Mehr Transparenz in die Lieferketten – ganz praktisch

Wie können Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfalt erfüllen? Eine neue Broschüre des NAP Helpdesks und des DNK zeigt an konkreten Beispielen, mit welchen unterschiedlichen Ansätzen Firmen – von ganz klein bis ganz groß – Verantwortung übernehmen und durch kontinuierliche Berichterstattung mehr Transparenz über ihr eigenes Handeln herstellen.

„Wer bei Menschenrechten ausschließlich an Kinder in Minen oder 20-Stunden-Schichten in Textilfirmen denkt, fasst das Thema zu kurz.“ Es gehe nicht nur darum, Zwangs-, Kinder- und ausbeuterische Arbeit zu verhindern, auch Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit, der Anspruch auf Rechtsschutz, die Rechte auf gleichen Lohn, Erholung und Bildung gehörten zu den Menschenrechten – um nur einige Beispiele zu nennen. Das schreiben Katharina Hermann, Leitung Nationaler Aktionsplan (NAP) Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte in der Agentur für Wirtschaft & Entwicklung, und Yvonne Zwick, Stellvertretende Generalsekretärin des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) und Leiterin des Büros Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK) in ihrem Vorwort zu einer neu veröffentlichten Broschüre.

Das Ziel dieser Broschüre: Unternehmen zu helfen, ihre menschenrechtliche Sorgfalt wahrzunehmen. Oder genauer: ihnen zunächst zu beantworten helfen, wo sie stehen und in welchen Bereichen sie nachsteuern sollten. Im eigenen Unternehmen und in direkten Geschäftsbeziehungen fällt es Firmen – abhängig von Größe und Struktur – möglicherweise noch einigermaßen leicht zu erkennen, welche Spannungsfelder sich in Bezug auf Menschenrechte ergeben.

Ganz praktische Vorteile durch mehr Transparenz

Aber wie steht es um ihre Investments, ihre Kreditgeschäfte und die globalen Netzwerke der Wertschöpfung, in denen viele Firmen heute agieren? Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) bietet seit 2011 einen Rahmen, den Unternehmen – kostenlos – nutzen können, um über ihre nichtfinanziellen Leistungen Bericht zu erstatten und auch für sich selbst darüber Transparenz herzustellen. In Kriterium 17 geht es dabei um den Umgang mit Menschenrechten. Seit 2018 besteht darüber hinaus die Option, weitere Informationen im Sinne des Nationalen Aktionsplans (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte offenzulegen.

Die Broschüre, die seit heute verfügbar ist, erläutert die Mechanismen von NAP und DNK auch anhand von konkreten Unternehmen verschiedener Größe und zeigt an diesen Beispielen, wie die Berichterstattung im Rahmen von DNK-Erklärungen gelingen kann.

Sie zeigt zudem, dass es sich dabei nicht nur um eine moralische Verpflichtung handelt oder Unternehmen auf diese Weise mögliche gesetzliche Maßnahmen antizipieren können. Vielmehr sprechen ganz praktische Gründe dafür, funktionierende und effektive Prozesse zu etablieren, um die Menschenrechte zu wahren. Unternehmen beugen dadurch Risiken vor, etwa Rechtsstreitigkeiten oder Produktionsausfällen. Sie werden als Arbeitgeber attraktiver, verbessern ihre Reputation und können sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten. In anderen Worten: „Kurzfristig ist der Verzicht auf Wertschöpfung vielleicht ein Ertragsverlust, aber wenn man sich bewusst macht, dass eine klare Haltung wichtig ist und die Bank sich mittelfristig so auch von Wettbewerbern differenziert, dann hilft das – der Integrität und auch dem Ertrag “, so formuliert es Rüdiger Senft, Head of Sustainability der Commerzbank, die in der Broschüre als Beispiel für ein international agierendes Großunternehmen vorgestellt wird. Senft berichtet auch, dass die An- und Nachfragen der verschiedenen Stakeholder zahlreicher geworden seien. Das habe dazu beigetragen, dass die ESG-Kriterien sowie das damit verbundene Management von Reputationsrisiken stark an Bedeutung gewonnen habe.

„Ausbeutung darf kein Wettbewerbsvorteil sein “

Der Handels- und Tourismuskonzern REWE , ebenfalls Beispiel für ein Großunternehmen in der Broschüre, sieht ein erhöhtes Risiko der Missachtung von Arbeits- und Sozialstandards in den Lieferkettenstufen des Rohstoffanbaus und der Verarbeitung. Hier liegt der Fokus des Unternehmens. Allerdings: „Eine reine Verschiebung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Lieferkette wird den Herausforderungen nicht gerecht – die Ausbeutung von Menschen darf kein Wettbewerbsvorteil sein “, sagt Dirk Heim, Bereichsleitung Nachhaltigkeit Ware der REWE Group.

Doch auch mittlere und kleine bis kleinste Unternehmen setzen sich mit dem Thema Menschenrechte auseinander. Das zeigen die Beispiele der Steinbildhauerei Vincent aus Wetter (Ruhr) in NRW und der Freiburger Taifun Tofu GmbH. Der Steinmetz Timothy Vincent verfolgt für sich den Ansatz, keinerlei Gestein mehr aus entfernten Ländern wie Indien zu importieren, er arbeitet inzwischen möglichst mit regionalem oder europäischem Gestein. Eine ähnliche Strategie wählt der Mittelständler Taifun Tofu: Das Unternehmen setzt darauf, die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte nach Europa zu holen, muss aber feststellen, dass es bei Waren, bei denen es kein Großabnehmer ist – zum Beispiel bei Gewürzen – keinen Druck auf die Lieferanten ausüben kann. Der Leiter Qualitätsmanagement Valentin Jäger hält fest: „Es ist für uns wichtig, nicht blind Standards anzuwenden, sondern bewusst eigene Entscheidungen zu treffen. “

Die Broschüre klärt nicht nur über die Mechanismen, sondern auch über Entstehung und Hintergrund des NAP auf. Der Nationale Aktionsplan dient dazu, die 2011 verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen in der deutschen Wirtschaft zu verankern und damit die menschenrechtliche Lage entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten weltweit zu verbessern. Sie orientieren sich an bereits bestehenden Menschenrechtsverpflichtungen wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte oder den ILO-Kernarbeitsnormen. In Deutschland sollen die VN-Leitprinzipien, die in einem sechsjährigen Forschungs- und Konsultationsprozess erarbeitet wurden, mit Hilfe des NAP umgesetzt werden. Das Bundeskabinett hat ihn 2016 verabschiedet.

Bisher ist es nicht verpflichtend, sich am NAP zu orientieren. Allerdings hat sich die Bundesregierung vorbehalten, weitergehende Schritte – bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen – zu prüfen, wenn bis Ende des Jahres nicht mindestens die Hälfte der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden den NAP umsetzen.

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