Setzt ein Umweltverband seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel, wenn er mit der Wirtschaft kooperiert? Nabu-Präsident Olaf Tschimpke sagt: im Gegenteil. Reden Verbände und Wirtschaft miteinander, so steige die Chance, Unternehmer für umweltpolitische Maßnahmen zu gewinnen.
Werden Plastiktüten in Rewe-Märkten seltener? Zumeist nur einmal genutzt, dann weggeworfen, sind sie ein großes Umweltproblem. „Wir arbeiten daran“, sagt Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, Nabu, und stellvertretender Vorsitzender im Rat für Nachhaltige Entwicklung.
Die Naturschützer werden das schon im September mit dem Kölner Handelskonzern beratschlagen, zu dem auch die Toom-Baumärkte oder der Reiseveranstalter Dertour gehören. Dazu werden weitere Experten geladen, etwa aus dem Umweltbundesamt und der Handelsbranche.
Es ist das erste Treffen, weitere werden folgen, seit Tschimpke und Rewe-Chef Alain Caparros Anfang Juli eine „langfristige strategische Partnerschaft“ geschlossen haben.
Greenpeace: Keine Zusammenarbeit
Der Nabu berät schon lange Unternehmen in Umweltfragen. Dazu gehören VW, Ikea oder etwa E-Plus. Unter Umweltverbänden ist das umstritten. Für Greenpeace kommt die Kooperation mit der Wirtschaft zum Beispiel nicht in Frage. Sie fürchten, sonst Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit zu verlieren.
„Beides ist auch unser höchstes Gut“, sagt Olaf Tschimpke. Darum werden wir auch weiterhin genau hingucken. Das heißt aber nicht, dass wir nicht zusammen arbeiten können. Im Gegenteil: Reden wir miteinander, steigt die Chance, Unternehmer für umweltpolitische Maßnahmen zu gewinnen.“ Die Wirtschaft sei ein wichtiger Teil der Gesellschaft.
Mehrere Themen hat sich der Nabu vorgenommen. So will er mit Rewe, nach Edeka das zweitgrößte Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel, nicht nur über Alternativen zum Plastikbeutel reden, sondern zum Beispiel auch über grüneren Tourismus. Das sagt Florian Schöne, der sich beim Nabu um die Partnerschaft kümmert.
Für ihn gehört Rewe schon heute zu den „fortschrittlichsten“ unter den Einzelhändlern. „Dort wird alles unter die Lupe genommen, nicht nur der point of sale“, also das Sortiment im Regal.
Ökostrom bei Rewe
Rewe deckt seinen Strombedarf zum Beispiel allein aus Erneuerbaren Energien, das Gros kommt aus Wasser-, ein kleiner Teil aus Windkraft. Der Konzern installiert auch immer mehr hauseigene Solaranlagen. Und Rewe hat als erstes Handelsunternehmen angekündigt, das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat aus dem Sortiment im Baumarktbereich zu nehmen. Das weltweit am meisten verkaufte Herbizid steht in Verdacht, Krebs auszulösen.
Schöne beobachtet das Kölner Unternehmen seit langem. 2009, so erzählt er, sei der Konzern erstmals auf den Nabu zugekommen. Fortan machten sie mal dieses, mal jenes zusammen – etwa das Apfelprojekt. Zusammen mit den Rewe-Apfellieferanten vom Bodensee bis ins Alte Land bei Hamburg, vom Rheinland bis nach Sachsen, legten Nabu-Leute auf den Plantagen Blühstreifen an, pflanzten Streuobstbäume, hängten Nistkästen und Insektenhotels auf.
Das Pro-Planet-Siegel
Das Obst, das von dort dann im Rewe-Markt landet, bekommt ein blaues Pro Planet-Label, im Herbst macht es deutlich mehr als die Hälfte des Rewe-Apfelangebots aus, im ganzen Jahr etwa ein Viertel. Das Pro-Planet-Label vergibt die Rewe-Group ausschließlich für konventionelle Produkte. Darunter Papier oder Textilien, die umweltschonender sind als herkömmliche Pendants. Oder auch fair gehandelte Rosen aus Kenia.
Der Konzern versuche damit über das klassische Biosortiment hinaus „etwas in der Masse zu bewegen“, meint Schöne. Pro Planet – Rewe bewirbt das Label stark – wird begleitet von einem fünfköpfigen Beirat: Vertreter aus dem Verbraucher- und Umweltschutz und Entwicklungsorganisationen. Einer ist Schöne selbst.
Derzeit bemüht sich Rewe um Milch, deren Kühe ohne Gentechnikfutter groß geworden sind, und um Schweinefleisch von Tieren, denen der Ringelschwanz gelassen wurde. Schweine beißen ihren Gefährten schon mal den Schwanz blutig, wenn es eng und langweilig ist. In den meisten Ställen werden sie deshalb bisher gekappt. Wer dies ändern will, muss den Tieren zumeist mehr Platz geben.
Nachfrage steigt
„Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet für die REWE Group, ökologische und gesellschaftliche Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit zu verantworten“, erklärt der Konzern im Deutschen Nachhaltigkeitskodex.
Unternehmenssprecher Marco Sandner meint, der Nabu könne ihnen „wichtige Impulse“ geben: „Wir hoffen noch früher auf bestimmte Nachhaltigkeitsthemen zu kommen.“ Kunden fragen das offenbar auch nach.
Das Unternehmen hat den Markt vom Hannoveraner imug-Institut untersuchen lassen. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie „Nachhaltiger Konsum: Schon Mainstream oder noch Nische“ lauten: „Nachhaltigkeit ist heute kein `exotischesà´ Zusatzargument für Gutmenschen mehr.“ Und: „Die tatsächliche Nachfrage der Verbraucher nach nachhaltigeren Produkten hat sich stark entwickelt.“
Florian Schöne sagt es so: Der Markt sei umkämpft, gegen die reine Preisorientierung der Discounter könne Rewe nicht viel ausrichten, so versuche man sich als „Qualitätsvorreiter“ zu etablieren. Die Partnerschaft ist zunächst auf drei Jahre angelegt.
Weiterführende Informationen
Der Rewe-Nabu-Pakt