Es ist eine deutliche Mahnung an alle Regierungen. Vor zwei Jahren hat die Weltgemeinschaft versprochen, „niemanden zurück zu lassen“ und die Agenda 2030 mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen verabschiedet. Die Fortschritte seien aber in vielen Bereichen „viel langsamer“ als nötig, sagt UN-Generalsekretär António Guterres: „Die Umsetzung hat begonnen, aber die Uhr tickt.“
Jedes Jahr kommen in New York hochrangige Regierungsvertreter beim High Level Political Forum on Sustainable Development, kurz: HLPF, zusammen – um eine Art Inventur zu machen. Dieses Jahr fand das Treffen vom 10. bis 19. Juli statt. Mehr als 40 Staaten haben dort berichtet, wie sie die Agenda 2030 anpacken. Darunter etwa Indien, Japan und Brasilien. Brasilien zum Beispiel hat eine Nationale Kommission für Nachhaltige Entwicklung ins Leben gerufen. Ohnehin schaffen immer mehr Länder Kommissionen und Räte mit Aufgaben, die denen des Nachhaltigkeitsrates in Deutschland ähneln. Sie folgen der Erkenntnis, dass zur Umsetzung der Agenda 2030 ein Multi-Stakeholder-Ansatz notwendig ist.
Ambition: Eine Million Jobs in Afrika
Erst im Juli hatten die G20-Staaten, also die wirtschaftsstärksten Industrie- und Schwellenländer, im sogenannten „Hamburg Update“ erklärt, die Agenda 2030 voranbringen zu wollen. So verabredeten sie unter anderem auch eine Ausbildungs- und Jobinitiative in ländlichen Räumen Afrikas, damit dort in den nächsten fünf Jahren fünf Millionen Ausbildungsplätze und eine Million Jobs entstehen.
Bei seinem Appell, jetzt Tempo zu machen, beruft sich Guterres auf „The Sustainable Development Goals Report 2017“. Der Bericht zeigt, wie es weltweit vorangeht mit dem Kampf etwa gegen Hunger, Armut oder Klimawandel, die UN erstellen ihn jedes Jahr. Derzeit müssen demnach noch immer 767 Millionen Menschen weltweit am Tag mit 1,90 US-Dollar auskommen, 793 Million Menschen leben mit Hunger.
„Wir sind erst am Anfang eines langen Prozesses und komplexen Prozesses“, sagt Alexander Müller, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung und einer der Gründer des TMG Think Tanks for Sustainability. Er war bei dem Treffen in New York dabei. Ihn treibt vor allem um, dass die Nachhaltigkeitsziele bisher nicht quer gedacht werden, also jedes Ziel für sich gesehen wird, aber nicht die Wechselwirkungen. Hunger sei aber nicht allein dadurch zu bekämpfen, die Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen, erklärt Müller, der lange für die FAO, die Agrarorganisation der UN gearbeitet hat: „Ohne gleichzeitig das Management von natürlichen Ressourcen wie Boden und Wasser zu berücksichtigen, wird keine nachhaltige Produktion erreicht.”
Bodenschutz: Fünf Empfehlungen
Im Gepäck nach New York hatte er fünf Botschaften, die unter seiner Leitung 300 Teilnehmende aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf der Global Soil Week in Berlin in diesem Frühjahr erarbeitet haben: Erstens sind demnach „höhere Investitionen in verantwortungsvolles Landmanagement sowie eine Überwachung der Fortschritte“ notwendig. Zweitens sollen sich „Konsum- und Produktionsmuster in Ländern mit hohem Konsum ändern, „denn sie verursachen die Bodendegradierung in anderen Teilen der Welt“. Drittens braucht es in der Raumplanung einen „integrierten Ansatz für das Land-Stadt-Kontinuum – die Überzeugung, dass es zwischen `wirklich städtisch´ und `wirklich ländlich´ viele Graustufen gibt“.
Darüber hinaus sollen – viertens – „Landbesitz und Landrechte für schutzbedürftige Gruppen durch Anerkennung der Tatsache verbessert werden, dass Menschenrechte durch knapper werdenden Raum für die Zivilgesellschaft unter Druck sind.“ Fünftens und letztens soll „durch die Sanierung geschädigten Bodens und ein verantwortungsvolles Landmanagement Ernährungssicherheit gewährleistet“ werden.
Allein diese Botschaften zeigen bereits, wie ambitioniert die Nachhaltigkeitsziele sind. Ihre Umsetzung betrifft die gesamte Gesellschaft, meint Rita Schwarzelühr-Sutter, als parlamentarische SPD-Staatssekretärin im Bundesumweltministerium für Nachhaltigkeit zuständig: „Nur mit allen gesellschaftlichen Akteuren können wir die erforderliche Wende in der Agrarpolitik, im Finanzwesen, im Verkehrsbereich erfolgreich gestalten.“