Mobilität verändert sich extrem schnell. Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt zeigte eine ganze Halle neue Konzepte urbaner Mobilität, die auf dem Teilen von Fahrzeugen und autonomem Fahren basieren. Neue Studien zeigen das Wachstumspotential von Carsharing. Das wiederum braucht die richtigen Bedingungen, um wirklich nachhaltig zu sein.
Dass Automobilhersteller ihr Geschäftsmodell ändern müssen ist längst in den Chefetagen angekommen. Carlos Tavares, Vorstandsvorsitzender von PSA Peugeot Citroen sprach auf der IAA davon, dass sich die Konzerne zu „Mobilitätsdienstleistern“ weiterentwickeln müssten. Noch drastischer drückte es Nick Sampson vom kalifornischen Elektroauto-Startup Faraday Future aus: Die Jugendlichen von heute werden vielleicht nie selbst ein Auto fahren oder besitzen.“
Was die Branche umtreibt, ist nicht nur die neue Konkurrenz von Silicon Valley Firmen wie Apple oder Google, die selbstfahrende Autos auf den Markt bringen wollen. Sondern das veränderte Verhalten der Konsumenten: Nach einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Prophet können sich 35 Prozent der Bundesbürger zwischen 18 und 34 Jahren ein Leben ohne Führerschein und Auto vorstellen. Die Hälfte der Befragten befand, ein eigenes Auto sei zu teuer. Die Alternative: Carsharing oder andere Formen geteilter Mobilität.
Doch auch die, die bereits ein Auto besitzen, denken um, hauptsächlich aus ökonomischen Gründen – und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in China. Nach einer Studie der Managementberatung Bain & Company wären bis zu 30 Prozent der Fahrzeugbesitzer in China bereit, auf ihr eigenes Auto zu verzichten. In Deutschland sind es bis zu 22 Prozent. Allerdings nur, wenn sich beispielsweise Treibstoffpreise massiv erhöhen oder eine Maut eingeführt würde. Bleibt alles wie bisher, sinkt der Wert auf sechs Prozent.
Auf die Verzahnung kommt es an
Vor allem die Rahmenbedingungen entscheiden darüber, wie nachhaltig Carsharing am Ende ist. Studien deuten darauf hin, dass überall in Stadtgebieten verfügbare Fahrzeuge, sogenanntes Free-Floating-Carsharing, dem öffentlichen Nachverkehr derzeit eher schaden. Bei stationsbasiertem Carsharing ergibt sich dagegen seit Jahren in diversen Studien das gleiche Bild: Haushalte schaffen häufig ihr eigenes Fahrzeug ab, ein Carsharing-Auto hat das Potential, vier bis acht PKW zu ersetzen.
Die Bilanz auch bei Free-Floating könnte jedoch deutlich besser ausfallen, würden öffentlicher Nahverkehr und Carsharing besser verzahnt. Das ergab eine aktuelle Studie des Öko-Instituts und Infras im Auftrag des Umweltbundesamtes. So schlagen die Autoren der Studie beispielsweise vor, direkt an Stationen des öffentlichen Nahverkehrs Parkplätze für Carsharing-Wagen bereit zu stellen.
Die Effekte solcher Maßnahmen wären deutlich spürbar: In einem der in der Studie untersuchten Szenario könnten unterm Strich bis zu 109.000 Arbeitsplätze entstehen, auch wenn an anderer Stelle, etwa bei Automobilherstellern, im KfZ-Handel und Service 50.000 Stellen wegfallen würden. Voraussetzung bei diesem Szenario ist ein Gesamtkonzept, bei dem auch Fuß- und Radwege ausgebaut werden, so dass in Kombination mit Carsharing und Nahverkehr mehr Menschen auf einen eigenen PKW verzichten.
Die Studie berechnet dabei auch die volkswirtschaftlichen Effekte einer solchen veränderten Art der Mobilität. In dem genannten Szenario würde der Nahverkehr seinen Anteil am Verkehrsaufkommen von derzeit acht auf 20 Prozent steigern. Dementsprechend müsste seine Kapazität angepasst werden.
Zu Spitzenzeiten wie im Berufsverkehr wäre die Verkehrsinfrastruktur schlicht überlastet. Die Kosten eines Ausbaus würden allerdings dazu führen, dass der volkswirtschaftliche Effekt leicht negativ wäre. Die Autoren schlagen deshalb vor, im Nahverkehr Anreize zu schaffen, die dazu führen, dass sich die höheren Passagierzahlen zeitlich besser verteilen.
So könnten die Tarife außerhalb der Spitzenzeiten billiger werden. Im besten Fall müsste der öffentliche Nahverkehr kaum zusätzlich ausgebaut werden, würde aber seine Auslastung steigern. Dann wird die Sache auch volkswirtschaftlich deutlich positiv – ökologischer sind die Carsharing-Szenarien ohnehin. Bis zu sechs Millionen Tonnen CO2 könnten pro Jahr eingespart werden.
In jedem Fall ist der Weg dahin noch weit: „Damit Menschen ihre Verkehrsgewohnheiten ändern, muss einiges passieren“, sagt Martin Gsell, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ökoinstitut in Berlin, der an der Studie mitgearbeitet hat. Vor allem müssten die Barrieren möglichst gering sein. „Vorstellbar wäre eine App, die den optimalen Weg zum Ziel berechnet, dabei alle möglichen Verkehrsmittel unter Verwendung von Echtzeitdaten berücksichtigt und die nötigen Fahrten mit einem Klick bucht“, sagt Gsell.
Flexibel wie der eigene PKW
Im Prinzip müsste die Kombination aus Nahverkehr und Carsharing also so flexibel sein wie ein eigener PKW. Allmählich kommen auch entsprechende Apps auf den Markt. Der Aachener Verkehrsverbund etwa kündigt eine App an, die für die Nutzer Fahrten vorschlägt, die Leihfahrräder, Carsharing und Nahverkehr kombinieren.
Wie sich solche Ideen am Ende durchsetzen hängt auch vom Gesetzgeber ab. Derzeit arbeitet das Bundesverkehrsministerium an einem Gesetz zum Carsharing. Es soll klare Regeln schaffen, wie Parkflächen für die Fahrzeuge ausgewiesen werden können.
Außerdem soll es den Nahverkehr mit den geteilten Fahrzeugen besser verzahnen, etwa, in dem Ausschreibungen für entsprechende Parkflächen an Bahnhöfen unter Anbietern verschiedener Carsharing-Dienste möglich werden. Das Bundesverkehrsministerium teilte mit, dass sich das Gesetz momentan in der Schlussabstimmung mit den federführenden Ressorts befindet. Ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer neuen Mobilität.
Weiterführende Informationen
Blog von der IAA, Automanager zur Zukunft das Fahrens
Prophet-Umfrage zu Carsharing
Studie des Ökoinstituts und Infas zu Carsharing
App des Aachener Verkehrsverbundes
Verkehrsministerium zum neuen Carsharing-Gesetz