Über 100 Unternehmen wenden bereits den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) an. Eines der ersten war die Flughafen München GmbH. Das Unternehmen im Besitz des Freistaats Bayern, des Bundes und der Stadt München will Luftverkehr nachhaltiger machen. Christina Berghäuser vom Bereich Nachhaltigkeitsmanagement erklärt, wie der DNK dabei hilft. Für sie sind Nachhaltigkeit und wachsender Flugverkehr nicht zwangsläufig ein Widerspruch.
Frau Berghäuser, Sie verantworten den DNK im Rahmen des Strategischen Nachhaltigkeitsmanagements des Münchner Flughafens. Manche Menschen halten das Fliegen nicht gerade für nachhaltig. Kann es ein richtiges Leben im falschen geben?
Christina Berghäuser: Luftverkehr ist wichtiger und relevanter Teil der Globalisierung. Wir sind Flughafenbetreiber und liefern die Infrastruktur für Airlines. Dabei achten wir hier am Standort darauf, wie nachhaltig wir sein können. Der Flughafen München ist auch in vielen Verbänden und Gremien aktiv und versucht, nachhaltige Standards im Flugverkehr zu etablieren.
Sie wollen bis 2020 CO2-neutral wachsen – was aber nur für den Betrieb des Flughafens gilt, nicht für den Betrieb, den der Flughafen ermöglicht. Was bringen die Bemühungen, wenn man eine Geschäftstätigkeit ermöglicht, die viel CO2 erzeugt?
Auch das ist eine Frage der Sichtweise. Nachhaltigkeit ist nicht nur Einschränkung. Luftverkehr findet sowieso statt, er wird global wachsen, wenn er nicht hier stattfindet, dann woanders. Hier machen wir es so nachhaltig wie möglich, woanders haben wir keinen Einfluss. Dennoch wollen wir im ersten Schritt auch und vor allem vor der eigenen Türe kehren. Wir haben ein zusätzliches, besonders effizientes Blockheizkraftwerk errichtet, das Ende dieses Jahres in Betrieb gehen wird. Wir wollen den CO2-Ausstoß in unserem neuen Satellitengebäude um 40 Prozent senken, etwa durch eine Klimafassade, moderne Quelllufttechnik für die Klimatisierung sowie LED-Technik und Dimmung bei der Beleuchtung. Auch die emissionsabhängigen Start- und Landeentgelte, die es übrigens in München und Frankfurt gibt, tragen dazu bei, den Luftverkehr klimaneutraler zu machen.
Ihr Unternehmen erstellt seit 2008 Nachhaltigkeitsberichte nach der Global Reporting Initiative, seit 2011 auch nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Wie verändern diese Berichte ein Unternehmen?
Sie machen Dinge sichtbar, die vorher im Verborgen lagen. Wir hatten früher schon viel im Bereich Nachhaltigkeit getan, haben aber erst mit den Nachhaltigkeitsberichten auf den Punkt gebracht, was passiert. Wenn man einen Bericht nach dem DNK hat, wird das beleuchtet und jeder versteht, dass etwas passiert. Man kann zudem noch mehr Fahrt aufnehmen, da man sich mit anderen Unternehmen vergleichbar macht und es motiviert, noch mehr Projekte intern anzustoßen. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex ist zudem ein politisches Sprachrohr. Denn wir wollen natürlich, dass die Öffentlichkeit all unsere Bemühungen noch besser wahrnimmt.
Das klingt ein wenig so, als schreibe man einfach zusammen, was passiert. Wo werden denn Veränderungen angestoßen?
Unsere Finanzstruktur haben wir wie jedes Unternehmen im Geschäftsbericht dargelegt. Für die nicht finanziellen Kennzahlen haben wir neue Strukturen geschaffen. Beispielsweise die Aussagen über Genderverteilung oder Weiterbildungsquoten im Rahmen der Personalkennzahlen. Dazu gehört auch die Inanspruchnahme von Elternzeit oder die Etablierung eines Gesundheitsmanagements. Aus all diesen Kennzahlen lassen sich Maßnahmen ableiten, und davon haben wir eine Vielzahl. Solche Ziele umzusetzen erfordert langjährige Arbeit. Nachhaltigkeit wirkt oft mühselig und langwierig, ist aber am Ende sehr sinnvoll.
Wie sehen denn solche Maßnahmen konkret aus?
Relevante Maßnahmen sind zum Beispiel Schulungen im Rahmen eines Leadership-Excellence-Programms für alle unsere Führungskräfte zum Thema „Balance zwischen Leistung und Gesundheit“, „Burnout“ und „Lebensphasengerechtes Führen und Lernen“. Auch bietet der Flughafen München eine Vielzahl an flexiblen Arbeitszeitmodellen an, die zur individuellen Gestaltung der Arbeitszeiten beitragen. Seit 2013 besteht eine Betriebskindergartenstätte, die „ Airport Hopser“, auf dem Flughafen Campus, die großen Anklang findet und mittlerweile voll ausgelastet ist.
Hilft ein Nachhaltigkeitsbericht denn dabei, intern entsprechende Maßnahmen durchzusetzen?
Ja, das ist so. Durch die Berichte können wir Entwicklungen über mehrere Jahre abbilden und sehen, ob Programme greifen. So entstehen Argumentationsketten, die man auch intern braucht. Beispielsweise sehen wir sehr gut, wie sich unsere CO2-Emissionen entwickeln, da legen wir die Zahlen offen und identifizieren Projekte, die unseren Energieeinsatz noch effizienter machen.
Nachhaltigkeit erscheint in einigen Unternehmen ein schlichter Kostenfaktor zu sein. Schaffen Sie es durch die Berichte, auch einen monetären Nutzen darzustellen?
Monetär sind die Vorteile eines integrierten Nachhaltigkeitsmanagements schwer greifbar. Sie haben ja keine bilanzierbare Input-Output Analyse. Wir haben bereits 2009 festgestellt, dass der Weg zu einem integrierten Reporting absolut sinnvoll ist. Nachhaltigkeit darf nicht immer nur aus der ökologischen Perspektive betrachtet werden. Es ist ein sehr vielseitiges und komplexes Thema. Genau deswegen ist das Nachhaltigkeitsmanagement bei uns in der Konzernstrategie angesiedelt. Nachhaltigkeit wird also bei allen Entscheidungen von Beginn an mitgedacht. Dabei arbeiten wir sehr eng mit den Kollegen aus dem Finanzbereich zusammen. Das heißt, wir fügen nicht einfach einen Finanzbericht und einen Nachhaltigkeitsbericht zusammen, sondern erarbeiten beides gemeinsam.
Wie äußert sich das in der Struktur des Unternehmens?
Wir leiten aus der Strategie die Ziele für die Führungskräfte ab. Das machen wir jedes Jahr. Wir haben auch Anreizprogramme. Erreicht es das Management, den CO2-Ausstoß zu senken, erhalten die Manager einen Bonus. Die Bonusrelevanz ist ein wichtiger Faktor, damit Nachhaltigkeit auch wirklich ernst genommen wird im Unternehmen.
Sind Sie der Meinung, dass der Flugverkehr international aus Klimaschutzgründen eingeschränkt oder weniger stark wachsen sollte?
Wenn Sie diesen Ansatz verfolgen, dann müssen Sie auch die Schifffahrt und den Autoverkehr einschränken. Die Luftfahrt macht gerade mal ca. zwei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes aus. Die Menschen wollen weltweit mobil sein. Dadurch wird Luftverkehr generiert. Mobilität kann daher nach unserer Meinung nicht künstlich eingeschränkt werden. Wichtig sind und bleiben aber Innovationen, um den Flugverkehr nachhaltiger zu gestalten.
Das Interview führte Ingo Arzt.