Wissenschaftler haben die Erträge von Mais, Raps, Soja, Weizen und Baumwolle der letzten 50 Jahre in Nordamerika mit denen in Westeuropa verglichen. Sie wollten herausfinden, welches Agrarsystem zu nachhaltigeren Erträgen führt. Die Europäer haben demnach das bessere System, weil der Einsatz von Gentechnik in Nordamerika Innovationen behindert.
Die Wissenschaftler analysierten Statistiken der Datenbank der UN-Welternährungs-organisation FAO und andere Quellen über Ernteerträge zwischen 1961 und heute in den Vereinigten Staaten und Kanada sowie den europäischen Staaten Österreich, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Niederlande und der Schweiz. Die landwirtschaftlichen Betriebssysteme sind im Hinblick auf das technologische Niveau gut vergleichbar.
„Um nachhaltig zu sein, muss ein Agrarsystem widerstandsfähig gegen natürliche Stressoren wie Krankheiten, Schädlinge, Dürren, Wind und Versalzung sein, sowie gegen menschengemachte Stressoren wie die Wirtschaftsentwicklung und Handelsschranken“, schreiben die Autoren der University of Canterbury in Neuseeland, der Charles Sturt University in Australien, der University of Santa Catarina in Brasilien und des Third World Networks in Malaysia, die ihre Studie kürzlich im International Journal of Agricultural Sustainability veröffentlichten.
Der signifikanteste Unterschied zwischen beiden Agrarregionen liegt im Einsatz von genverändertem Saatgut (GMO – Gentechnisch veränderte Organismen). Laut der Studie sind 82 Prozent der Rapssaaten in den USA und 95 Prozent in Kanada genverändert. Bei Mais sind es in den USA 88 Prozent, bei Sojabohnen und Baumwolle jeweils 94 Prozent.
In Europa werden derartige Saaten fast nicht eingesetzt. Das Ergebnis: Die Vereinigten Staaten hatten von 1961 bis 1985 einen leicht höheren Mais-Ertrag pro Hektar als die untersuchten Staaten in Europa. In der Periode 1986 – 2010 hatte Westeuropa mit im Schnitt 8,28 Tonnen pro Hektar aufgeholt. Genveränderter Mais wird in den USA erst seit 1986 eingesetzt. Seitdem konnten in Europa die Erträge schneller gesteigert werden als in den USA.
Weniger Pestizide in Europa
Bei Weizen ist Westeuropa sogar signifikant im Vorteil: Auf dem alten Kontinent sind die Erträge pro Hektar schon immer höher, zwischen 1961 und 2011 ist die Schere weiter auseinander gegangen. Genveränderter Weizen wird auf beiden Seiten des Atlantiks nicht eingesetzt. Die Autoren werten das als Hinweis, dass ein Agrarsystem seine Erträge auch mit herkömmlichen Methoden deutlich steigern kann, wie das Beispiel Westeuropa zeigt.
Der Gesamteinsatz von Herbiziden und Insektiziden konnte in Westeuropa laut der Studie schneller reduziert werden, als in den USA. Dort wurden pro landwirtschaftlicher Fläche 2007 mehr Herbizide versprüht als 1995, der Einsatz von Insektiziden ist um 15 Prozent gesunken. In Frankreich, wo ein GMO-Anbauverbot herrscht, ist der Einsatz beider Produktionsmittel zurückgegangen, der von Insektiziden um drei Viertel. Ähnliche Trends seien in Deutschland und der Schweiz zu beobachten, schreiben die Autoren.
Insgesamt stellen sie der kanadischen und US-Agrarindustrie ein schlechtes Zeugnis im Vergleich zu Westeuropa aus: Der Pestizideinsatz sei höher, der Ertrag geringer, die Industrie monopolistischer, die genetische Diversität der Pflanzen sinke, die landwirtschaftlichen Betriebe würden größer, das Wissen um Anbaumethoden kleiner. Die Ernteerträge in den USA schwankten deutlicher als in Europa, was auf eine geringere Widerstandsfähigkeit des Agrarsystems gegenüber Dürren oder Schädlingen hinweise.
Falsche staatliche Anreize
„Es gibt keinen Beweis, dass GMO der Biotechnologie überlegen ist“, schließen die Autoren. Das Problem seien nicht die GM-Saaten an sich, sondern die damit einhergehende Monopolisierung der Saatgutindustrie, die ihr Wissen patentrechtlich schützt und eine Vielfalt traditionelle Züchter verdrängt.
Früher, schreiben die Autoren, war das US-Agrarsystem dagegen einer der weltgrößten Umschlagplätze zum Austausch von Saatgut und Erhalt von Sorten. Dazu kommen falsche staatlich Anreize. „Die genetische Breite steigt im kommerziellen Sektor nicht, auch nicht mit dem staatlichen Anreizsystem, das auf geistige Eigentumsrechte und Subventionen setzt“, schreiben die Autoren.
Bereits 2009 kam das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages zu dem Ergebnis, dass etwa im brasilianischen Sojaanbau „ein negativer Einfluss durch die Dominanz der herbizidresistenten (HR) Soja von Monsanto auf die Zahl der kleinen und mittleren Saatgutproduzenten und deren Sortenangebot erkennbar“ sei.
„Mich überrascht das Ergebnis der Studie nicht“, sagt Peter Röhrig, Gentechnik-Expert des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. „Es gibt keine Beweise, dass der Einsatz der Gentechnik Erträge steigert“, sagt er.
„Dazu kommt, dass der Schlüssel für die Sicherung der Welternährung für die ärmeren Regionen der Welt nicht in der einseitigen Fokussierung auf ständig höhere Erträge, sondern in stabileren Erträgen liegt“, so Röhrig. Das sei am ehesten erreichbar durch einen großen Mix an Sorten und genetische Vielfalt, um möglichst robuste Erträge zu ermöglichen.
Weiterführende Informationen
Studie Sustainability and innovation in staple crop production in the US Midwest [pdf, 512 KB]
GMO-Compass, Informationen zu Gentechnik in der EU
ETC-Group, Informationen und Studien zur Gentechnik in den USA
Studie zur Gentechnik des Büros für Technikfolgenabschätzung