„Den Schwerpunkt bisheriger Unternehmensberichterstattung bilden Informationen über vergangene Ereignisse und den Status quo”, das steht im Abschlussbericht des Sustainable Finance-Beirats (SFB) der Bundesregierung, der Ende Februar veröffentlicht wurde. Diese rückwärtsgewandte Sichtweise reiche nicht aus, so die die Einschätzung der Mitglieder des Beirats. Sie fordern: „Um Transformationspotenziale einschätzen zu können, müssen in der Zukunft liegende Chancen und Risiken stärker berücksichtigt werden.”
Seit Juni 2019 hatte ein Team von 38 Expertinnen und Experten aus Finanzwirtschaft, Realwirtschaft, Wissenschaft und NGOs darüber beraten, welche Schritte die Bundesregierung auf dem Weg zu einer Sustainable Finance-Strategie gehen solle. Alexander Bassen war ein Teil dieses fast zwei jährigen Prozesses. Der Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg ist neben seiner Berufung in den Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) auch Mitglied im SFB. Er hebt heraus, dass die Prozesse der Erstellung des Zwischen- und Abschlussberichts des SFB „durch eine besonders hohe Kooperationsbereitschaft der Stakeholder gekennzeichnet” gewesen sei: „Selbst wenn es häufig sehr unterschiedliche Auffassungen über das Ziel und den Weg gab, war die Kompromissbereitschaft auf allen Seiten sehr hoch.”
Doppelt wesentlich
Auch aus Sicht des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) adressiert der Abschlussbericht wichtige Themenfelder der Nachhaltigkeitsberichterstattung „Wir freuen uns darüber, dass der SFB neben der Zukunftsorientierung und der Vergleichbarkeit auch das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit und die Informationsbedürfnisse verschiedener Stakeholder zu den Kernanforderungen der nicht-finanziellen Berichterstattung erklärt hat”, sagt Florian Harrlandt, der zusammen mit Isabelle Krahe für die Koordination des DNK in der RNE-Geschäftsstelle zuständig ist. Die „doppelte Wesentlichkeit” verlangt, dass Unternehmen immer dann Angaben zu nichtfinanziellen Aspekten machen müssen, sobald eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: Zum einen sollen Angaben zu Nachhaltigkeitsaspekten gemacht werden, die mit Chancen oder Risiken für den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis oder die Lage des Unternehmens verbunden sind. Zum anderen sollen Nachhaltigkeitsaspekte außerhalb des Unternehmens berichtet werden, auf welche die Geschäftstätigkeit wahrscheinlich eine positive oder negative Auswirkung hat.
Diese wesentlichen Themen, zu denen die Unternehmen berichten, sollten zudem auch mit den zentralen Stakeholdern wie Mitarbeitenden oder Lieferanten abgeglichen werden, erläutert Isabelle Krahe. Diesem Prinzip folgen die DNK-Anwender seit jeher und auch die EU-CSR-Richtlinie setzt das Prinzip für nicht-finanzielle Erklärungen voraus. Der Sustainable Finance-Beirat fordert nun, dass auch die nationalen Berichtsanforderungen angepasst werden.
Darüber hinaus fordert der SFB, dass die Bundesregierung sich „für eine zentrale, öffentliche und kostenlos zur Verfügung gestellte digitale Datenbank für standardisierte ESG-Rohdaten in einem für Menschen und Maschinen lesbaren Format” einsetzt. Ein solcher Ansatz für Deutschland, auf dem weitere Anforderungen aufgebaut werden können, biete bereits seit 2011 die Datenbank des DNK: „Unserer Erfahrung nach ist es wichtig, zum einen messbare Daten in guter Qualität abzubilden, zum anderen mit den Mitteln der qualitativen Berichterstattung auch relevanten Kontext bereitzustellen, um Zahlen am Ende interpretierbar zu machen”, sagt DNK-Koordinator Harrlandt.
„Nicht hinter ambitionierten Plänen zurückbleiben”
Es sei erfreulich, dass derzeit zahlreiche Initiativen auf nationaler als auch auf EU-Ebene auf mehr Nachhaltigkeitsberichterstattung und Transparenz setzten, sagt Krahe. Dabei müsse man aber auch auf eine kohärente Ausgestaltung achten. So wird auf EU-Ebene derzeit diskutiert, bereits Unternehmen ab einer Größe von 250 Mitarbeitenden zur Berichterstattung zu verpflichten – bisher galt das ab 500. Gleichzeitig ist im aktuellen Entwurf des Lieferkettengesetzes von einer Schwelle ab 3000 Angestellten die Rede. Entsprechend hatte RNE-Vorsitzender Werner Schnappauf Mitte Februar die Bewegung beim Thema Lieferkettengesetz zwar begrüßt, aber auch angemahnt, dass die deutsche Gesetzgebung nicht hinter ambitionierten Projekten auf EU-Ebene zurückbleiben solle. In dem Tweet brachte er den DNK ins Spiel: „Für daraus entstehende Berichtspflichten bietet sich für KMU das erprobte Instrument des DNK an.”
Auch angesichts der zu Ende gehenden Legislaturperiode sieht das SFB-Mitglied Bassen bei einigen der Handlungsempfehlungen Grund zur Eile: „Es gibt einige Maßnahmen, die sehr kurzfristig umgesetzt werden müssen, da auf EU-Ebene Regulierungsmaßnahmen zur Berichterstattung anstehen. Hiermit sollte jetzt begonnen werden.” Es gehe jetzt darum, die Rahmenbedingungen für die „Große Transformation” aufzubauen.