Rund 198 Millionen Jeans sind im Jahr 2018 nach Deutschland importiert worden. Im Schnitt kauft jeder Deutsche etwa fünf Kleidungstücke im Monat, 60 im Jahr, trägt sie aber nur noch halb so lang wie vor 15 Jahren. Mode wird zur Wegwerfware. Dieses Geschäftsmodell – Fast Fashion – wollen viele nicht mehr mitmachen.
Designer und andere Kreative denken Mode, Materialien, den Umgang mit Kleidung, neu. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung will sie fördern – mit dem Ideenwettbewerb „Modekultur, Textilien und Nachhaltigkeit“, um Gegenmodelle zum herkömmlichen Modezirkus zu entwickeln. Denn: Was heute Trend ist, wird morgen schon wieder aussortiert.
Früher habe es drei bis vier Kollektionen im Jahr gegeben, zu jeder Jahreszeit etwa eine, heute werfe manche Modekette fast im Wochentakt eine neue Kollektion mit anderen Schnitten, Farben, Designs auf den Markt, erklärt Thomas Ahlmann vom Dachverband Fairwertung, einem Netzwerk gemeinnütziger Altkleidersammler. Den Kunden werde immer öfter ein neues Einkaufserlebnis versprochen.
Rekordverdächtig: Kleidung wegwerfen
Die Textilproduktion weltweit hat sich von 2000 bis 2014 verdoppelt. Pro Jahr werden mehr als hundert Milliarden Kleidungsstücke hergestellt, was einem Umsatz von etwa 1,6 Billionen Euro entspricht. Die Zahlen hat Greenpeace 2017 in einem Report zusammengestellt, einen besseren Überblick hat derzeit kaum jemand.
Doch es wird nicht nur rekordverdächtig viel gekauft, sondern auch ähnlich viel weggeschmissen. Schon jetzt landeten pro Jahr etwa eine Million Tonnen Kleider in den Containern, sagt Ahlmann. Das entspräche bereits „den Ladungen einer LKW-Schlange von Kiel bis Innsbruck“. Doch die Mengen stiegen seit Jahren kontinuierlich. Mittlerweile komme bei seinem Netzwerk so viel an, teils auch von so schlechter Qualität, dass nicht alles wiederverwertet werden könne.
Der schnelle Modezyklus hat seinen Preis: Die Löhne sind oft gering, meistens sind es Frauen, die in Asien zum Beispiel an einem 16 Stunden-Tag unter 2 Euro verdienen. Die Bekleidungsindustrie verursacht dabei mehr Treibhausgase als alle internationalen Flüge und Schiffe zusammen. Sie ist ein Ressourcenfresser.
8000 Liter Wasser pro Jeans
Beispiel Baumwolle: Für eine konventionelle Jeans, 800 Gramm schwer, werden rund – die genaue Zahl hängt von der Bewässerungsmethode ab – 8000 Liter Wasser benötigt. Der Baumwollanbau sei, so heißt es beim Umweltbundesamt, zum Beispiel verantwortlich für die Austrocknung des Aralsees. Gelegen an der Grenze zwischen Kasachstan und Usbekistan, war er früher der viertgrößte Binnensee der Erde. Zudem würden sehr viele Spritzmittel eingesetzt: „Circa 14 Prozent des weltweiten Insektizidmarktes und circa 5 Prozent des Pestizidmarktes“, gibt die Behörde an, seien dem Baumwollanbau zuzuschreiben. Obendrein werde für die Herstellung von einem Kilo Textil bis zu ein Kilo Chemikalien eingesetzt.
Baumwolle ist der bedeutendste Textilrohstoff, doch nimmt der Anteil von Polyester zu. Die Kunstfaser wird aus Erdöl hergestellt, ist vergleichsweise billig, aber besonders klimaschädlich. Die CO2-Emissionen sind, so rechnet Greenpeace vor, „fast dreimal so hoch wie für Baumwolle. Im Jahr 2000 wurden weltweit noch 8,3 Millionen Tonnen Polyester aus Erdöl für Kleidung verwendet. Gut 15 Jahre später war die Menge um rund 157 Prozent angestiegen. Das bringt ein weiteres Problem mit sich. Bei jeder Wäsche brechen winzige Kunststoff-Fasern ab und werden als Mikroplastik-Partikel ins Wasser gespült.
Viele legen sich ins Zeug, bringen Alternativen voran. Die einen eröffnen Geschäfte nur mit ökologischer und fairer Kleidung. Andere entwickeln ganz neue Fasern. Ein Team um die Professorin Andrea Kruse von der Universität Hohenheim produziert aus den unverzehrbaren Wurzelrüben von Chicorée Material für Strumpfhosen. So sollen Nylon und Perlon, aber auch andere Kunststoffe auf Erdölbasis ersetzt werden.
Schuhe aus Ananas
Schon heute gibt es Parka mit der Pflanzendaune Kapok, die den langen Fasern der Früchte des tropischen Kapokbaumes stammt, oder Schuhe aus Piñatex, Ananasleder gewonnen aus Blättern der exotischen Frucht, die üblicherweise weggeworfen werden.
Nachhaltige Mode allerdings macht noch mehr aus, meint Greenpeace-Expertin und Autorin Kirsten Brodde: „Es geht darum, Kleidung wieder zu schätzen, mit ihr pfleglich umzugehen, sie zu reparieren, anders zu kombinieren und auch mal mit Freunden zu tauschen.“ Anders gesagt: Gesucht wird ein neuer Stil.
Wer will, kann sich noch bis zum 18. August 2019 beim Ideenwettbewerb des Fonds Nachhaltigkeitskultur bewerben, um diesen neuen Stil mitzuprägen.