Die Denkfabrik Agora Energiewende tritt mit einem neuen Vorschlag für den Ausbau der Erneuerbaren Energien an die Öffentlichkeit. Kernpunkt ist, dass die Kosten für die Ökostrom-Förderung deutlich sinken sollen. Neue Erneuerbare-Energien-Anlagen sollen künftig mit maximal 8,9 Cent pro Kilowattstunde vergütet werden. Derzeit liegen die Fördersätze je nach Technik zwischen 9 und 30 Cent. Die Stromkunden würden demnach nur noch die günstigsten Ökostrom-Technologien finanzieren.
Die finanzielle Belastung für die Verbraucher beherrscht seit Monaten die politische Debatte über die Energiewende. Im Februar hatte Umweltminister Peter Altmaier prognostiziert, der Umbau der Energieversorgung könne in den nächsten Jahrzehnten bis zu einer Billion Euro kosten.
Im vergangenen Jahr haben die Stromkunden den Ausbau der erneuerbaren Energien mit 19 Milliarden Euro unterstützt. Die Umlage zur Finanzierung der Erneuerbaren wird im kommenden Jahr voraussichtlich von 5,3 auf 6,3 Cent pro Kilowattstunde steigen.
Agora Energiewende – ein Thinktank finanziert von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation – hat nun einen konkreten Reformvorschlag vorgelegt. Dafür hat Agora die Stromerzeugungskosten aller Neubauten von Gas- und Steinkohlekraftwerken bis hin zu den Ökostrom-Anlagen für das Jahr 2015 berechnen lassen.
Zugrunde gelegt wurde dabei auch ein Anstieg des Preises für COââ??â??-Zertifikate von aktuell fünf auf elf Euro. Die Stromkosten neuer Öko-Anlagen sind also nicht teurer als der in neuen fossilen Kraftwerken erzeugte Strom, nur dass zusätzlich kein Treibhausgas entsteht. Windräder und große, ebenerdige Photovoltaikkraftwerke sind Agora zufolge die preiswertesten Grünstromtechnologien, sie kosten selbst an den ungünstigsten deutschen Standorten maximal 8,9 Cent pro Kilowattstunde.
Auf genau diesen Satz von 8,9 Cent will Agora die Vergütung für alle ab 2015 gebauten Ökostrom-Anlagen begrenzen. Drastisch teurere Technologien würden dann voraussichtlich nicht mehr gebaut. Biogasanlagen bekommen derzeit bis zu 25 Cent pro Kilowattstunde, Erdwärme-Kraftwerke bis zu 30 Cent. Allerdings soll für eine stark begrenzte Menge von Biogasanlagen künftig ein Zuschlag gezahlt werden, weil sie ihren Strom bedarfsgerecht einspeisen können und nicht wie Windkraft und Solarenergie von äußeren Einflüssen abhängig sind.
Offshore-Windparks mit derzeitigen Fördersätzen bis zu 18 Cent sollen nach dem Agora-Modell weiter gefördert werden, sofern sie bis Ende 2014 in Bau gehen. Danach soll ein neues Fördermodell gelten. Dann soll es für eine Menge von jährlich 500 Megawatt Offshore-Leistung einen Zuschlag von weiteren fünf Cent auf die Basisförderung von knapp 9 Cent geben, wobei diese Menge versteigert werden soll.
Halbierter Offshore-Ausbau
Damit würden die Ausbauziele der bisherigen Bundesregierung und ihrer Vorgänger auf das laut Agora realistische Maß halbiert. An Land müssten entsprechend mehr Windräder oder Solaranlagen gebaut werden. Deshalb will Agora das weitgehende Verbot für neue Freiflächensolaranlagen abschaffen. Wegen der Konkurrenz für Agrarflächen werden Solarparks derzeit nur noch auf ehemaligen Militärgebieten oder entlang von Autobahnen und Bahngleisen gefördert.
Um Haushaltskunden zu entlasten, sollen nach den Vorschlägen von Agora Vergünstigungen für die Industrie bei der Finanzierung der Energiewende eingeschränkt werden. „Es ist notwendig, die Ausnahmen wieder auf die Sektoren zu begrenzen, die einen hohen Energiekostenanteil haben und im internationalen Wettbewerb stehen. Hier bietet sich eine Anlehnung an die beim Emissionshandel begünstigten Sektoren an“, schreibt der Thinktank.
Bisher zahlen energieintensive Branchen wie die Metall-, Zement- und Papierindustrie nur eine EEG-Umlage von 0,05 Cent pro Kilowattstunde. Dieser Satz soll laut Agora auf 0,5 Cent angehoben werden, weil Großverbraucher von den gesunkenen Börsenstrompreisen profitierten.
Eingeschränkt werden soll auch die Ausnahmeregelung von der Öko-Umlage. Agora berechnet, dass dies 450 respektive 750 Millionen Euro einbringen würde. Auch die Eigenerzeugung solle stufenweise an der EEG-Umlage beteiligt werden, schreibt Agora. Weiterhin ausgenommen werden sollen Besitzer von kleinen Solaranlagen auf Hausdächern.
Die Agora-Vorschläge beruhen auf Studien und empirischen Berechnungen zur Öko-Umlage und zur technischen Entwicklung der erneuerbaren Energien. Nicht beantwortet werden indessen weitere zentrale Fragen der Energiewende, so etwa danach, wie in Zukunft mit der Altlast aus der Gesamtsumme der bisher aufgelaufenen Zahlungsverpflichtungen umgegangen wird.
Auch ist nach der Höhe des gesamten Energiebedarfs der näheren Zukunft zu fragen und inwieweit dieser durch Effizienz, Einsparungen oder neue Stromanwendungen verändert wird. Auch die Frage nach der Netzstabilität und der Versorgungssicherheit bleibt weiteren Überlegungen vorbehalten. Eine Energiewende aus einem Guss muss sich auch der Frage annehmen, wie die Versorgungssicherheit mittelfristig unter Umständen auch durch den Zubau von Gaskraftwerken und einen Netzausbau gesichert werden kann.
Weiterführende Informationen
Vorschlag von Agora Energiewende für ein neues Strommarktdesign