Weniger CO2-Ausstoß, ein sozialverträglicher Lebensstil, ein Konsum, der Ressourcen schont: Damit Nachhaltigkeitskriterien landesweit und langfristig greifen, braucht es Ideen und Maßnahmen, die von allen Bürgerinnen und Bürgern umgesetzt werden können. Eine Schlüsselrolle dabei haben die Städte und Gemeinden. „Nachhaltigkeit ist eine kommunale, eine regionale Aufgabe“, sagt Susanne Dähner vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. In einer Studie hat die Wissenschaftlerin untersucht, wie Städte und Gemeinden Nachhaltigkeitsstrategien angehen.
Bei der ersten Dialogkonferenz „RENN.tage Berlin 2017“ der Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) diskutierten Nachhaltigkeitsakteure und Experten über die Ergebnisse der Studie und welche Unterstützung die Kommunen brauchen. Zehn Städte wurden für die Erhebung „Viele Ziele, wenig Plan“ des Berlin-Instituts untersucht. Große und wohlhabendere Kommunen waren ebenso dabei wie Regionen, in denen klamme Kassen die Haushaltslage bestimmen. Das Ergebnis: Alle untersuchten Städte und Gemeinden sind auf ihre Art und Weise nachhaltig aktiv. Doch wie sie das Thema Nachhaltigkeit verstehen und umsetzen, ist recht unterschiedlich.
Wachstum als Herausforderung für Nachhaltigkeit
Zum Beispiel in Freiburg. Die Universitätsstadt im Süden Baden-Württembergs gilt als Vorreiter, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Klimaschutz ist seit langem ein Thema. Es gibt etliche Beispiele für energieeffizientes Bauen, Öko-Stromprojekte, neue Ideen für den Stadtverkehr, damit die Menschen eher mit dem Rad zur Arbeit oder an die Universität fahren als mit dem Auto. Die Lebensqualität wird als sehr hoch eingeschätzt und lockt viele Menschen an. „Doch Wachstum bringt auch Herausforderungen“, sagt Dähner. Sie brauchen Wohnraum, Krankenhäuser, Kinder müssen in die Schule, Kitas müssen gebaut werden. Und mit den Menschen nimmt auch der Verkehr zu. Für all diese Aspekte braucht die Kommune Lösungen. „Die Stadt will alles richtig machen“, sagt Dähner. „Gleichzeitig wird es mit dem Wachstum schwieriger, nachhaltig zu agieren.“
Wie Nachhaltigkeitskriterien an- und umzusetzen sind, damit beschäftigt sich auch die Stadt Oelsnitz im Erzgebirge. Anders als in Freiburg kämpft die sächsische Stadt gegen den Bevölkerungsschwund. Um vor allem Familien in die Region zu locken, bietet Oelsnitz Bauland an und damit Wohnraum in ausreichender Größe und zu erschwinglichen Preisen. Die Stadt will sich attraktiv machen für neue Bürger. Klimaschutz, gutes Wohnen und hohe Lebensqualität will die Kommune zum Standard machen. Aber bei ihren Konzepten gerät die Stadt an ihre finanziellen Grenzen. Auch zusätzliches Bauland lockt nicht mehr Familien in die Region.
Langfristiges Engagement gefordert
Wie vielfältig die Herausforderungen sind, wissen kommunale Vertreter seit langem. Aber Nachhaltigkeitsaspekte spielen in der kommunalen Politik eine immer größere Rolle, bestätigt auch Thomas Vodde, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters der Nordseeinsel Juist. Die Gemeinde hat sich ein großes Ziel gesetzt: Bis 2030 will die Insel klimaneutral werden. 1700 Menschen leben auf Juist. Sie alle spüren den Klimawandel täglich, denn der Meeresspiegel steigt und Sturmfluten nehmen zu. „Wir müssen langfristig etwas tun“, sagt Vodde. Gemeinsam mit den entsprechenden Gremien, zum Beispiel dem Gemeinderat, haben die politisch Verantwortlichen ein sogenanntes Lebenskonzept mit der Bevölkerung verabschiedet – auf freiwilliger Basis. Darüber sollen die Bedürfnisse der Menschen auf der Insel in Einklang mit den Klimaschutzzielen gebracht werden. „Verpflichtungen hätten es nicht einfacher gemacht“, sagt Vodde. Er plädiert für Anreize und spricht sich gegen Sanktionen aus. Diese seien für die Motivation und die Umsetzung der Ziele nicht förderlich.
In Dortmund arbeitet man seit rund 20 Jahren daran, Nachhaltigkeitsaspekte in der städtischen Politik voranzutreiben. „Die Pläne werden unter großer Bürgerbeteiligung umgesetzt“, sagt Helga Jänsch aus dem Stadtamt für Angelegenheiten des Oberbürgermeisters in Dortmund. So hat die Stadt beispielsweise Initiativen für mehr Energieeffizienz gestartet oder Aktionspläne für eine Soziale Stadt, gegen Rechtsextremismus und für eine erfolgreiche Integration aufgelegt. Ihre Arbeit wurde bereits mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis belohnt.
Ausruhen dürfe sich die Stadt jedoch nicht auf solchen Preisen, sagt Jänsch. Geplant ist, einen Nachhaltigkeitsbericht für Dortmund aufzulegen. Anhand spezifischer Indikatoren könnten dann Nachhaltigkeitsaspekte weiter entwickelt werden. Damit sollen die bestehenden Konzepte, Pläne und Programme zu Themenfeldern wie beispielsweise Stadtentwicklung, Klimaschutz, Mobilität oder Migration gebündelt und in eine Nachhaltigkeitsstrategie für Dortmund überführt werden.
Für Wissenschaftlerin Dähner müssen die Ausgangslagen der Kommunen genau untersucht werden. Der demografische Wandel spielt eine Rolle, auch ökonomische Voraussetzungen gilt es zu beachten. Aber: Wenig Geld in den kommunalen Haushaltskassen ist kein Hinderungsgrund. „Es geht vielmehr um den langen Atem und um Ausdauer“, sagt Dähner. Einer Kommune, die vielleicht finanziell nicht schlecht da stehe, aber wenig Personal hätte, falle es deutlich schwerer an den Themen dran zu bleiben. Langfristig plädiert Dähner für mehr Klarheit darüber, welche Politikfelder in Sachen Nachhaltigkeit angegangen werden müssen. Etwa beim Verkehr oder beim Bau von Häusern. Sie ermuntert die kommunalen Vertreter, mehr Mut zu haben – auch zu in der Bevölkerung unbeliebten Entscheidungen.