Einer Studie des Umweltbundesamtes zufolge würde eine Nutzungskaskade nachwachsender Rohstoffe die besten Effekte beim Klimaschutz erzielen. Holz etwa solle erst als Baustoff verwendet werden, ehe es verheizt wird. Bisher wird diese Art von stofflicher Verwertung aber nicht gefördert. Das müsse sich dringend ändern, sagen Experten.
Mit nachwachsenden Rohstoffen lassen sich bei einer systematischen Nutzung erhebliche ökologische und ökonomische Effekte erzielen. Zu diesem Ergebnis kommt ein vom Umweltbundesamt (UBA) beauftragtes Forschungsprojekt zur ökologischen Innovationspolitik. Das könnte durch eine Kaskadennutzung der Rohstoffe erreicht werden. Dabei sollte der rein energetischen so oft wie möglich eine stoffliche Nutzung vorangehen, teilt das UBA mit.
„Sie schafft, bezogen auf die gleiche Menge an Biomasse, die fünf- bis zehnfache Bruttowertschöpfung und ebensolche Beschäftigungseffekte“, heißt es weiter. Dafür sorgten lange und komplexe Wertschöpfungsketten. Die Studie ist eine Gemeinschaftsarbeit des nova-Instituts, Hürth, des IFEU-Instituts für Energie- und Umweltforschung, Heidelberg, sowie des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Uni Köln und des Öko-Instituts, Freiburg.
Die wichtigsten stofflich genutzten biogenen Rohstoffe sind Holz, Stärke aus Mais und Weizen, Pflanzenöle, sowie Zucker. Ein großer Teil davon wird allein zur Energieerzeugung genutzt. Im Jahr 2008 verwertete die Industrie in Deutschland gut 89 Millionen Tonnen nachwachsender Rohstoffe. 48 Prozent des Materials dienten der Umwandlung in Wärme, Gas oder Strom, 52 Prozent einem stofflich Einsatz. Eine zunächst anderweitigen Verwendung der Energiepflanzen spart nach Berechnungen der Wissenschaftler fossile Rohstoffe ein und vermindert Treibhausgasemissionen.
Beim Zyklus von Holz, das mengenmäßig den größten Anteil der nachwachsenden Rohstoffe ausmacht, könnte die Ressource zunächst als Baumaterial oder in der Möbelindustrie eingesetzt werden und erst im Anschluss an diese Verwendung als Holzpellet im Ofen landen. „Die beste Form Biomasse einzusetzen, ist die Kaskadennutzung“, sagt UBA-Vizepräsident Thomas Holzmann, „das ist die optimale, ressourceneffizienteste Verwertung der Biomasse.“
Grundstoffe für Waschmittel, Kunststoffe und Verpackungen
Nachwachsende Rohstoffe sind der Ausgangspunkt für eine vielfältige Produktpalette. Sie liefern Grundstoffe für Waschmittel, Kunststoffe für Verpackungen oder Schmierstoffe, Papier, Farben, Granulat und Flaschenkorken. Das ist nur eine Auswahl der industriellen Anwendungsbereiche. Ihr Anteil an der globalen Biomasseproduktion von insgesamt 13 Milliarden Tonnen beträgt nach Angaben der Forscher 26 Prozent. Futtermittel bringen es auf 47 Prozent, Nahrungsmittel auf 26 Prozent Anteil an der Weltproduktion.
Trotz der identifizierten ökonomischen und ökologischen Chancen tritt die stoffliche Nutzung der Agrarrohstoffe in Deutschland auf der Stelle, während die energetische Verwertung in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Den Grund sehen die Forscher in einer verfehlten Politik. Sie führen 50 Einzelhemmnisse auf. Es hapert danach in der Agrar-, Energie-, Klima-, Steuer- und Zollpolitik, bei Rechtsvorschriften, in der Wissenschaft und Technologieentwicklung. Auch mangele es an Netzwerken, Kommunikation, der Finanzierung und der Ökologie.
„Die stoffliche Biomassenutzung wird derzeit nicht finanziell gefördert“, bedauert das UBA. Deshalb sei sie gegenüber der umfänglich unterstützten energetischen Verwertung nicht wettbewerbsfähig. Verschiedene Programme und Subventionen begünstigen den Anbau von Energiepflanzen. Das UBA plädiert für den Abbau dieser Wettbewerbsverzerrung. In der Erneuerbaren-Energie-Richtlinie der EU und im deutschen EEG solle die Kaskadennutzung deutlich besser gestellt werden.
Außerdem plädiert das Amt für eine schrittweise Kürzung des Marktanreizprogrammes (MAP) für die Ökoenergien, weil damit die Wärmeerzeugung in Biomasseanlagen gefördert wird. Außerdem sprechen sich die Fachleute für eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für Brennholz von derzeit sieben Prozent auf den vollen Satz von 19 Prozent aus. So ließe sich die Konkurrenz um Holz zwischen dem stofflichen und energetischen Sektor deutlich entschärfen, betont das UBA.
Wachstumszweig Biokunststoffe
Einer der potenziellen Wachstumszweige ist die Produktion von Biokunststoffen. „Biokunststoffe verfügen eindeutig über das Potential eines wahrhaft nachhaltigen Materials“, sagte der zuständige EU-Kommissar Janez Potoànik im vergangenen Dezember auf der Konferenz European Bioplastics und forderte die Industrie auf, ihre Arbeit voranzutreiben, ohne Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion und die Biodiversität. Das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) rechnet mit stark ansteigenden Produktionskapazitäten. Zwischen 2012 und 2017 wird die Produktion demnach von 1,4 Millionen Tonnen auf sechs Millionen Tonnen anwachsen.
Zunächst muss jedoch zwischen den biobasierten Erzeugnissen, die aus nachwachsenden Rohstoffe bestehen, und den biologisch abbaubaren unterschieden werden. Noch fehlen ausreichende Erkenntnisse über den Beitrag dieser Produkte zum Klima- und Ressourcenschutz. Auch die Konkurrenz zwischen Anbauflächen für Nahrungsmittel und anders genutzten Rohstoffen wird hier immer wieder genannt. Zumindest letzteres hält Biokunststoff-Forscher Thomas Wodke vom Fraunhofer Institut UMSICHT für unproblematisch. Weltweit würden lediglich zwischen drei und zehn Prozent der Flächen für die Chemieproduktion genutzt, sagte der Wissenschaftler auf Anfrage. Der Flächenbedarf für den zunehmenden Fleischkonsum sei ein weitaus größeres Problem.
Es hapert auch noch mit der Resteverwertung der Biokunststoffe. „Es lohnt sich bei den vorhandenen Mengen noch nicht“, erläutert Wodke. Technisch sei die weitere Verwertung problemlos machbar. Trotz der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, von Verpackungsmaterialien bis hin zu Implantaten, rechnet er derzeit noch nicht mit einem explosiven Wachstumsprozess. Dazu seien die Erdölprodukte noch zu preiswert.
Weiterführende Informationen
Studie Ökologische Innovationspolitik
EU-Kommissar Janez Potoànik zu Biokunststoffen [pdf, 242 KB]