Mit der jüngsten Arbeitstagung der internationalen Klima-Unterhändler in Bonn geht das Ringen um ein neues, internationales Klimaschutzabkommen in die entscheidende Phase. Entgegen aller Erwartungen sollen erste Bausteine für den Vertrag schon in den nächsten Wochen präsentiert werden.
Man würde der Klimaschutzpolitik wohl unrecht tun, wenn man die gleichen Maßstäbe für Schnelligkeit anlegte wie beim Passspiel der Fußballweltmeisterschaft. Die Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll sind vor eineinhalb Jahren ausgelaufen. Schon 2011 hatten die Vertragsstaaten beschlossen, ein neues Abkommen zu verhandeln.
Beschlossen werden soll es 2015 in Paris und den Ausstoß von Treibhausgasen ab 2021 regeln. Doch seit dem 15. Juni ist klar, dass die zähen Verhandlungen zumindest leicht an Fahrt aufnehmen und nun endlich in ihre entscheidende Phase gehen.
An diesem Tag ging in Bonn die zweiwöchige Tagung der entscheidenden Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu Ende. Das Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) sprach zum Abschluss von einem „bedeutenden Schritt nach vorne“. Völlig überraschend hatten mehrere Regierungen darauf gedrungen, schon in den kommenden Wochen erste Textbausteine für das neue Klimaschutzabkommen zu präsentieren.
„Wir sind entschlossen, diese schon im Juli vorzulegen“, sagten Kishan Kumarsingh und der Deutsche Artur Runge-Metzger, die beiden Vorsitzenden der verhandlungsführenden Arbeitsgruppe ADP. „Das hatten wir im Vorfeld nicht erwartet“, hieß es in Bonn hinter den Kulissen. Bei ihrem letzten Klimagipfel Ende 2013 in Warschau hatten die Staats- und Regierungschefs noch vereinbart, dass die Entwürfe erst zum diesjährigen Treffen Anfang Dezember in Lima veröffentlicht werden sollten.
Die Entwürfe werden zwar lediglich den Verhandlungsstand zusammenfassen, aber immerhin sei dann für jeden nachvollziehbar, wie weit das Feld für Verhandlungen sei, sagt ein ranghoher Teilnehmer des Arbeitstreffens in Bonn.
Mehr Staaten bekennen sich zu Verzicht auf Treibhausgase
Als wichtigen Fortschritt sieht das auch die Nichtregierungsorganisation Germanwatch. „Bonn hat insgesamt mehr Klarheit gebracht, was in dem neuen Klimaschutzvertrag enthalten sein soll“, sagt Klimaexperte Lutz Weischer und spricht von einem „neuen Schwung“ für die Verhandlungen. Nun liegen zumindest mögliche Inhaltsverzeichnisse eines neuen Abkommens auf dem Tisch.
Erstmals hätten mehrere Regierungen sogar davon gesprochen, dass die Welt bis 2050 überhaupt keine Treibhausgase mehr ausstoßen dürfe. Bisher sei lediglich von Reduktionen die Rede gewesen, sagt Weischer. Das World Resources Institute (WRI) hat beobachtet, dass mehr als 60 Staaten inzwischen ein Langfristziel befürworten.
Nur ein Teil davon habe in Bonn allerdings für eine vollständige Dekarbonisierung plädiert, darunter Deutschland und die „Gruppe progressiver lateinamerikanischer Staaten“ AILAC (Asociacià³n Independiente de Latinoam©rica y el Caribe), zu der unter anderem Kolumbien, Peru und Chile zählen.
Mindestens genauso wichtig sind allerdings stärkere Fortschritte beim CO2-Sparen in der nahen Zukunft. „Wenn wir das bis nach 2020 hinauszögern, werden die Entwicklungsländer in Paris sagen, dass sie das Verpasste nicht nachholen wollen“, sagt Weischer. Für die Diskussion um die Zeit bis 2020 kamen in Bonn erstmals Umweltminister einiger Staaten zusammen, allerdings ohne greifbare Ergebnisse.
Die UNFCCC hatte sich darauf beschränkt, in Bonn einige Mitgliedsstaaten Best-Practice-Beispiele zu Reduktionsstrategien wie Wiederaufforstung und nachhaltiger Landnutzung vorstellen zu lassen und so mögliche Nachahmer zu motivieren.
Die Bundesregierung will auf Drängen von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) noch in diesem Jahr einen Katalog von Maßnahmen vorlegen, mit denen das Ziel erreicht werden soll, den Treibhausgasausstoß Deutschlands bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren.
Kritik an Merkels Absage
Im Oktober steht in Bonn die nächste Sitzung der UNFCCC-Arbeitsgremien an. Schon für September hat UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Staats- und Regierungschefs zu einem Spitzentreffen in New York eingeladen. „Es kommt jetzt darauf an, den Schwung von Bonn zu nutzen, damit im September noch mehr Regierungen Bekenntnisse zu neuen Reduktionszielen vorlegen“, sagte Weischer. Bis März 2015 sollen gemäß des Prozederes dann alle Staaten ihre freiwilligen Beiträge zum Reduktionsziel an die UN melden.
Protest hatte bei Klimaschützern hervorgerufen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Teilnahme an dem Treffen in New York abgesagt hat. Kritisch sieht das auch ein führender Verhandlungsteilnehmer: „Der Gipfel ist für die Regierungschefs eine gute Gelegenheit zu zeigen, wie wichtig ihnen Klimaschutz ist. Je mehr dort zusammenkommen, desto besser.“
Weiterführende Informationen
UNFCCC-Seite zum Bonner Treffen
Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums (BMUB) zum Treffen in Bonn
Hintergrundpapier des BMUB [PDF, 116 kB]
Zusammenfassung der UNFCCC [PDF, 228 kB]
Bewertung des World Resources Institute (WRI)
Stellungnahme von Germanwatch