Pioniere aus der Wirtschaft sind zunehmend ernüchtert vom schleppenden Tempo beim Thema nachhaltige Entwicklung und wünschen sich klarere Vorgaben der Politik. „Die Bemühungen von Unternehmen um mehr Nachhaltigkeit sind offenbar ins Stocken geraten. Weitere Fortschritte sind unwahrscheinlich, solange es in den globalen Märkten keine strukturellen Veränderungen gibt“, heißt es in der diesjährigen „CEO Study on Sustainability“ des UN Global Compact und der Beratungsgesellschaft Accenture.
Für die Studie befragen das Unternehmensnetzwerk Global Compact der Vereinten Nationen und Accenture alle drei Jahre 1000 Vorstandschefs von Unternehmen aus mehr als 100 Ländern, die sich für Nachhaltigkeit engagieren. Zusätzlich wurden vertiefende Interviews mit 76 CEOs geführt. Nach wie vor glauben 93 Prozent der befragten Führungskräfte, dass Fragen der Unternehmensführung und des sozialen und ökologischen Wirtschaftens wichtig oder sehr wichtig für den zukünftigen Erfolg ihres Unternehmens sein werden.
Zwei Drittel der befragten Top-Manager glauben, dass die Wirtschaft bislang nicht genug unternimmt, um den globalen Herausforderungen der Nachhaltigkeit zu begegnen. Drei Viertel glauben, dass die Integration von Nachhaltigkeit in ihre Geschäftstätigkeit den Umsatz steigern und ihnen neue Chancen eröffnen wird.
Trotzdem macht sich unter den Vorreitern des nachhaltigen Wirtschaftens der Studie zufolge Frustration breit. „Viele Programme leiden an einer Art Lähmung. Während viele Pioniermaßnahmen zwar durchaus Kosten reduzieren, sind die finanziellen Vorteile nicht groß genug, um die Anstrengungen in einen größeren Maßstab zu überführen“, schreiben die Autoren. Als Folge halten die CEOs in einigen Branchen Nachhaltigkeit nur noch für wichtig statt sehr wichtig.
Bei den Konsumgüterherstellern sank der Anteil der Manager, die Nachhaltigkeit als „sehr wichtig“ bezeichneten, von 2010 bis 2013 von 63 auf nur noch 53 Prozent, im Automobilsektor gar von 62 auf 43 Prozent. „Es gibt eine große Bereitschaft, Nachhaltigkeit zu unterstützen, aber keine ausreichende Klarheit darüber, was Unternehmen tun sollten und warum. Wir brauchen einen Plan, der ambitioniert und präzise genug ist, um echte Prioritäten für unternehmerisches Handeln zu setzen“, sagte Kasper Rorsted, Vorstandsvorsitzender von Henkel, in einem Interview mit den Autoren.
Geschäftserfolg und Nachhaltigkeit
Diese Haltung kann angesichts von zahlreichen Forderungen aus der Zivilgesellschaft durchaus überraschen. Für sie gibt es allerdings zwei mögliche Erklärungen. Zum einen fällt es Unternehmen in der gegenwärtigen Marktordnung offensichtlich schwer, ökologisch und sozial nachhaltiges Wirtschaften aus sich selbst heraus zu finanzieren. In der Studie heißt es, dass es Unternehmen zunehmend schwerer falle, eine Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Geschäftserfolg herzustellen. Sahen im Jahr 2007 nur 18 Prozent diesen Punkt als kritisch, so sind es aktuell bereits 37 Prozent.
Zum zweiten machen global agierenden Unternehmen national unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Einen internationalen Konsens über Prioritäten der nachhaltigen Entwicklung halten 81 Prozent der befragten Manager für essenziell, um Fortschritte zu erzielen.
„Der Glaube, dass innerhalb bestehender Marktstrukturen allein mit freiwilligen Standards eine angemessene Internalisierung externer Effekte erreicht werden kann, schwindet. Das liegt daran, dass es immer wieder Wettbewerber gibt, die sowohl die Standards als auch die externen Effekte ignorieren“, bestätigt Alexander Holst, Managing Director und Leiter Sustainability Services bei Accenture für Deutschland, Österreich und die Schweiz. „Märkte, die nachhaltiges Verhalten belohnen, müssen deshalb durch entsprechende Regulation und gesetzliche Standards gestaltet werden.“
Rechtlich verbindliche Standards nannten 55 Prozent der befragten als Mittel der Wahl, um mehr Nachhaltigkeit durchzusetzen. Die Anpassung von Subventionen und finanzielle Anreize halten nur noch 43 Prozent für prioritär. An die Wirkung von Information und freiwilligen Initiativen glauben nur 21 Prozent der Manager. Am unbeliebtesten sind überraschenderweise mit großen politischen Mühen eingeführte Handelssysteme wie der Emissionshandel nach dem Kyoto-Protokoll.
Den Unternehmen selbst rät Accenture zu branchenübergreifenden Kooperationen. „Die aktuellen Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit sind komplex. Einzelne Unternehmen stoßen deshalb immer öfter an Grenzen“, sagt Holst. Um Car-Sharing massentauglich zu machen, kooperieren einige Fahrzeughersteller beispielsweise mit Telekommunikationsfirmen, die das Buchen von Leihautos über das Smartphone kundenfreundlicher machen wollen. IT-Firmen drängen zurzeit auch auf den Markt für Energiedienstleistungen, um beispielsweise das anbieterunabhängige Zahlen beim Laden von Elektroautos zu ermöglichen.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des UN Global Compact
Pressemitteilung von Accenture Deutschland
CEO Study on Sustainability 2013 [PDF, 5,9 MB]