Wenn eine Idee Schub bekommen soll, so Heiko Rosenthal (Die Linke), Bürgermeister und Beigeordneter für Umwelt, Ordnung, Sport der Stadt Leipzig, gehe es zum Beispiel darum, eine gemeinsame Sprache zu finden, sich zu verständigen, was „Nachhaltigkeit“ überhaupt bedeutet. Wie bleibt eine Stadt oder eine Gemeinde also mit ihren Bürgerinnen und Bürgern im Dialog, um sich für die Zukunft zu wappnen? Wie arbeiten zivilgesellschaftliche Akteure und Gemeinden in Nachhaltigkeitsthemen künftig noch besser zusammen? Das haben die 160 Teilnehmenden der 3. Jahrestagung von RENN.mitte, eine der bundesweit vier Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien, am 8. März in Leipzig ausgelotet.
Mit dabei waren Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen und Zivilgesellschaft, aber auch kommunale Unternehmen und zahlreiche Initiativen, die unter dem Titel „Kommunen und Zivilgesellschaft – Nachhaltigkeit gemeinsam gestalten“ miteinander ins Gespräch kamen. Besonders begrüßenswert: Zugleich wurde dort der sächsische Bürgermeisterdialog initiiert. Rosenthal und seine Kolleginnen und Kollegen wollen sich ab sofort regelmäßig treffen, um Erfahrungen auszutauschen, wie sich Nachhaltigkeit am besten und systematisch in die kommunale Entwicklung integrieren lässt. Leipzig, die größte Stadt Sachsens, habe Zielbilder formuliert, Indikatoren festgelegt und ins Management integriert, erklärte Rosenthal. Der sächsische Umweltstaatssekretär Frank Pfeil betonte, dass es um eine „ressortübergreifende“ Sache gehe, der schwarz-rot regierte Freistaat zudem Dialogveranstaltungen, Onlinebefragungen und verschiedene Beteiligungsformate entwickelt habe.
Längst werden in Städten und Gemeinden ganz konkrete Ideen entwickelt, wie sich gemeinsam weiterkommen lässt und das gesammelte Wissen lokal genutzt werden kann. Zwei Beispiele:
Erstens: Nachhaltige kommunale Partnerschaften bilden
Sich gemeinsam auf den Weg machen – so wie Leipzig und Travnik, eine Stadt mit rund 50.000 Einwohnern etwa 100 Kilometer nordwestlich von Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina. Ihre Städtepartnerschaft begann schon vor mehr als 20 Jahren, anfangs ging es um humanitäre Hilfe zur Beseitigung der Kriegsfolgen. Doch 2017 wurde daraus eine „Kommunale Nachhaltigkeitspartnerschaft“, die 2018 mit dem Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet wurde.
Die beiden Städte entwickelten „Visionen für ein Nachhaltiges Leipzig – nachhaltiges Travnik – eine nachhaltige Städtepartnerschaft im Jahr 2030“. In Leipzig wurden zum Beispiel Unterrichtsmaterialien zur Nachhaltigkeit erarbeitet, in Travnik der Radverkehr ausgebaut. Der Leiter des dortigen Bürgermeisterbüros, Faris Hafizadic, war bei der Leipziger Tagung per Video zugeschaltet. Er ist überzeugt: „Egal, welches Ziel man ins Auge fasst, man kann es nie alleine erreichen. Städtepartnerschaften sollten Schule machen!“
Die Städtepartnerschaft wurde von Engagement Global begleitet. Eine Servicestelle dort unterstützt Kommunen, die die Nachhaltigkeit vor Ort und mit anderen zusammen voranbringen wollen. Auch Schülerpartnerschaften sind denkbar. Das sächsische Freiberg beispielsweise macht es in Nepal vor.
Zweitens: Aus Städten Reallabore machen
Neue Wege ausprobieren – etwa beim Klimaschutz. Andere Städte können von sogenannten Reallaboren wie in Berlin lernen. Die Hauptstadt will bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Ein Forscherteam um den Soziologen Dr. Fritz Reusswig vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat dazu mit 100 Haushalten ein Jahr lang getestet, wie das zu schaffen ist – und was das für den Alltag bedeutet. Der Name des Projekts: Klimaneutral leben in Berlin, KliB.
Die teilnehmenden Haushalte dokumentierten wöchentlich in einer App, dem KliB-CO2-Tracker, ihren Verbrauch und wurden im Alltag von Berliner Unternehmen unterstützt, die klimafreundliche Produkte und Dienstleistungen anbieten. Sie landeten bei 7,3 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Zum Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liegt bei 11,6 Tonnen. In Reallaboren sei es möglich zu experimentieren, um Antworten zu finden auf Klimawandel oder Verkehrskollaps, so Reusswig. Er will das Experiment auch auf den ländlichen Raum ausweiten.
Partnerschaften und Reallabore – das sind gute Ideen. Mindestens genauso wichtig ist aber: Miteinander reden, besser ins Gespräch kommen. Dabei können kommunale Bürgerumfragen helfen, wie sie zum Beispiel die Stadt Leipzig zum Thema Klimaschutz durchgeführt hat. Auf der Tagung gab es aber zahlreiche weitere Anregungen.
Viele Ideen für ein gutes Miteinander
Kommunen sollten „kommunizieren, was geht. Und nicht, was nicht geht“ so eine Forderung aus dem Publikum, wenn es gesetzliche Pflichten zu beachten gebe. Sie sollten Ansprechpartner genau benennen, damit nicht von Amt zu Amt rennen muss, wer in seinem Stadtviertel etwa eine autofreie Woche organisieren will. Andere wünschten sich, dass Städte und Gemeinden Räume für Gespräche zur Verfügung stellen. Entscheidend sei auch, dass Bürger Rückmeldungen bekommen, wenn sie an politischen Prozessen beteiligt werden: welche Ideen funktionieren, welche nicht – und warum nicht? Etwa weil sie zu teuer, zu aufwendig, oder zu kompliziert sind? Sonst entstehe ein „Ich-kann-nichts-bewirken-Frust“, der sogar kontraproduktiv sein könne.
Ein letzter Vorschlag auf der Jahrestagung war schließlich noch, kommunale Unternehmen, deren Ausrichtung von Stadträten beeinflusst wird, mehr zu schätzen und zu fördern. Denn: neben der Gewinnerzielungsabsicht können diese mit Ihrem Handeln einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung einer Kommune oder Region leisten.
Die 3. Jahrestagung von RENN.süd findet am 23. März in Ulm statt – Fokusthema wird dort „Initiativen rund um Nachhaltiges Leben“ sein. Wir dürfen gespannt sein auf viele interessante Diskussionen und gute Ideen auch von dort!