Länder wie China und USA sind aufgewacht – und erkennen, dass sie dem Klimawandel etwas entgegensetzen müssen. Das ist ein Ergebnis des hochkarätig besetzten Forums „Vermitteln: Die Rolle Deutschlands in der internationalen Klimapolitik“ auf der Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates. Auch Deutschland verspricht neue Anstrengungen.
Die Verhandlungen zum Klimaschutz in Kopenhagen „stecken uns allen noch tief in den Knochen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede auf der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) am vergangenen Montag in Berlin. Und „Paris muss ein Erfolg werden“.
Nur wie? Darum ging es kurz vor der Rede Merkels in einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde: „Vermitteln: Die Rolle Deutschlands in der internationalen Klimapolitik“. Wer den Teilnehmern aus China, Costa Rica, den USA und Deutschland zuhörte, bekam den Eindruck, dass ein rechtlich verbindliches Abkommen tatsächlich möglich ist.
Das neue Klimaabkommen, das im Dezember 2015 in Paris verabschiedet werden soll, soll ab dem Jahr 2020 gelten und das sogenannte Kyoto-Protokoll ablösen. Mit diesem hatten sich Industrieländer verpflichtet, ihre CO2-Emissionen zu mindern. Zuletzt gehörten dazu allerdings nur noch die EU-Staaten und wenige außereuropäische Länder.
Die Vereinigten Staaten unterzeichneten das Abkommen nie. Kanada stieg aus. Japan und Russland beteiligen sich auch nicht mehr. Jetzt gehen die Verhandlungen für ein Nachfolgeabkommen in die entscheidende Phase. In Bonn findet diesen Donnerstag und Freitag (3. und 4. Juni) schon ein Vorbereitungstreffen statt.
USA und China sind in der Klimapolitik aufgewacht
Allerdings sprachen in der Vergangenheit schon einmal alle von einem neuen Regelwerk. Das war 2009, als die Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen zusammen kamen. Damals strichen am Ende Länder wie China, Brasilien, Indien und Südafrika die verbindlichen Passagen aus dem Text. Der Gipfel galt vor allem unter den Nichtregierungsorganisationen fortan als Flop. Woher kommt nun diese Zuversicht?
Im Verlauf der Diskussion entstand der Eindruck, dass Kopenhagen kein reines politisches Desaster war, denn die Konferenz hat gezeigt, dass bei allen Politikern rund um die Welt der Klimaschutz ganz oben auf der Agenda steht. Zhang Xumin, der im chinesischen Außenministerium das Klimawandelbüro leitet, erkennt darin einen Paradigmenwechsel in der internationalen Klimapolitik. Er war einer der Teilnehmer des Forums, das Jennifer Morgan moderierte.
Morgan ist Mitglied des Nachhaltigkeitsrates und Direktorin des Energie- und Klimaprogramms des World Resource Institute in Washington. Sie sagte: „Die Stimmung ist heute eine ganz andere, die Riesen wie China und die USA sind aufgewacht“. Das zeige auch Obamas „Clean Power Plan“, den er diese Woche verkündete.
Sein Plan sieht vor, insbesondere die Emissionen von Kohlekraftwerken drastisch zu senken. „Der Klimawandel ist in den USA spürbar geworden“, so Morgan. Texas und Kalifornien litten unter Dürren. Florida müsse einen steigenden Meeresspiegel fürchten. Und der Sturm Sandy, der vor zwei Jahren durch New York tobte, habe alle verschreckt. Morgan: „Obama versteht das.“
Auch China habe verstanden, sagte Xumin. Mittlerweile sei es das Solarland Nummer eins. Seine Erfahrungen werde China auch an andere Länder weitergeben. Zugleich sei es aber auch noch auf Länder wie Deutschland beim Technologietransfer angewiesen. Die Volksrepublik ist mit etwa 9 Milliarden Tonnen Treibhausgasen jährlich inzwischen der größte Klimasünder weltweit. Nicht nur in China wird darum die deutsche Energiewende genau beobachtet.
Deutsche Energiewende braucht weltweit Fürsprecher
Merkel sagte es in ihrer Rede auf der Jahreskonferenz so: „Wenn sie uns gelingt, so wird sie einen starken Impuls in Richtung vieler Länder haben. Allerdings sind die Länder, die uns beobachten, noch nicht alle überzeugt, dass es gelingt.“
Überall werde versucht, den Umstieg auf erneuerbare Energien schlecht zu reden, warnte in der Diskussionsrunde Mà³nica Araya, Direktorin des Nivela Think Tank in Costa Rica. Es sei wichtig, den Angriffen auf die Energiewende entgegenzutreten und die vielen Vorteile klar zu stellen. Dabei sprach sie auch für lateinamerikanische Länder wie Chile, Kolumbien und Mexiko und betonte, dass diese eigene Wege der nachhaltigen Entwicklung finden müssen – anstatt unbedingt das Entwicklungsmodell der „westlichen“ Länder zu kopieren.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, betonte denn auch die „ökonomischen Chancen“ des Klimaschutzes. Sie bekräftigte, dass allein durch den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland 370.000 Jobs geschaffen worden seien.
Doch auch Deutschland müsse sich weiter anstrengen. Sonst sei das selbst gesteckte Ziel, den Treibhausgasausstoß hierzulande bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, nicht zu erreichen. Dann lande man nur bei 33 Prozent. Die Regierung arbeitet derzeit an einem Klimaschutzaktionsprogramm.
Schwarzelühr-Sutter sprach sich dafür aus, mit Ländern die „sehr ambitioniert sind“, Koalitionen zu schließen. Sie meinte: „Für einige Länder ist es schwieriger, sich Minderungsziele aufzuerlegen“. Auch über finanzielle Unterstützung müsse geredet werden.
Wann wird man den Klimagipfel in Paris also wirklich einen Erfolg nennen können? Wenn sich die Staatengemeinschaft tatsächlich „nicht nur mit Minderungszielen befasst, sondern auch mit der Anpassung an den Klimawandel und Finanzierungsfragen“, meinte Zhang Xumin. Und das Prinzip der „gemeinsamen, aber differenzierten Verpflichtungen“ müsse umgesetzt werden.
Einigkeit unter den Diskutanten bestand auch im dem Punkt, dass die Ergebnisse der Verhandlungen nicht nur auf dem Papier schön aussehen dürfen, sondern sich in den einzelnen Ländern auch umsetzen lassen müssen. Mà³nica Araya drückte ihre Idealvorstellung eines verbindlichen Abkommens so aus: „Das Wallstreet-Journal muss das Klima-Abkommen, das beschlossen worden ist, am nächsten Tag zerreißen“. Nur dann seien „die industrialisierten Länder verpflichtet worden, etwas zu tun.“
Der Ton dieses Diskussionsforums machte jedenfalls deutlich: In der internationalen Klimapolitik kommt einiges in Bewegung.
Weiterführende Informationen
Clean Coal Plan von Obama
Der 5. Sachstandsbericht des Weltklimarats