Die Wohnungswirtschaft übernimmt als erste Branche den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, die Arbeitsgemeinschaft großer Wohnungsunternehmen (AGW) und der Rat für Nachhaltige Entwicklung haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, die vorsieht, den Kodex branchenspezifisch zu ergänzen. Im Interview erklärt GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser, warum aus ihrer Sicht Wohnungswirtschaft per se nachhaltig ist und findet kritische Worte zu den Plänen der Großen Koalition.
Warum ist das Thema Nachhaltigkeit für die Wohnungsbranche wichtig?
Ingeborg Esser: Unsere Mitgliedsunternehmen wirtschaften seit Jahrzehnten mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell, das nicht auf kurzfristige Rendite ausgelegt ist. Insofern ist es naheliegend, das jetzt auch nach außen zu dokumentieren. Deshalb wollen wir eine Nachhaltigkeitsberichterstattung einführen.
Welche speziellen Anforderungen gibt es für Wohnungsunternehmen, die nachhaltig wirtschaften wollen?
Wir verstehen Nachhaltigkeit als Dreiklang zwischen ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Aspekten. Ein Unternehmen braucht also nicht nur ein nachhaltiges Ertragsmanagement, wir brauchen auch gute Beziehungen zu den Mietern und Mitgliedern, ein Bestandsmanagement zum langfristigen Erhalt der Gebäude, regelmäßige Erneuerungen und ein gutes Umfeld durch ein Quartiersmanagement.
Wie zahlt es sich für ein Unternehmen aus, in seinem Viertel zusätzlich Geld zu investieren?
An bestimmten Brennpunkten können Sie mit einem Quartiersmanagement viele Konflikte vermeiden. Nachhaltigkeit zahlt sich also auch ökonomisch aus: Schäden durch Vandalismus nehmen ab, die Bereitschaft der Mieter pünktlich und regelmäßig zu zahlen steigt, junge Menschen gewöhnen sich an eine ordentliche Vermieter-Mieter-Beziehung. In Nachbarschaftstreffs, Angebote für ältere Menschen im Sinne einer Nachbarschaftshilfe, Räume oder Sportangebote für Jugendliche zu investieren macht also gleich doppelt Sinn.
Können das auch kleine Wohnungsunternehmen leisten?
Man muss natürlich die Kapazitäten dazu haben. Aber gerade Genossenschaften haben da eine lange Tradition. Oft schließen sich auch mehrere kleine Genossenschaften zusammen.
In vielen Ballungszentren haben Mieter das Gefühl, dass momentan die kurzfristigen Renditen im Vordergrund stehen.
Teilweise ist es auch so. Das hängt mit der Finanzkrise zusammen. Es fließt viel Kapital nach Deutschland, wegen der unsicheren Anlagemöglichkeiten investieren viele in Immobilien. Deshalb sind auch die Kaufpreise für Wohneigentum in nachgefragten Ballungsräumen zum Teil überzogen. Auf den Mietpreis schlägt das aber noch nicht voll durch. Das wird aber auch wieder ein Ende finden. Wir sehen das auch eher als kurzfristiges Phänomen, das in den Ballungsgebieten allerdings die Diskussion um steigende Mieten anheizt.
Wie implementieren sie denn jetzt den Deutschen Nachhaltigkeitskodex in ihren Mitgliedsunternehmen?
Wir haben uns zwei Jahre sehr intensiv damit beschäftigt, wie eine Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Wohnungswirtschaft aussehen kann. Im November haben wir eine Arbeitshilfe dazu herausgegeben. Im ersten Halbjahr 2014 wollen wir nun die Anforderungen so gestalten, dass auch kleine Unternehmen einsteigen können. Gerade denen wollen wir auch konkret Hilfe anbieten. Beim Abgleich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex haben wir festgestellt, dass uns einige Angaben wie eine nachhaltige Bestandsbewirtschaftung sehr leicht fallen. Ein Teil der Kriterien sind in unserem Arbeitskontext dagegen nicht relevant, etwa ein Verbot von Zwangs- oder Kinderarbeit. Wir sind regionale Unternehmen ohne eine weltweite Lieferkette, bei der auf so etwas zu achten wäre.
Es kommt auch zu Konflikten verschiedener Ziele der Nachhaltigkeit: Wenn eine energetische Sanierung zu einer insgesamt höheren Miete führt, gibt es soziale Probleme. Wie lässt sich das lösen?
Das ist ein schwieriges Thema. Die echten Ersparnisse bei einer energetischen Modernisierung treten erst nach 10 bis 15 Jahren ein. Langfristig sind das lohnende Investments, aber der heutige Mieter spürt das nicht. Tatsächlich können Warmmieten steigen. Unsere Unternehmen versuchen das auszutarieren, etwa, in dem sie nicht die maximal zulässige Miete nehmen. Wir appellieren zudem an die Politik, die Standards für energetische Sanierung nicht zu hoch zu setzen. Durch kleine Maßnahmen lassen sich oft bereits große Mengen CO2 einsparen. Es muss nicht immer der höchst mögliche Standard sein. Und wir müssen Ziele für Quartiere, nicht für einzelne Häuser vorgeben. So können wir eine Mietenmischung erreichen.
Die Mietpreisbremse der Großen Koalition sorgt für Diskussion. Heißt Nachhaltigkeit auch, dass Mieten nicht einen immer größeren Teil des Einkommens kosten dürfen?
Wir fürchten, dass die Pläne der Großen Koalition gerade nicht denen helfen, für die eine Mietpreisbremse da sein sollte. Sie gilt nur dort, wo Mieten ohnehin schon hoch sind und die zu schützende Klientel oft nicht mehr wohnt. Eine Bremse lindert die Symptome, löst aber nicht die Probleme: Es gibt zu wenig Wohnraum in Ballungszentren. Im Koalitionsvertrag ist keine Maßnahme enthalten, die dort den Neubau anregt.
Könnte Ihre Initiative für eine nachhaltige Berichterstattung auch Vorbild für andere Branchen werden?
Ich gehe davon aus, dass auch andere Verbände nachziehen. Die nachhaltige Berichterstattung ist wichtig, wird sich aber nur durchsetzen, wenn es branchenspezifische Definitionen gibt.
Das Interview führte Ingo Arzt.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung der GdW
Arbeitshilfe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Wohnungswirtschaft