Der Dachverband der europäischen Umweltschutzorganisationen hat eine schnelle Überarbeitung der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie angemahnt. Die Arbeiten müssten Anfang 2015 beginnen, um die neuen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen so früh wie möglich einzuarbeiten, sagte eine Sprecherin des European Environmental Bureau auf Anfrage.
Durch die Finanzkrise und im Schatten der Debatte um die Klimaziele der EU ist die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie in den vergangenen Jahren aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Das kann für die nachhaltige Entwicklung in Europa zum Problem werden. Die Nachhaltigkeitsstrategie hatten die Mitgliedsstaaten 2001 beschlossen und 2006 zum letzten Mal überarbeitet.
So vielschichtig das Nachhaltigkeitskonzept ist, soll auch diese Strategie Orientierung in verschiedenen Politikbereichen geben. Ziele der Strategie sind beispielsweise die Reduktion von CO2-Emissionen, eine bessere Gesundheitsförderung vor allem für ökonomisch schwache Menschen und eine höhere Beschäftigungsquote von Migranten.
Die bis vor wenigen Tagen amtierende Europäische Kommission hatte im Herbst 2012 aber Zweifel daran gestreut, überhaupt noch an der Nachhaltigkeitsstrategie festzuhalten – geschweige denn, sie weiterzuentwickeln. Die Strategie der Europäischen Union, EU 2020, sei der geeignetere Rahmen, um eine ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit zu erreichen.
Dem widerspricht Bjela Vossen vom Deutschen Naturschutzring: EU 2020 sei vor allem auf ökonomisches Wachstum ausgerichtet, Nachhaltigkeit lasse sich aber nur mit einer eigenen Strategie erreichen, die sich an den planetarischen Grenzen orientiere. Auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie neu zum Leben zu erwecken.
UN haben bereits vorgelegt
Vossen sieht vor allem Defizite in der noch ausstehenden Anpassung an internationale Standards. „Die Beschlüsse von Rio+20 müssen noch eingearbeitet werden“, sagt die Umweltschützerin. Beim Nachhaltigkeitsgipfel 2012 der Vereinten Nationen (UN) hatten die Staaten der Welt beschlossen, Ziele für eine nachhaltige Entwicklung ab 2015 auszuarbeiten, die Sustainable Development Goals (SDG).
Sie sollen zwar erst im Herbst kommenden Jahres beschlossen werden, aber schon seit diesem Sommer liegt ein detaillierter Entwurf einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen vor. Dieser Entwurf werde vielleicht noch erweitert, aber nicht mehr grundlegend geändert, erklärt Leida Rijnhout, Direktorin für weltweite Umweltpolitik und Nachhaltigkeit beim European Environmental Bureau (EEB).
In dieser Dachorganisation sind die größten europäischen Umweltschutzverbände zusammengeschlossen, darunter der BUND, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).
Kaum überprüfbare Ziele
Das EEB kritisiert, dass Europa in seiner Nachhaltigkeitsstrategie zwar einzelne SDG allgemein erwähnt, sich aber nicht auf genaue und überprüfbare Ziele verpflichte – im Unterschied beispielsweise zur Reduktion von Treibhausgasen. Als Beispiele nennt Rijnhout die Anpassung von Kommunen und Infrastruktur an den Klimawandel, die Integration von Behinderten, den Abbau von ökonomischen Ungleichgewichten zwischen den Mitgliedsstaaten oder messbare Ziele in der Gesundheitspolitik.
Die SDG in die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie einzuarbeiten, werde mindestens ein Jahr dauern, schätzt Rijnhout. Deshalb solle die Kommission schon Anfang 2015 damit beginnen. Außerdem müsse die Strategie bis 2030 oder 2050 reichen und nicht nur wie die bisherige Fassung bis 2020.
Wie die neue Kommission und die Bundesregierung aktuell zu der Weiterentwicklung stehen, ist zurzeit unklar. Die Pressestellen der neu besetzten EU-Behörde und des federführenden Auswärtigen Amtes in Berlin ließen Anfragen unbeantwortet.
Nach Redaktionsschluss erreichte uns eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes. Die Bundesregierung werde mit der neuen Kommission die Frage aufnehmen, wie die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie gestärkt werden könne und sich für eine Überprüfung einsetzen, erklärte ein Sprecher.
Weiterführende Informationen
Informationen der Europäischen Kommission zur europäischen Nachhaltigkeitsstrategie
Europäische Nachhaltigkeitsstrategie in der geltenden Fassung von 2006 [PDF, 200 kB]
Informationen der Bundesregierung zu nachhaltiger Entwicklung in der EU