länder in regelmäßigen Abständen ihre Klimaschutzpläne verbessern. „Die Frage in Genf war nicht, ob es diese Zyklen geben soll – es gab eine wachsende Übereinstimmung, dass sie essentiell sind.“ Vielmehr sei es bereits um Details gegangen: Wie sich Länder gegenseitig über ihre Fortschritte im Klimaschutz informieren, wie genau die Zyklen strukturiert sind. In den meisten Optionen des Verhandlungstextes ist von einer Neujustierung der Ziele alle fünf Jahre die Rede, für Entwicklungsländer möglicherweise alle zehn Jahre.
Martin Kaiser von Greenpeace hebt hier die positive Rolle der US-Delegation hervor, die mit fünf Jahren eine schnelle, ambitioniertere Anpassung forderte. Alle drei befragten Experten halten zudem eine Hybrid-Regelung an Klimaschutzzielen für wahrscheinlich – also eine Kombination aus konkreten CO2-Senkungen bis 2025 und eine Verpflichtung, später weitergehende Ziele bis 2030 festzulegen.
In einem entscheidenden Punkt allerdings gab es in Genf kaum eine Annäherung: Die Frage, welche Staaten künftig als Entwicklungsländer und welche als entwickelte Länder gelten sollen. Es geht um viel Geld, immerhin wollen die Industrieländer ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für die Anpassung an den Klimawandel bereitstellen.
„Die Frage der Differenzierung ist sicherlich einer der politisch größten Streitpunkte vor und für Paris“, schreibt Kreft. Eine Schwarz-Weiß-Unterscheidung in Industrie- und Entwicklungsländer erfahre aber immer weniger Unterstützung, so der Germanwatch-Analyst. Auch Martin Kaiser von Greenpeace sieht alle Staaten der G20 in der Pflicht für den Klimaschutz und spricht von einer „neuen Wirklichkeit“. Der Verhandlungstext enthält bereits einige Vorschläge, wie die Entwicklungsgrade von Staaten differenzierter unterschieden werden könnten.
Die nächsten Verhandlungen finden Anfang Juni in Bonn statt. „Die wichtigste Aufgabe wird sein, den Verhandlungstext signifikant zu kürzen“, schreibt Waskow. Das sei allerdings schweres Terrain, ergänzt er.
Weiterführende Informationen
Interaktive Karte mit staatlichen Klimaschutzversprechen weltweit
Verhandlungsergebnis von Genf [pdf, 877KB]
Pressemitteilung von Germanwatch
Vorstellungen der EU-Kommission für ein Abkommen in Paris, 25. Februar 2015 [pdf, 402 KB]