In der kommenden Woche beschließt das Europäische Parlament (EP) voraussichtlich den umstrittenen Gesetzentwurf zu Biokraftstoffen. Umweltverbände kritisieren den Kompromiss zwischen Rat und Parlament. Sie fordern eine Senkung der Beimischungspflicht.
Nach langen Verhandlungen über die zukünftigen Regelungen für die Beimischung von Biokraftstoffen haben sich der Europäische Rat und das EU-Parlament Mitte April auf einen Kompromiss verständigt. Bis zu sieben Prozent Agrokraftstoff bezogen auf die gesamte Menge an Benzin und Diesel sollen auf die CO2-Bilanz der Länder anrechenbar sein. Die EU will bis zum Jahr 2020 erreichen, dass zehn Prozent der für den Transportsektor benötigten Energien erneuerbaren Quellen entspringen. Die einzelnen Mitgliedsländer dürfen sich auch ehrgeizigere Ziele setzen.
Am 29. April wird das Parlament über den Gesetzentwurf abstimmen. Anschließend bleibt den Mitgliedsländern bis 2017 Zeit, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Theoretisch darf der Anteil des Biosprits bei der für den Verkehr benötigten Energie auch höher sein. Nur werden die sieben Prozent überschreitenden Mengen nicht auf die Klimaziele der EU angerechnet. Das Parlament wollte ursprünglich einen niedrigeren Höchstwert von sechs Prozent durchsetzen. Das gelang den Abgeordneten nicht.
Zustimmung trotz Unzufriedenheit
Das EP wird den Kompromiss trotz verbreiteter Unzufriedenheit wohl annehmen. Insbesondere die Grünen und die Sozialdemokraten sind vom Ergebnis enttäuscht. „Es ist eine Schande, dass ehrgeizigere und rechtsverbindliche Ziele für fortgeschrittene Biokraftstoffe vom Rat blockiert werden“, erklärt die schwedische Sozialdemokratin Jytte Guteland. „Das Ergebnis bietet der Verschwendung von Lebensmitteln im Tank kaum Einhalt“, kritisiert ihr deutscher Fraktionskollege Jo Leinen. Dennoch wollen die Sozialdemokraten zustimmen.
Zufrieden zeigen sich dagegen die Konservativen. Die Einigung liege „komplett auf der Linie der EVP-Fraktion“, freut sich der CDU-Abgeordneter im EP, Peter Liese. Biokraftstoffe der zweiten Generation würden gefördert, ohne „unverantwortliche Beschränkungen“ von Ethanol und Biodiesel. Damit sei Landwirten und Unternehmen die notwendige Investitionssicherheit gegeben.
Der Europäische Rat hat sich durchgesetzt
Geeinigt haben sich Rat und Parlament zudem auf eine, allerdings unverbindliche, Untergrenze für die Beimischung von Biokraftstoffen der zweiten Generation in Höhe von 0,5 Prozent. Bei dieser alternativen Energieerzeugung werden Abfälle wie Pflanzenreste und Klärschlämme oder neue Quellen wie Algen als Rohstoffe verwendet. Somit stehen die Energiepflanzen hier nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Auch bei diesem Streitpunkt hat sich der Rat durchgesetzt. Das Parlament wollte ein Pflichtziel von 1,5 Prozent gesetzlich verankern.
Abgeschwächt kommt noch ein dritter Streitpunkt in das Gesetz. Dabei geht es um die Berücksichtigung der so genannten indirekten Landnutzung (ILUC). Dabei handelt es sich um umgewidmete Flächen, auf denen zum Beispiel ursprünglich Wälder standen, die nun als Ackerland dienen und durch die Bewirtschaftung zur CO2-Freisetzung beitragen. Das Parlament wollte diese Mengen auf die CO2-Bilanz anrechnen, musste in den Verhandlungen jedoch nachgeben. Hier ist nun lediglich ein Reporting vorgesehen. Insgesamt hat sich der Rat mit seinen Vorstellungen weitgehend durchgesetzt, der selbst in zwei Ländergruppen gespalten ist.
Umweltverbände wollen niedrigere Obergrenze in Deutschland
Naturschützer befürchten, dass die Neuregelung den Klimazielen widerspricht, weil die EU-Kommission die Klimawirkung der Agrartreibstoffe nach ihrer Einschätzung falsch berechnet. „Die Klimagas-Rechenmodelle der EU unterstellen, dass die von Agrosprit verdrängten Lebensmittel gar nicht gebraucht werden und Menschen und Tier folglich weniger CO2 ausstoßen“, kritisiert die Agrarexpertin des BUND, Katrin Wenz. Beleg dafür ist eine kürzlich unter anderem von der Universität Princeton und der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission veröffentlichte Studie, die drei Modelle zur Berechnung von Treibhausgasemissionen durch indirekte Landnutzung erstellt hat.
Der BUND erwartet, dass bis 2020 eine Fläche von 69.000 Quadratkilometern Land von natürlichen Ökosystemen in Agrarflächen umgewandelt wird. Dadurch könnten zwischen 27 und 56 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt werden. „Werden indirekte Landnutzungseffekte berücksichtigt, ist die Treibhausgasbilanz sogar überwiegend negativ“, erteilt Wenz den Biokraftstoffen generell eine schlechte Note. Von der Bundesregierung fordert der BUND nun eine geringere nationale Obergrenze für die Beimischung und einen langfristigen Ausstieg aus der Agrarspritverwendung. Die Ankündigung des Umweltministeriums einer Deckelung bei fünf Prozent wird vom Verband begrüßt.
Weiterführende Informationen
Gesetzentwurf zur Beimischpflicht
Stellungnahme Peter Liese, EVP
Modell zur Treibhausgasemissionen von Biotreibstoffen