Es ist so etwas wie der Ted-Talk auf der Jahreskonferenz des RNE: Macher berichten in Kurzvorträgen, wie sie Nachhaltigkeit umsetzen. Hier ihre Ideen.
Arianna Nicoletti – Emotionen für bessere Mode
Die meisten Menschen tragen nicht irgendwelche Kleider, sie suchen sich ziemlich bewusst zusammen, was zusammen passt. „Aber wer von Ihnen hat sich heute Morgen wirklich bewusst angezogen?“, fragt Arianna Nicoletti. Die Modedesignerin aus Berlin meint damit: nach ethischen Kriterien. Nicoletti trifft in ihrem Upcycling Fashion Store in Berlin seit Jahren Kunden und hat zwei Dinge festgestellt: In Sachen nachhaltiger Mode fehlt den Menschen nicht nur Wissen, sondern vor allem eine emotionale Verbindung zu den Menschen, die Kleidung für uns nähen.
„Wir sind alle Teil eines komplexen Systems mit Namen ‘globale Modeindustrie’“, sagt sie und zählt auf, was das bedeutet: Eben diese Industrie sei der zweitgrößte Umweltverschmutzer weltweit, hinter der Ölindustrie. Sie stehe für die Verschwendung von Ressourcen, für den unkontrollierten Einsatz von Giftstoffen und für katastrophale Arbeitsbedingungen. „Der Verbraucher weiß davon viel zu wenig“, sagt sie.
Was sie dagegen unternimmt? Workshops geben und aufklären – und zeigen, wo es Alternativen gibt. Zusammen mit Mitstreiterinnen bietet Nicoletti Green Fashion Tours an, Stadtführungen durch Berlin, an die Orte, wo man nachhaltig hergestellte Kleidung bekommt. Das tue auch der Stadt gut: „Wir verstärken Berlins Image als grüne Hauptstadt“, sagt Nicoletti.
Marlene Haas, Eva Bergauer – Eine IHK denkt um
Die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main ist 200 Jahre alt, hat 110.000 Mitglieder und 220 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Da gebe es keinen Expressweg zu mehr Nachhaltigkeit, sagen Marlene Haas und Eva Bergauer, „sondern einen Prozess, den wir jetzt angestoßen haben“. Die Jungunternehmerin Haas hat eine Agentur für Projektmanagement in den Bereichen ökologische und soziale Nachhaltigkeit und Kultur gegründet und ist Vizepräsidentin der IHK Frankfurt. Eva Bergauer leitet das Kompetenzzentrum Nachhaltigkeit der IHK.
Seit 2014 arbeiten beide gemeinsam an einer Positionierung der Kammer zum Thema Nachhaltigkeit und gründeten einen entsprechenden Arbeitskreis. „Viele dachten anfangs, das ist die Spielwiese der jungen Vizepräsidentin“, sagt Haas. Schnell war klar, so Haas, dass jedes Unternehmen eine eigene Vorstellung davon hat, was nachhaltiges Wirtschaften konkret bedeutet.
„Es war schwer, Positionen zu erarbeiten, mit denen man sich an die Politik wenden kann“, erklärt Haas. Zusammen mit Eva Bergauer trommelte sie alle wichtigen Akteure in der Mainmetropole zusammen – Banken, Industrie, kleine und mittelständische Unternehmen, und alle machten mit. Im Februar 2017 war es so weit: Die IHK Frankfurt ist die erste Kammer in Deutschland, die ein eigenes Positionspapier zum Thema Nachhaltigkeit hat.
Robert Haßler – Ratings für eine bessere Welt
Die Oekom Research AG ist eine Ratingagentur, die Länder und Unternehmen anhand ökologischer und sozialer Kriterien bewertet. „Wir schauen uns nicht die Rendite an, sondern wir fragen, woher kommt sie, mit wie viel Umweltzerstörung und Ausbeutung werden die Renditen erarbeitet?“, sagt Mitgründer Robert Haßler.
Das sei nicht der einzige Unterschied zu einer herkömmlichen Ratingagentur. Oekom wird von Investoren bezahlt, nicht von den zu bewertenden Unternehmen. Bei geläufigen Ratingagenturen ist es andersrum. Firmen zahlen für ihre eigenen Ratings – was es den Ratingagenturen schwerer macht, wirklich unabhängige Bewertungen zu treffen. „Die Masse der Unternehmen schneidet, nach unseren nachhaltigen Kriterien betrachtet, noch relativ schlecht ab“, sagt Haßler. 43 Prozent der bewerteten Unternehmen in Industrieländer haben demnach ein schlechtes, nur 16,5 Prozent ein gutes oder sehr gutes Nachhaltigkeitsrating. In Entwicklungsländern sieht es noch schlechter aus.
Aber, der Wandel ist im Gange. Und es spricht einiges dafür, dass es weiter in die richtige Richtung geht. Haßler kann aufzeigen, dass die Unternehmen mit einem guten Nachhaltigkeitsrating finanziell besser dastehen. „Es ist eine gesicherte empirische Erkenntnis, dass Unternehmen, die aktiv im Nachhaltigkeitsmanagement sind, sich unterm Strich finanziell gleich gut oder sogar besser entwickeln“, sagt er. Ratingagenturen seien, so Haßler, das Bindeglied, das die Forderungen von nachhaltig orientierten Investoren an die Unternehmen heranträgt. Was das bringt? „Wenn Investoren ökologische und soziale Kriterien einfordern, führt das automatisch dazu, dass sich Unternehmen auch danach richten“, sagt Haßler.
Thomas H. Osburg – Digitalisierung heißt Verantwortung
„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden“, sagt Thomas Osburg, Professor für Sustainable Marketing & Leadership an der Hochschule Fresenius. Gleichzeitig sinke das Vertrauen der Bevölkerung in die Digitalisierung ständig und das, so Osburg, sei ein großes Problem.
Als Lösung schlägt er zweierlei vor: Zum einen müsse die Verantwortung von Unternehmen neu definiert werden. „CSR muss komplett neu gedacht werden“, sagt Osburg. Positiv gesehen könnten aus der Digitalisierung völlig neue Innovationen entstehen, die gut für die Gesellschaft sind.
Als kritisches Beispiel sieht er Alexa. Das Audio-Gerät von Amazon steht in der Wohnung und hört immer mit. So kann es auf Anforderung per Sprachsteuerung Musik abspielen, das Internet durchsuchen oder andere Funktionen im Smart Home steuert. „Wo aber sind die Daten, wer genau hört mit und wie geht die Gesellschaft grundsätzlich mit so etwas um?“, fragt Osburg. Er appelliert an Unternehmen und Gesellschaft, eine neue Verantwortlichkeit in Zeiten der Digitalisierung zu entwickeln. Damit Digitalisierung von den Menschen nicht als Bedrohung wahrgenommen wird, sondern als Chance.
TeneTrio – Mehlwurmsnacks für Hunde
Im Vergleich Mehlwurm gegen Rind hat das Rind keine Chance. Um ein Kilo Rindfleisch zu erzeugen, braucht es 15.415 Liter Wasser, 25 Kilo Futter und 200 Quadratmeter Fläche. Wer mit Rindfleisch ein Kilo zunehmen will, setzt 2.850 Gramm CO2 frei. Für ein Kilo Mehlwurm dagegen braucht es 4.341 Liter Wasser, 2,1 Kilo Futter und 15 Quadratmeter Fläche. Macht für ein Kilo Gewichtszunahme 7,5 Gramm CO2.
Die Zahlen stammen von Ina Henkel, die an der Universität Potsdam an essbaren Insekten forscht und sie auch vermarktet. Henkel ist eine von drei Gründerinnen des Startups TeneTrio, das Hundefutter aus Mehlwürmern anbieten will – ein kleiner Schritt, um ein großes Problem zu lösen: „Wie, um alles in der Welt, sollen wir die für 2050 postulierten zehn Milliarden Menschen auf unserem Planeten ernähren?“, fragt Henkel. Ein Teil der Lösung könnten nahrhafte Insekten sein, die deutlich weniger Ressourcen verbrauchen.
Sie seien bereits mitten unter uns, die essbaren Insekten, so Henkel: Die amerikanische Food and Drug Administration, also die Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde der Vereinigten Staaten, erlaubt pro 100 Gramm Schokolade bis zu 60 winzige, unbeabsichtigt in das Produkt gelangte Insektenteile. Rund zwei Milliarden Menschen essen ohnehin gewollt und bewusst regelmäßig Insekten.
Charlotte Hopf, Flussbad Berlin
Das letzte Flussbad in Berlin machte im Jahr 1925 dicht, weil die Spree zu verschmutzt war. Der Verein Flussbad Berlin setzt sich dafür ein, die Tradition der Flussbäder wieder aufleben zu lassen. Zwischen Schlossplatz und Bode-Museum soll im Spreekanal, ein Seitenarm des Flusses in Berlin-Mitte, ein 840 Meter langes Flussbad entstehen. Ein vorgeschalteter renaturierter Bereich soll als natürlicher Pflanzenfilter das Wasser reinigen.
Die Pläne des Vereins sehen unter anderem eine breite Treppe am Rande des Lustgartens auf der Museumsinsel vor, um im Spreekanal schwimmen zu können. „Ist das ein Widerspruch, schwimmen und Museum, Alltags- und Hochkultur?“, fragt Charlotte Hopf, Architektin und Vorstand des gemeinnützigen Vereins Flussbad Berlin.
Für Hopf ist das kein Widerspruch, im Gegenteil, das Konzept passt aus ihrer Sicht zur Geschichte der Insel. „Die Museumsinsel ist Weltkulturerbe, weil sie Zeugnis einer Geisteshaltung ist“, sagt Hopf. „Sie ist ein Ort, an dem wir unsere gemeinsamen Werte zeigen.“ Hopf leitet das auch aus der Geschichte ab: So hat der preußische Architekt und Baumeister Karl Friedrich Schinkel 1830 das heute noch bestehende Alte Museum errichtet, das es den Bürgerinnen und Bürgern erstmals ermöglichte, Kunst zu genießen – bis dato ein Privileg der Königinnen und Könige.
Auch heute kann die Museumsinseln mit ihren vier Millionen Besucherinnen und Besuchern jährlich einen Wertekanon ausdrücken, so die Idee. „Wir sehen die Chance, einen öffentlichen, nicht kommerziellen Raum zu schaffen, der Nachhaltigkeit sichtbar und erlebbar macht und dort verankert, wo sie hingehört: In die Mitte dessen, was uns lieb und teuer ist“, sagt Hopf. Der Verein mit seinen 300 Mitgliedern arbeitet kontinuierlich an seiner Vision: Ab 10. Juni präsentiert er das Projekt im Garten der ESMT European School of Management and Technology in Berlin – dort ist auch eine Forschungsstation zur Spreewasserfilterung zu sehen.