Der Wald schwindet weltweit. Dem will die sogenannte Bonn Challenge etwas entgegensetzen: 14 Staaten nennen konkrete Aufforstungsziele. Deutschland unterstützt das größte Renaturierungsprojekt der Welt mit 90 Millionen Euro. Umweltschützer halten das Programm ohne ein Umdenken in der Holzindustrie für zu wenig, um die Wälder zu retten.
Es ist eine globale Baumpflanz-Aktion: Die USA forsten 15 Millionen Hektar auf, Äthiopien auch. Guatemala will knapp vier Millionen Hektar Wald schaffen, Uganda drei. Insgesamt haben 14 Staaten zugesagt, 61,5 Millionen Hektar zerstörten Waldes wieder aufzuforsten.
So kommt die größte Renaturierungsinitiative der Welt in Gang. Diese hatte sich ein Bündnis von Regierungen und Unternehmen schon im Jahr 2011 auf der ersten sogenannten „Bonn Challenge“ vorgenommen, einer von Deutschland und Norwegen initiierten internationalen Waldkonferenz.
Bis zum Jahr 2020 sollen weltweit 150 Millionen Hektar Wald aufgeforstet werden. Knapp vier Jahre nach dem Beschluss hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks letztes Wochenende auf der zweiten „Bonn Challenge“ mit Umweltministern und Fachleuten aus 30 Ländern Bilanz gezogen. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte sie.
Sojaplantage statt Urwald
Weltweit gehen jedes Jahr etwa 13 Millionen Hektar an Wäldern verloren, rechnet die UN Ernährungs- und -landwirtschaftsorganisation FAO vor. Anders gesagt: Jede Minute wird eine Fläche groß wie zwei Fußballfelder abgeholzt. Das Gros davon in den Tropen. So müssen in Argentinien oder Brasilien Regenwälder immer häufiger der Rinderzucht oder dem Anbau von Soja weichen. Indonesiens Regenwälder werden geschlagen, um Platz für Palmöl-Plantagen oder die Zellstoffproduktion zu schaffen. Aber auch nordische Wälder in Russland oder Kanada werden abgeholzt, etwa zur Papierherstellung. Zum Vergleich: In Deutschland macht Wald derzeit rund elf Millionen Hektar aus.
Mit dem Wald schwindet die Artenvielfalt. Die regionale Bevölkerung verliert ihre Lebensgrundlagen. Zudem regulieren Wälder das Klima, weil sie Kohlenstoff speichern. Dieses wird bei Holzeinschlag oder Brandrodung als klimaschädliches CO2 freigesetzt. Etwa 10 bis 15 Prozent der freigesetzten Treibhausgase entstehen, so heißt es im Bundesumweltministerium, durch die Waldzerstörung des Menschen.
Schon seit dem Jahr 1992 gibt es mit der Biodiversitätskonvention den Auftrag an die internationale Staatengemeinschaft, die Artenvielfalt und damit auch Wälder zu schützen. Zudem schafft der Redd+-Mechanismus – kurz für „Reducing Emissions from Deforestation and Degradation“ – der internationalen Klimapolitik bereits finanzielle Anreize, Wälder zu erhalten und dadurch Emissionen zu vermindern.
Die Idee der Bonn Challenge, eine freiwillige globale Wiederaufforstungsinitiative zu starten, flankiert diese bisherigen Bemühungen. Letztes Jahr auf dem UN-Sonder-Klimagipfel in New York ist das Ziel nochmals erweitert worden. Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 350 Millionen Hektar mit heimischen Bäumen wieder renaturiert werden, so dass dem Arten- und Klimaschutz gedient ist und die Bevölkerung zugleich Einkommen erzielen kann. So könnte etwa Kaffee unter Bäumen angepflanzt werden, genaue Vorgaben gibt es keine.
Damit lassen sich, so hofft das Bundesumweltministerium, „5 bis 8 Prozent der CO2-Emissionen mindern, die für das Erreichen des 2-Grad-Ziels benötigt werden“. Stärker als um zwei Grad Celsius, gemessen an den Temperaturen vor der industriellen Revolution, soll sich die Erde nicht erwärmen. Darauf haben sich die Staaten der Welt bereits geeinigt.
„Die Kosten für die Wiederaufforstung liegen im Schnitt bei mindestens 1.000 Euro pro Hektar“, meint Günter Mitlacher vom WWF Deutschland. Das Geld dafür aufzubringen, sei die „eigentliche Herausforderung“. Das Bundesumweltministerium hat bisher 15 Projekte mit rund 50 Millionen Euro unterstützt, in den nächsten Jahren will es weitere rund 40 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Damit soll zum Beispiel Ruanda dabei unterstützt werden, mit der lokalen Bevölkerung eine Strategie für den Wiederaufbau von Wäldern zu entwickeln.
Bringt die Bonn Challenge also eine Trendwende, wenn genug Geld zusammenkommt? Gesche Jürgens, Waldexpertin von Greenpeace Deutschland, meint „nein – obwohl die Bonn Challenge sinnvoll sein kann.“ Dazu müssten Landrechte geklärt sein und heimische Bäume gepflanzt werden. Vor allem aber dürfe Reparatur den Schutz der verbliebenen Wälder nicht ersetzen.
Konzerne versprechen Null-Entwaldungsrate
Grundsätzlich müsse der Verbrauch von Holz in Industrieländern etwa für Papier gemindert werden, fordert Jürgens. Darüber hinaus müssten sich Unternehmen auch eine „Null-Entwaldungsstrategie“ zu eigen machen. Die Lieferketten dürften also nicht mit der Vernichtung von Wäldern in Verbindung stehen. Zu klären sei: Welche Produkte schädigen den Wald? Woher kommen sie? Was sind Alternativen? Lässt sich ihr Verbrauch mindern? Dann müsse ein Maßnahmenpaket erstellt. Dies müssten die Firmen auch von Zulieferern einfordern – und gegebenenfalls die Geschäftsbeziehungen kappen.
Große Konzerne wie Nestl©, Unilever oder Procter & Gamble haben sich dazu bereits verpflichtet. Diese und rund 250 andere Unternehmen, die viel Palmöl verbrauchen, hat Greenpeace in der Kampagne „Tiger Challenge“ befragt, wie sie die „No-Deforestation-Strategie“ umsetzen. Demnach ist der italienische Süßwarenhersteller Ferrero besonders „fortschrittlich“ und verpflichtet sich auf die komplette Rückverfolgbarkeit seines verarbeiteten Palmöls. Jürgens erklärt: „Es kommt auf die konsequente Umsetzung an.“
Weiterführende Informationen
Die Bonn Challenge zur Wiederaufforstung
FAO-Studie zum globalen Waldbestand [pdf, 2,6 MB]
Hintergrundinformation zur Bonn Challenge [pdf, 161 KB]
Die internationale Biodiversitätskonvention
Redd+-Mechanismus gibt finanzielle Anreize, um Wälder zu erhalten
New York Declaration on Forests [pdf, 661 KB]
Tiger Challenge, No-Deforestation-Strategie, Greenpeace