Das Bundesumweltministerium liefert mit dem eben erschienen Altas Greentech made in Germany 4.0 eine Bestandsaufnahme der Umwelttechnik in Deutschland. Die grünen Unternehmen sollen für umweltverträgliches Wachstum sorgen. Ihr Umsatz geht in den dreistelligen Milliardenbereich, vor allem der Mittelstand ist ein Motor für Innovationen.
Das ist nötiger denn je. Im nächsten Jahr will die Weltgemeinschaft in New York neue Ziele für die Nachhaltigkeit verabschieden. Fest steht bereits: Wachstum soll grün werden, aber im umfassenden Sinn, also als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Dies prägt auch schon heute die Politik. So hat Indien erst Anfang Oktober das Motto Clean India ausgegeben und Chinas Regierung konzentriert sich auf den Kampf gegen die Luftverschmutzung.
Derweil summiert sich der Umsatz der Greentech-Unternehmen in Deutschland auf 344 Milliarden Euro. Bis 2025 wird dieses Volumen um jährlich 6,6 Prozent auf rund 740 Milliarden Euro steigen. Auf den Arbeitsmarkt wirkt sich das – trotz aller Probleme in der Solarindustrie – positiv aus: 2013 waren 1,5 Millionen Erwerbstätige in dem Segment beschäftigt. So steht es im Greentech-Atlas, den das Bundesumweltministerium jetzt veröffentlicht hat.
Der Atlas sei eine „Leistungsschau innovativer Unternehmen“, eine Art Branchenkatalog, erklärte SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks. Im Auftrag ihres Hauses haben die Experten von Roland Berger Strategy Consultants auf gut 220 Seiten rund 2000 Firmen aus der Umwelttechnologiebranche samt wichtiger Daten aufgelistet.
Darunter zum Beispiel die Tital GmbH, aus dem nordrhein-westfälischen Bestwig, die sich auf eine ressourceneffiziente Herstellung von Titan-Gussteilen spezialisiert hat. Sie liefert etwa Schaufelräder für die Turbinen von Flugzeugen. Zumeist werden diese aus einem Titanblock gefräst. Da fallen viele Überreste an, aber nicht bei Tital. Die Firma wendet ein Verfahren an, mit dem sich die Bauteile ähnlich einer Kirchenglocke gießen lassen. Materialeinsparung: bis zu 75 Prozent.
Oder die EControl Glas GmbH & Co. KG aus Plauen in Sachsen. Sie hat elektrisch dimmbares Fensterglas auf den Markt gebracht. Je nach Tages- und Jahreszeit kann es durch das Anlegen einer geringen Spannung transparent oder teildurchlässig werden. Der Durchblick bleibt aber immer erhalten. Stromkosten für Klimaanlagen entfallen, Gebäude mit diesen Fenstern überhitzen im Sommer nicht durch Sonneneinstrahlung.
Grüne Jobs betreffen ein weites Feld. Studienautor Ralph Büchele erklärt: „Wir definieren keine `grünen Jobsà´, sondern sprechen von Beschäftigten in den Leitmärkten der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz.“ Das sind für ihn: nachhaltige Mobilität, Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Wasserwirtschaft. Darüber hinaus: Rohstoff und Materialeffizienz, Energieeffizienz und umweltfreundliche Erzeugung, Speicherung und Verteilung von Energien.
Kleinere und mittlere Unternehmen sind Vorreiter
Die Entwicklung grüner Innovationen liegt vor allem bei kleinen und mittelständischen Betrieben. Rund 90 Prozent der Anbieter erwirtschaften einen Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro, etwa drei Viertel beschäftigen weniger als 50 Mitarbeiter. Auf den internationalen Märkten seien sie jedoch „gut positioniert“, schreiben die Autoren des Greentech-Atlas. In der Branche ist Deutschland nach wie vor Exportweltmeister: 14 Prozent Weltmarktanteil.
Laut Atlas wächst der Weltmarkt bis 2025 auf fast 5,4 Billionen Euro. 2013 betrug er rund 2,5 Billionen Euro. So wundert nicht, dass im Jahr 2012 etwa 14 Prozent der deutschen Start-ups auf umweltfreundliche Technologien setzten. Greentech erweist sich als lukratives Geschäftsmodell.
Der Greentech-Atlas soll für deutsches Know-how werben. Die Idee, den Atlas herauszugeben, stammt von Sigmar Gabriel. Das war zu der Zeit, als der heutige SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister noch an der Spitze des Umweltressorts stand. Die UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, hat schon zum Höhepunkt der internationalen Wirtschaftskrise im November 2008 eine Global Green New Deal Initiative gestartet.
Ein gutes halbes Jahr später verabschiedete die OECD auf Ministerebene eine „Deklaration über ‘Grünes Wachstum‘“. Und im Jahr 2012, kurz vor dem Rio+20-Gipfel der Vereinten Nationen, veröffentlichte die Weltbank „Inclusive Green Growth – The Pathway to Sustainable Development.“
Doch es gibt auch Kritiker. So wendet sich Angelika Zahrnt, Ehrenvorsitzende des Umweltverbandes BUND und langjähriges Mitglied des Rats für Nachhaltige Entwicklung, gegen die Erfolge der grünen Technologien: „Viele der Effizienzgewinne durch grüne Technologien werden kompensiert – dadurch, dass mit den Produkten sorgloser umgegangen wird.“ Zahrnt stellt Wachstum prinzipiell in Frage. Sie meint, mit einer Politik des Immer-Mehr komme man nicht weit genug.
Weiterführende Informationen
Der Greentech-Atlas
Global Green New Deal Initiative
OECD-Deklaration über Grünes Wachstum
Weltbank-Bericht “Inclusive Green Growth – The Pathway to Sustainable Development.” [pdf, 4,7 MB]