Es scheint, als hätten die Initiatoren und Teilnehmenden des Aktionsjahrs „Esskultur und Nachhaltigkeit” im Landkreis Saarlouis es gar nicht abwarten können: Noch vor dem offiziellen Start am 27. April legten die ersten Projekte los. Eines davon, ein Kurzfilm dreier Elftklässler, ist sogar bereits fertig: Der Filmbeitrag, der sich mit den unterschiedlichen Transportwegen regional angebauter und aus Übersee importierter Äpfel – und deren Folgen – auseinandersetzt, war ein Höhepunkt der Auftaktveranstaltung in der Aula des Gymnasiums am Stadtgarten in Saarlouis.
Das Aktionsjahr „Esskultur und Nachhaltigkeit”, das mit dieser Eröffnungsfeier offiziell begonnen hat, ist ein Gewinnerprojekt des Ideenwettbewerbs „Esskultur und Nachhaltigkeit” – und damit eine Initiative, der der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) in besonderem Maße zutraut, gesellschaftliche Denkmuster aufzubrechen, deren Reproduktion entgegenzuwirken und neue Wege zu nachhaltigem Handeln aufzuzeigen.
Im April hatte der RNE die 14 Projekte bekannt gegeben, die der Fonds Nachhaltigkeitskultur jeweils über die Dauer von bis zu zwölf Monaten mit maximal 50 000 Euro fördern wird. Neben dem Saarlouiser Schulprojekt, dem die volle Fördersumme zugesprochen wurde, unterstützt der Fonds zum Beispiel Initiativen aus den Bereichen Kreislaufwirtschaft und Wertschöpfungsketten sowie Stadtteilinitiativen und Theater, mit einem Gesamtfördervolumen von 600 000 Euro.
Von Plastikmüll über den ökologischen Fußabdruck bis hin zur Bienenzucht
Die Auftaktveranstaltung in Saarlouis zeichnete ein Bild des Spektrums, welches das Aktionsjahr bis zum 30. März 2019 abdecken soll: Nach dem Film über die Apfel-Logistik hörten die rund 200 Teilnehmenden einen Vortrag zum Thema Nachhaltigkeit. An der anschließenden Fragerunde beteiligten sich die Kinder intensiv und erkundigten sich dabei vor allem nach den Folgen ihrer eigenen Konsumgewohnheiten.
Anschließend boten Mitmachstationen weitere Einblicke in unterschiedliche Nachhaltigkeitsthemen: zum Beispiel ein Info-Stand, an dem sich Interessierte mit dem Einfluss von Plastikmüll auf die Ozeane auseinandersetzen konnten, angeleitet von zwei Meeresbiologinnen. Die Besucherinnen und Besucher konnten zum Beispiel auch die Größe des eigenen ökologischen Fußabdrucks messen, sich von der Bienen-AG des Gymnasiums eine Einführung in die Imkerei geben lassen oder an einem „Weltverteilungsspiel” teilnehmen. Genutzt haben dieses Angebot rund 200 Teilnehmende: vor allem Schülerinnen und Schülern der fünften bis zwölften Klasse, Schulleiterinnen und Schulleiter, Mitglieder von Elternvertretungen und des Lehrkörpers sowie Schul-Caterer. Auch Landrat Patrik Lauer sowie Vertreterinnen und Vertreter des Landesumweltministeriums, des Landesinstituts für Pädagogik und Medien in Saarbrücken und der Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement waren zu Gast.
Koordiniert wird das Aktionsjahr von Natalie Sadik, Schulentwicklungsplanerin und Programmleiterin von „Gemeinsam Schule gestalten” am Amt für Schulen, Kultur und Sport des Landkreises Saarlouis. Auch wenn die ersten Teilprojekte bereits an den Start gebracht sind – etwa fünf Schulgärten, Projekttage zu „Ernährung global” oder Kochprojekte an zwei Schulen: Sadik weiß, dass die meiste Arbeit noch vor ihr liegt: Bis zum 31. März 2019 soll das Aktionsjahr, das im Rahmen des Schulentwicklungsprogramms “Gemeinsam Schule gestalten – Landkreis Saarlouis macht Schule” koordiniert und evaluiert wird, in zahlreichen weiteren Aktionen „Esskultur und Nachhaltigkeit” Schülern, Lehrenden, aber auch interessierten Bürgern näher bringen.
Auf dem Programm des Aktionsjahres stehen unter anderem die Kunstinstallation „Konsum und Plastik” als Schülerbeteiligungsprojekt und die Illumination des Landratsamts in Zusammenarbeit mit der Hochschule der Bildenden Künste Saar und Schülerinnen und Schülern. Auch weitere Projekttage – etwa rund um den Klimawandel oder die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen – sind an den beteiligten 28 Schulen in Planung, darüber hinaus ein Musical und eine Filmvorführung. Neben Veranstaltungen sind Fortbildungen für Lehrer, Eltern sowie andere Vermittler und Multiplikatoren geplant, um nachhaltigen Konsum und nachhaltige Produktion in das Bewusstsein von Jungen und Mädchen zu bringen.
Das Thema nachhaltiger Konsum aus der Nische holen
Im Dezember vergangenen Jahres hat eine Jury, bestehend aus der RNE-Vorsitzenden Marlehn Thieme, den Ratsmitgliedern Olaf Tschimpke und Lucia Reisch sowie dem RNE-Generalsekretär Günther Bachmann, die Gewinnerprojekte aus einer Shortlist von 37 Projekten ausgewählt, die sich durch ihre besonders innovativen und transformativen Ansätze auszeichneten. Insgesamt 230 Projekte hatten sich um eine Förderung durch den Fonds Nachhaltigkeitskultur beworben.
„Die Jury hat überzeugt, dass der Landkreis Saarlouis sich schon länger mit dem Thema auseinandersetzt, aber auch die Vielfalt der Aktionen, die auf dem Programm stehen”, sagt Bodo Richter, Projektleiter Fonds Nachhaltigkeitskultur beim RNE. Wichtiges Ziel des Ideenwettbewerbs sei es, das Thema nachhaltiger Konsum aus der Nische zu holen und im Mainstream zu verankern: „Auch wenn der Ausstrahlungseffekt des Aktionsjahres sich auf den Landkreis Saarlouis beschränkt, die Initiative kann als Pilot für Folgeprojekte dienen.”
„Die Unterstützung durch den RNE hat die Motivation bei allen Beteiligten nochmal neu angeschoben und verstärkt”, sagt Sadik. „Das ist fast mehr wert als die finanzielle Unterstützung.” Und: „Es ist toll, dass Projekte unterstützt werden, die sich nicht nur an Politik und Wirtschaft, sondern an die ganz normalen Leute und besonders an Kinder und Jugendliche richten.” Schließlich treibe die Frage: „Was kann der Einzelne tun?” sehr viele Menschen – und Sadiks Erfahrung zufolge besonders die Jüngeren – um. „Ich kann mich kaum retten vor Anfragen – das Interesse ist riesengroß.” So hatten sich bei der Auftaktveranstaltung mehr Interessierte angemeldet als angesichts des Platzes teilnehmen konnten, und auch bei den Ideen zu Projekten ist die Nachfrage so groß, dass Sadik zusätzliche Aktionen anbieten will, die über die ursprüngliche Konzeption hinausgehen. Besonders das Interesse am Aufbau von Schulgärten sei groß, weil diese die Möglichkeiten bieten, sich mit nachhaltiger Ernährung in Theorie und Praxis auseinanderzusetzen.
Der Fonds Nachhaltigkeitskultur besteht seit 2017, auf Initiative des Bundestages stellt das Bundeskanzleramt über einen Zeitraum von drei Jahren 7,5 Millionen Euro zur Verfügung. Innerhalb dieser drei Jahre will der RNE mehrere Ideenwettbewerbe zu verschiedenen Bereichen der Alltagskultur – etwa Mobilität und Bauen – ausrufen. Die Ausschreibung für den Wettbewerb „Mobilitätskultur und Nachhaltigkeit“ läuft bereits – Interessierte können sich noch bis zum 27. Mai bewerben.