Auf der Bonner Vorkonferenz zu den Pariser Klimaverhandlungen im Dezember gab es kleine Fortschritte. Vertreter der einzelnen Ländergruppen erarbeiten nun unter Leitung der beiden Verhandlungsführer der Vorkonferenzen, dem Amerikaner Daniel Reifsnyder und dem Algerier Ahmed Djoghlaf, einen Vertragsentwurf.
Die Vorbereitungszeit für die Pariser Klimakonferenz im Dezember diesen Jahres wird langsam knapp. Auch auf der vorletzten Bonner Vorkonferenz Anfang September konnten sich die Vertreter aus rund 200 Staaten nicht auf einen Vertragsentwurf einigen. So gibt es bisher nur einen rund 80-seitigen Text, der im Wesentlichen nur politische Absichten widerspiegelt. Die letzte Fassung wurde von der UN noch nicht veröffentlicht, im Gegensatz zu den Arbeitspapieren für die Vorkonferenz.
Fortschritte in Richtung Vertragsentwurf
Auch wenn der große Wurf – ein unterschriftsreifer Klimavertrag – noch nicht gelungen ist, sprechen Beobachter von in Bonn erreichten Fortschritten. Christopher Bals von Germanwatch sieht einen Durchbruch: eine nach Ländergruppen ausgewählte Runde von Beratern unter der Leitung des Amerikaners Daniel Reifsnyder und des Algeriers Ahmed Djoghlaf soll jetzt aus dem Diskussionspapier einen verbindlichen Rechtstext entwickeln. „Man muss sich den Unterschied etwa so vorstellen, wie den zwischen einer Werbebroschüre für eine Waschmaschine und dem Vertrag mit allem Kleingedruckten“, sagt Bals. Bis zum nächsten Treffen im Oktober soll der Vertragsentwurf stehen.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zeigt sich mit dem Arbeitsstand zufrieden. „Es gab kein Zerwürfnis, sondern sehr positive und sehr konstruktive Verhandlungen“, betont die Ministerin. Sie sei überzeugt, dass im kommenden Monat ein verhandlungsfähiger Vertragstext vorliegen werde.
Der Leiter Internationale Klimapolitik bei Greenpeace, Martin Kaiser, rechnet dagegen nicht mit einem baldigen Entwurf. „Offenbar überwiegt bei ambitionierteren Ländern die Angst, mit einem frühen Entwurf der Lobbymacht der Öl- und Kohleindustrie zu viel Agitationszeit zu geben“, schätzt er. So wachse die Gefahr, dass sich jene Länder mit dem Ziel schwacher Klimaschutzvorgaben am Ende durchsetzen würden.
Politische Entscheidungen werden jetzt notwendig
Die Zeit für Entscheidungen wird knapp. „Die Regierungen der Vertragsstaaten müssen jetzt über Bekenntnisse zum Klimaschutz hinaus auch die Bereitschaft für Kompromisse in den Verhandlungen zeigen“, fordert Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) und Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Die Staaten dürften die nächste Gelegenheit für bilaterale Gespräche auf der UN-Generalversammlung Ende September nicht ungenutzt lassen.
Doch der diplomatische Optimismus, der auf Seiten der Verhandler geübt wird, kann über die noch bestehenden Differenzen nicht hinwegtäuschen. Wichtigster Streitpunkt ist Beobachtern zufolge das Zwei-Grad-Ziel: die Erderwärmung durchschnittlich auf weniger als zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen.
Die bisher eingereichte Summe der nationalen Minderungsziele (Intended Nationally Determined Contributions, INDCs) für den CO2-Ausstoß von 58 Ländern, die für rund 70 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, reicht nicht aus, um die Erderwärmung wie angestrebt zu mindern. „Aktuelle Projektionen gehen von einer Erwärmung von vier Grad aus“, warnt Tschimpke.
Zwei-Grad-Ziel droht die Aufweichung
Indien, Brasilien und Indonesien müssten ihre INDCs noch abgeben, erläutert Louise Jeffery vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), sie könnten sich in der Summe zu einem substantiellen Einfluss addieren. „Allerdings würden die Emissionsreduktionen allein dieser Länder nicht genügen, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen“, sagt die Forscherin. Sie gehört dem Forschungsverbund Climate Action Tracker an, der die Folgen der bisherigen Zusagen untersucht hat. Die Institute rechnen mit einem Temperaturanstieg von 2,9–3,1 Grad.
Jeffery fordert, wie auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, eine regelmäßige Verschärfung der Emissionsziele. Das ist der zweite gewichtige Streitpunkt bei den Verhandlungen. Bislang ist eine erste Überprüfung für das Jahr 2030 vorgesehen. „Um das Zwei-Grad-Ziel im Auge zu behalten, brauchen wir einen kürzeren Zyklus für Nachbesserung von fünf Jahren“, sagt Tschimpke.
Greenpeace-Experte Kaiser spricht von Widerständen gegen diesen Vorschlag. „Hier ist die EU ein massiver Bremser, da vor allem die Kommission aber auch Polen die europäischen Klimaschutzziele bis 2030 zementieren wollen“, kritisiert Kaiser: "das würde 15 Jahre Stillstand im Klimaschutz bedeuten.“ Laut Bals bewegen sich auch die USA und China noch nicht ausreichend.
Entschieden wird erst in Paris
Der dritte ungelöste Streitpunkt ist die Finanzierung des 100 Milliarden US-Dollar schweren Fonds, mit dem armen Ländern bei der Bewältigung der Klimafolgeschäden geholfen werden soll. Dies müsse bis zum Start des Abkommens noch geregelt werden.
Die Fachleute hoffen auf einen Vertragsentwurf für Paris, der nur noch wenige zentrale Fragen offen lässt, die dann von den Staats- und Regierungschefs beantwortet werden müssen. Die Akzeptanz für den Kampf gegen den Klimawandel ist bei den Bürgern weltweit jedenfalls vorhanden. Einer Umfrage der UN zufolge halten dies fast 80 Prozent der Befragten für wichtig.
Weiterführende Informationen
Informationen zur Bonner Konferenz
Climate Action Tracker – reicht es für das 2-Grad-Ziel?
UN Climate Change Newsroom