Kaffee, Tee oder Schokolade aus fairem Handel sind längst keine Nischenprodukte mehr. Rund eine Milliarde Euro haben die Verbraucher 2014 für Fairtrade-Waren ausgegeben. Was für private Haushalte gilt, hält auch in den Beschaffungsstellen bei Kirchen und Verwaltungen Einzug. Vor allem Kommunen setzen sich für Fairtrade ein.
Gemeinden, kirchliche Einrichtungen und Organisationen setzen in ihren Beschaffungsstellen zunehmend auf fair gehandelte und Öko-Produkte. Die ökumenische Initiative „Zukunft Einkaufen“ hilft, diesen Anspruch umzusetzen. Ziel ist es, beim Einkauf von Waren für Gottesdienste, Veranstaltungen und Büros auf ökologische und soziale Kriterien zu achten. Außerdem soll der Verbrauch von Energie und Ressourcen in den Häusern reduziert werden.
Die Initiative geht davon aus, dass das Beschaffungsvolumen von Gemeinden, kirchlichen Verwaltungen, Caritas und Diakonie jedes Jahr einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag erreicht. Grund genug, mit den Alternativen in der Beschaffung die Umwelt zu entlasten und die Marktanteile für ökofaire Produkte deutlich zu erhöhen.
Das Koordinierungsbüro „Zukunft Einkaufen“ wird von katholischer und evangelischer Kirche gemeinsam getragen. Die Einrichtung stellt Checklisten und Leitfäden bereit und macht Vorschläge, wo fair produzierte Waren zu haben sind. Das Recycling-Papier für den Drucker gehört genauso ins Programm, wie der faire Blumenschmuck für den Altar oder die Messegewänder für Pfarrer, Ministranten und Küster aus Öko-Baumwolle. Die Nachfrage sei hoch, heißt es aus dem Büro. Zahlen über die Umsetzung in den Gemeinden und Verwaltungen liegen allerdings nicht vor.
Bausteine im Kampf gegen Armut
„Es gibt in unseren Kirchen und Gemeinden ein breites Bewusstsein für Entwicklungspolitik und auch für fairen Handel“, sagt Marlehn Thieme, Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). „Neben theologischen Diskussionen sind gerade Kirchen, ihre Entwicklungswerke und Gemeinden schon früh an praktischen Umsetzungsinitiativen beteiligt gewesen.“
Wie wichtig der faire Handel für die weltweite Ernährungssicherung ist, hat eine Studie der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung beleuchtet. Darin kommen die Autoren zu dem Schluss: Hunger ist kein Schicksal, sondern das Produkt von Politik- und Marktversagen. Er kann besiegt werden, wenn es in vielen Bereichen zu einem Umdenken und Umsteuern kommt.
Damit dies gelingt, muss nicht nur die Agrarpolitik neu ausgerichtet werden, auch das Konsumverhalten der einzelnen Verbraucher soll sich ändern. Nur so könnten ungerechte Strukturen im Welthandel überwunden werden. Die Autoren fordern die Kirche auf, diese Maßstäbe bei sich selbst anzulegen.
„Kauft die Kirche oder Gemeinde, die diakonische Einrichtung oder der kirchliche Kindergarten fair ein, hilft das nicht nur dem fairen Absatz“, sagt EKD-Ratsmitglied Thieme. „Sie sollten auch darüber sprechen, dann sehen und probieren das auch andere Menschen.“
Für sie sind Kirchen, Gemeinden und Einrichtungen gar in der Position eine Marktmacht zu entwickeln, wenn sie ihre Beschaffung für fair gehandelte und nachhaltig ausgerichtete Produkte und Investitionsgüter bündeln. Die Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung plädiert für weniger „Kirchturmpolitik“ in der öko-fairen Beschaffung. Für sie ist die Umstellung ein Lernprozess, den Verbraucher wie Organisationen derzeit durchmachen.
Kommunen sind Fairtrade-Vorreiter
2014 haben Verbraucher über eine Milliarde Euro für fair gehandelte Waren ausgegeben. Das sind rund 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Was für die Kirchen gilt, hält auch in Ministerien, Verwaltungen und Behörden Einzug. Vor allem die Kommunen und Städte preschen mit gutem Beispiel voran. Seit 2009 wurden rund 340 Kommunen bundesweit mit dem Titel Fairtrade-Kommune ausgezeichnet.
Ihnen geht es nicht nur darum, bei Konferenzen oder Empfängen fair gehandelten Kaffee auszuschenken oder bei Gastgeschenken auf die Nachhaltigkeit der Produkte zu achten. Die prämierten Städte haben es sich zum Ziel gesetzt, den fairen Handel in der Region zum Standard zu machen. Dazu gehören die Universitäten, Kindergärten und Schulen genauso wie die Unternehmen.
Den Einsatz der Kommunen hält der Geschäftsführer des Forums Fairer Handel, Manuel Blendin, für einen guten ersten Schritt. „Mit der flächendeckenden Umsetzung der fairen Beschaffung hakt es in der Praxis leider nach wie vor“, sagt Blendin. „Hier brauchen wir starken politischen Wind und klare Vorgaben und Hilfestellungen für die Beschaffer.“
Sparzwang vor Nachhaltigkeit
Die Bundesregierung hat dafür eine eigene Behörde eingerichtet. In der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung beraten die Mitarbeiter die Beschaffungsstellen beim Bund sowie die zuständigen Stellen in den Ländern und Kommunen, wie sie öko, sozial und fair einkaufen können. Sowohl Ministerien, als auch Stadtverwaltungen können sich an das Büro wenden. Insgesamt ist die Behörde für rund 30.000 Einrichtungen zuständig. Die Nachfrage sei stetig gestiegen, sagt Michael Arenz von der Kompetenzstelle.
Länder und Kommunen seien bei der nachhaltigen Beschaffung etwas weiter. Überzeugungsarbeit müsse man vor allem in der Bundesverwaltung leisten. Die größten Probleme machen Arenz die Haushälter in den Ministerien und Verwaltungen. Sie wollen lieber sparen, als nachhaltig zu wirtschaften.
Das heißt: Braucht eine Behörde eine neue Kaffeemaschine, darf nur die billigste angeschafft werden. Auch wenn das teurere Gerät mit der besseren Energiebilanz die Umwelt schont und vielleicht sogar länger hält. „Die Abteilungen beweisen guten Willen, aber es fehlt an der Umsetzung“, sagt Arenz. Entwicklungs- und Umweltexperten hoffen daher auf mehr Druck seitens des Gesetzgebers. Ohne schärfere Vorgaben wird ein Umdenken in der Beschaffung nur schwer möglich sein.
Weiterführende Informationen
Broschüre zum öko-fairen Gotteshaus [pdf, 7,5 MB]
EKD-Studie „Unser tägliches Brot gib uns heute“
Kampagne zu Fairtrade-Kommunen
Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung