2015 könnte ein wichtiges Jahr auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Welt werden. Deutschland will die G7-Staaten auf die neuen, nachhaltigen UN-Entwicklungsziele einschwören, die im September verabschiedet werden sollen. Auch ein Klimaschutzabkommen scheint immer wahrscheinlicher. Die entscheidende Frage ist allerdings: Wie gut wird es?
Wird im Dezember ein internationales Klimaschutzabkommen verabschiedet? Auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung war die häufige Antwort von Politikern, Wissenschaftlern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen: Ja.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, traditionell prominenteste Gastrednerin auf der Tagung, sagte: „Der politische Wille zu einem umfassenden Abkommen ist da. Er scheint mir sogar weltweit größer zu sein als je zuvor.“ Auf dem UN-Klimagipfel in Paris im Dezember wollen die Staats- und Regierungschefs der Welt ein globales Klimaschutzabkommen verabschieden.
Von Euphorie kann allerdings keine Rede sein. Merkel fügte ihrer positiven Einschätzung den Halbsatz hinzu, dass ein Erfolg damit noch lange nicht gewährleistet sei. Und dem Ja vieler Experten folgte prompt die Einschränkung: Es könnte auch ein schlechtes Abkommen werden. Olaf Tschimpke, Präsident der Naturschutzorganisation NABU, brachte es auf die Formel: „Die Erwartung ist da, dass wir ein Abkommen haben werden. Ob es tragfähig ist, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten, das wird die große Frage sein.“
Christoph Bals, politischer Geschäftsführer bei der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch, macht sich wenige Illusionen, dass das Abkommen genau das bringt. „Ich habe die Sorge, dass zu große Erwartungen an den Gipfel in Paris gestellt werden. Das Klima wird danach nicht heil vom Himmel fallen“, sagt er – glaubt aber trotzdem an ein Abkommen. Damit der Gipfel kein Flop wird, melden bereits im Vorfeld die UN-Staaten ihre sogenannten INDCs an die UN, das sind die nationalen Maßnahmen, die sie bereit sind, für den Klimaschutz zu ergreifen.
Klimaabkommen mit Upgrade?
Schon jetzt ist klar: Das Zwei-Grad-Ziel wird mit einer Addition der INDCs (Intended Nationally Determined Contributions) nicht eingehalten werden – obwohl das Zwei-Grad-Ziel eigentlich globaler Konsens ist. Es besagt, dass die Menschheit nur noch so viel zusätzliches CO2 in die Atmosphäre freisetzt, dass sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts um nicht mehr als zwei Grad erhöht. Die Folgen dessen gelten als gerade noch beherrschbar.
Weil Paris dieses existentiell wichtige Ziel kaum erreichen wird, hält Bals vor allem eines für wichtig: Dass das Abkommen einen Mechanismus enthält, mit dem die globalen Klimaschutzziele in den kommenden Jahren schrittweise angehoben werden können. „Das Abkommen muss vor allem ein internationales Signal setzen, dass das Zeitalter der fossilen Energien zu Ende geht“, sagt er. Damit liegt er auf einer Linie mit Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Auch er geht davon aus, dass es einen Klimavertrag in Paris geben wird.
„Er muss aber in seiner Integrität so robust ausgestattet sein, dass er für Jahrzehnte hält“, sagt er. Flasbarth warnt vor einer falschen Architektur des Vertrags, die sich möglicherweise über Jahrzehnte nicht korrigieren lassen könnte. Deshalb appelliert er an die Zivilgesellschaft, die darauf pochen müsse, dass der Vertrag die Möglichkeit eines „Upgrades“ enthält, um die nötigen CO2-Minderungen doch noch zu erreichen.
Kein völkerrechtlich bindendes Abkommen
Was das Klimaschutzabkommen aber kaum sein kann: ein völkerrechtlich bindender Vertrag. Davon zumindest geht Jennifer Morgan aus, Programmdirektorin am World Resources Institute in Washington und Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung. Die Überlegung ist einfach: Die Republikaner in den USA haben die Mehrheit in beiden Kammern des Repräsentantenhauses – und lehnen Klimaschutz ab.
„Ein Vertrag im Stile des Kyoto-Klimaschutzabkommens ist nicht möglich, weil das vom Senat ratifiziert werden müsste“, sagt sie – die USA sind genau deshalb diesem Klimaschutzabkommen aus den 90er-Jahren nie beigetreten. Da aber ohne die USA kein wirksames Klimaschutzabkommen möglich ist, müsse es ein völkerrechtlich nicht-bindender Vertrag sein.
Den könnte US-Präsident Barack Obama, der bereits Klimaschutzmaßnahmen angekündigt hat, mit einem sogenannten executive agreement am Senat vorbei in Kraft setzen, erklärt Morgan. Bals ist der Meinung, dass die Frage, ob das Abkommen am Ende völkerrechtlich bindend ist, nicht entscheidend sei. Die rechtlich bindende Umsetzung der Klimaschutzziele müsse jeder Staat ohnehin auf nationaler Ebene beschließen.
Auch die neuen, nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, auf Englisch Sustainable Development Goals (SDGs), werden völkerrechtlich nicht bindend sein. Die Vereinten Nationen haben jetzt einen Zero Draft vorgelegt, also einen ersten konkreten Entwurf des Papiers, das im September verabschiedet werden soll und 17 Ziele und 169 Unterziele für eine globale, nachhaltige Entwicklungsagenda enthält. Eine der großen Neuerungen: Die Ziele gelten global, also auch für die Industrieländer.
RNE: Nachhaltigkeit ins Grundgesetz
„Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte über die Umsetzung der SDGs in Deutschland“, fordert deshalb Alexander Müller, Senior Research Fellow, Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam. In einem von ihm moderierten Forum bei der Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates war eine der zentralen Überlegungen: Gerade weil die SDGs freiwilligen Charakter haben werden, müssen Industrieländer wie Deutschland Vorbild bei der Umsetzung sein.
Das könnte gravierende Auswirkungen haben: Müller sprach von einem nötigen ökonomischen Paradigmenwechsel. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung plädiert in diesem Zusammenhang in einer Stellungnahme an die Bundesregierung beispielsweise für eine Änderung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967. Es definiert als Staatsziel ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht zwischen Preisniveau, hoher Beschäftigung, außenwirtschaftlichem Gleichgewicht und stetigem Wirtschaftswachstum – Nachhaltigkeit fehlt darin bisher. Zudem empfiehlt der RNE die Aufnahme des Prinzips der Nachhaltigkeit ins Grundgesetz.
Zunächst allerdings müssen die SDGs verabschiedet werden. Auch hier brachte Angela Merkel eine Ankündigung mit: „Ich setze mich dafür ein, dass sich die G7 zu den Hauptaufgaben der Post-2015-Agenda klar bekennen“ sagte sie.
Weiterführende Informationen
Erster Entwurf der Nachhaltigen Entwicklungsziele der UN [pdf, 4,8 MB]
Homepage Nachhaltige Entwicklung der UN
Germanwatch zum Klimagipfel in Paris
Erklärung INDCs, WRI