Einkaufen darf einfacher werden. Wie sieht die CO2-Bilanz von Tomaten im Winter aus? Unter welchen Arbeitsbedingungen wurde mein neues T-Shirt produziert? Ist die Outdoor-Jacke für den Herbst ökologisch unbedenklich? Soll ich den defekten Kühlschrank verschrotten? Shoppe ich im Laden oder besser Online? Wer auf Ökologisches und Soziales Wert legt, muss sich durch ein enormes Angebot schlagen – und braucht Antworten. Geliefert werden sie seit 2003 vom Nachhaltigen Warenkorb.
Denn nachhaltiger Konsum ist möglich, aber noch lange kein Mainstream. Verbraucherinnen und Verbraucher tun sich noch immer schwer: Zwar werden in fast allen Supermärkten mittlerweile Bio-Produkte angeboten und in immer mehr Städten eröffnen Biosupermärkte, am gesamten Lebensmittelumsatz machen diese aber nur gut fünf Prozent aus. Es werden zudem inzwischen deutlich weniger Plastiktüten verbraucht, aber jährlich 2,8 Milliarden Wegwerfbecher in Deutschland. Pro Kopf sind das 34, obwohl der Coffee-to-go längst in Verruf geraten ist. Und im Schnitt kauft jede und jeder Deutsche 60 Kleidungsstücke im Jahr, trägt diese aber nur halb so lang wie noch vor 15 Jahren. Jedes fünfte Kleidungsstück wird nie getragen – trotz oft ausbeuterischer Bedingungen bei ihrer Herstellung. Mehr noch: jedes Jahr entsorgen wir hierzulande 55 Kilogramm Lebensmittel in der Tonne und es wird mehr denn je geflogen, auch wenn der schwedische „flygskam“ inzwischen in deutschen Debatten auftaucht. Mit Hintergrundinformationen und konkreten Tipps zeigt der Nachhaltige Warenkorb Wege und Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit beim Thema Konsum.
Alltagsroutinen, Geldfragen oder mangelnde Motivation stehen uns oftmals im Weg. „Keiner verändert sein Leben von heute auf morgen“, sagt Lucia Reisch. Sie ist Professorin für interkulturelle Konsumforschung und europäische Verbraucherpolitik an der Copenhagen Business School, auch Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung und meint: „Suchen Sie sich zuerst einen Bereich aus, der Ihnen am Herzen liegt“. Der Konsum sei ungefähr für ein Drittel des Ressourcen- und Energieverbrauchs verantwortlich. Hinzu komme der indirekte Verbrauch, etwa Wasser, das für die Herstellung von Produkten benötigt wird.
Konkrete, umfassende Tipps
Bisher wurde dieser Online-Ratgeber herausgegeben vom Rat für Nachhaltige Entwicklung. Er hat ihn vor 16 Jahren initiiert. Jetzt kümmert sich RENN.süd darum, eine der vier Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien. Hubert Weiger, Ratsmitglied und Vorsitzender des Umweltverbandes BUND, sagt: „Wir wollen den Nachhaltigen Warenkorb näher an die Verbraucherinnen und Verbraucher heranbringen.“ Es ist ein Meilenstein.
Als der Nachhaltige Warenkorb vor 16 Jahren gestartet ist, tauchte die Idee, etwa mit ressourcenschonenden Produkten der Umwelt zu helfen, zwar schon in Reden auf. Doch fehlte es an konkreten, umfassenden Tipps. Seine neue Idee lehnte der Rat an den Warenkorb des Statistischen Bundesamtes an. Dieser gilt mit seinen 650 Produkten und Dienstleistungen jedes Jahr als Maß dafür, was und wie viel die Deutschen einkaufen. Der Nachhaltige Warenkorb zeigt seither umweltfreundliche und sozialverträgliche Alternativen auf – und brachte die Debatte voran.
Mittlerweile steht zum Beispiel in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, dass bis zum Jahr 2030 der Marktanteil von Produkten mit staatlichen Umweltzeichen 34 Prozent ausmachen soll. Vor allem aber kümmern sich vor Ort viele Engagierte um einen bewussten Einkauf. In 600 Städten machen sich Menschen allein für den Fairen Handel stark. Nun soll sich der Warenkorb weiterentwickeln, mit RENN.süd zwar seinen bundespolitischen Fokus behalten, aber noch stärker vor Ort seine Wirkung entfalten.
Auch Staat gefragt
Nur: Weniger Fleisch essen, seltener fliegen, umweltbewusst heizen – was nützt das alles wenn der Nachbar dies nicht macht? Muss nicht eher der Staat ran und Regeln aufstellen? „Nachhaltigkeit fordert beide“, erklärt der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, und nennt dafür ein Beispiel: die Energieeffizienz. Die stromfressenden Glühbirnen und später auch quecksilberbasierte Lampen seien nur vom Markt verschwunden, weil der Staat Vorgaben gemacht habe. „Das wäre allein mit Verbrauchernachfrage nicht gegangen.“
Hinter dem Aus für die wenig umweltfreundlichen Lampen steckt die Ökodesign-Richtlinie der EU. Mit ihr gingen auch schon bestimmte Backöfen, Duschköpfe oder Staubsauger vom Markt. Auch das Energiesystem könnten Bürgerinnen und Bürger nicht wirklich beeinflussen, meint Flasbarth weiter: „Das Ende von Atomkraft und, in einem nächsten Schritt, von der Kohleverstromung brauchte staatliche Entscheidungen.“
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung wird sich jetzt, da der Nachhaltige Warenkorb von RENN.süd weiterentwickelt wird, auf die Frage konzentrieren, welche politischen Rahmenbedingungen nötig sind, um den nachhaltigen Konsum voranzubringen.