Auf den ersten Blick hat EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström einiges vor: Sie will im TTIP-Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA „ambitious, innovative and enforceable“, also ehrgeizige, innovative und durchsetzbare Bestimmungen zur Nachhaltigkeit festlegen. So schreibt sie es in ihrem Blog. Europa sei zwar bei Umweltschutz und Arbeitnehmerrechten weltweit führend, meint sie, könne aber durch die Zusammenarbeit mit Partnern wie den USA noch besser werden.
Es ist ungewöhnlich, wie Malmström vorgeht. Bisher liefen die TTIP-Verhandlungen vor allem hinter geschlossen Türen. Nun haben sie und ihre Mitarbeiter aber ein 17-seitiges Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung entworfen – und im Netz veröffentlicht. „Damit alle wissen, was wir planen“, so Malmström.
Naturressourcen schonen
Handel – und TTIP im Besonderen – könne dazu beitragen, globale Umweltprobleme zu lösen, für die es mehr als die EU brauche, schreibt Malmström weiter. Dazu gehöre etwa, dass beim Verschiffen von Chemikalien und Abfällen Gesundheitsrisiken gemindert, dass Naturressourcen geschont und illegaler Holzeinschlag oder Fischfang bekämpft werden. Zudem werde es einfacher, etwa Erneuerbare-Energie-Technologien zu importieren, also grüne Märkte zu etablieren.
Darüber hinaus nimmt sie sich den Arbeitsmarkt vor. Die Handelspartner sollten Sorge dafür tragen, dass die Kinderarbeit abgeschafft, Arbeitnehmerrechte und Gleichstellung gefördert werden. An vielen Stellen bezieht sich Malmström in ihrem Vorschlag auf multilaterale Umweltübereinkünfte und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), etwa auf die sogenannten Kernarbeitsnormen und die Agenda für menschenwürdige Arbeit.
Es seien die „ehrgeizigsten Bestimmungen“, die jemals einem Handelspartner vorgeschlagen worden seien, erklärt sie. Das entspreche ihrer neuen EU-Handelsstrategie „trade for all“, Handel für alle. Handel habe nicht nur mit ökonomischen Interessen, sondern auch mit „Wertvorstellungen“ zu tun. So sei auch festgelegt, dass inländische arbeitsrechtliche Vorschriften oder Umweltschutzgesetze nicht gelockert werden dürften, um Handel oder Investitionen anzuziehen.
Kontrollmechanismen später
Problem des Vorschlags: Es heißt darin rund dreißigmal, die Handelspartner „shall“, also „sollten“ etwas tun. Es gibt kaum Verbindliches. Malmström selbst sagt: „Die EU wird sich dafür einsetzen, dass sämtliche Bestimmungen des genannten Kapitels eingehalten, umgesetzt und durchgesetzt werden“. Doch zunächst wolle sie eine „Einigung über anspruchsvolle Inhalte erzielen und danach Kontrollmechanismen erörtern.“
Wollte Malmström ein „wirklich modernes und nachhaltiges Abkommen“, müsse sie es von der ersten bis zur letzten Seite auf Nachhaltigkeit ausrichten, meint die wettbewerbspolitische Sprecherin der Grünen Bundestagfraktion Katharina Dröge. Doch die „vagen Ankündigungen“, und „unverbindlichen Versprechen“ hält sie für „reines Greenwashing“.
Walter Hirche, Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung und einst Wirtschaftsminister in Brandenburg und Niedersachsen, hatte vor kurzem schon gefordert: „TTIP muss in der Präambel eine Verpflichtung auf die Prinzipien der Nachhaltigkeit enthalten, damit der Grundsatz für alle einzelnen Kapitel gilt.“
2016 noch viel zu tun
Die EU-Unterhändler haben das Nachhaltigkeitskapitel den US-Kollegen erstmals im Oktober präsentiert, in der Verhandlungsrunde in Miami. Beide Seiten haben ihre Belange deutlich gemacht und dann nächste Schritte festgelegt.
Ob das Abkommen noch vor den Präsidentschaftswahlen in den USA 2016 abgeschlossen wird, ist unklar. Es gebe „noch viel zu tun“, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium, das in Deutschland für die Verhandlungen federführend ist. Man hoffe aber, „schnell substanzielle“ Fortschritte zu erzielen. Die Verhandler werden im Januar oder Februar 2016 wieder zusammen kommen.