Umweltschützer uneins über Rückzug aus Geldanlagen in fossile Rohstoffe

Die Forderung des Kapitalabzugs aus fossilen Energien ist unter Umwelt- und Energie-Experten umstritten. Organisationen und Politiker, die Divestment propagieren, differenzieren bisher kaum zwischen den klimaschädlichen Energieträgern Erdöl und Kohle sowie umweltfreundlicherem Erdgas. Bei den weltweiten Aktionstagen zum Divestment zeigte sich, dass die Kampagne an Schwung gewinnt.

Befürworter des Divestments verlangen, dass unter anderem Regierungen, Bildungseinrichtungen, Stiftungen und Privatleute ihr Anlagekapital aus Unternehmen abziehen, die Geld mit den fossilen Energieträgern Erdöl, Kohle und Erdgas verdienen. Ein zentrales Argument: Investitionen in fossile Unternehmen könnten an Wert verlieren, wenn die staatliche Klimaschutzpolitik effektiver wird.

Im Jahr der Klimakonferenz von Paris (Dezember dieses Jahres) will die Divestment-Kampagne mittels des ökonomischen Hebels zusätzlichen politischen Druck für mehr Klimaschutz aufbauen. Getragen wird die Kampagne unter anderem von der Organisation 350.org. Auch einige Politiker wie beispielsweise Reinhard Bütikofer, Abgeordneter im Europäischen Parlament, unterstützten die Divestment-Forderung.

Kampagne betrachtet fossile Rohstoffe nicht differenziert

Dabei differenziert die Kampagne bisher nicht zwischen den Energieträgern Erdöl und Kohle auf der einen Seite, sowie Erdgas auf der anderen – obwohl Äl und Kohle deutlich größere Klimaschäden verursachen als Erdgas. „Eine Unterscheidung zwischen Kohle/Äl und Erdgas ist in der Kampagne bisher konzeptionell nicht sichtbar“, sagt Bütikofer. Er weist auch darauf hin, dass sich die Einschätzungen über Erdgas verändern. Weil das Gas in den USA mittlerweile zu einem Teil mit der Methode des Frackings gefördert wird, nehme die Kritik von Umweltschützern an diesem fossilen Energieträger zu.

Die Ablehnung aller fossilen Energieträger widerspricht der Energiewende-Politik in Deutschland in zwei Punkten. Erdöl im Verkehrssektor und Kohle in der Stromproduktion hält die Bundesregierung bis mindestens 2050 für notwendig, wenn auch mit stark abnehmenden Anteilen an der Versorgung.

Zweitens soll modernen, flexiblen und vergleichsweise CO2-armen Gaskraftwerken eine wichtige Übergangsfunktion bei der Energiewende zukommen. Weil sie sich schnell an- und abschalten lassen, können sie Ergänzungs- und Reservekapazitäten für Solar-, Wind- und andere regenerative Kraftwerke bereitstellen.

Matthias Kopp, Energie- und Finanzexperte beim WWF, steht der neuen Kampagne mit einiger Skepsis gegenüber: „Divestment alleine ist ein viel zu grobes Instrument. Man trifft damit auch Unternehmen, die sich ernsthaft auf den Weg zu einer umweltfreundlichen Energiepolitik machen.“ Außerdem, so sagt Kopp, „braucht eine erfolgreiche Energiewende für eine Übergangszeit Gaskraftwerke“.

Michael Schröder vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) argumentiert: „Anleger, die Divestment betreiben wollen, könnten eine differenzierte Herangehensweise wählen. Eine Variante besteht darin, aus energiepolitischen Gründen zwischen Kohle- und Gaskraftwerken zu unterscheiden. Letztere können für die Stromversorgung in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten noch eine wichtige Rolle spielen.”

Währenddessen fanden am 13. und 14. Februar zwei weltweite Aktionstage zum Divestment statt. Auch in Deutschland wurden mehrere Kundgebungen organisiert.

Die Vorreiter hierzulande

Hierzulande liegt der Schwerpunkt der Aktivitäten bislang bei Kommunen und Universitäten. Koordinatorin Tine Langkamp von der Organisation 350.org zählt zehn Stadt- und acht Uni-Kampagnen, die sich teilweise überschneiden. Ziel ist es, die Institutionen davon zu überzeugen, ihr Anlagekapital umzuschichten. Universitäten legen Geld beispielsweise in Aktienfonds an. Auch Kommunen investieren Rücklagen in Kapitalmarktfonds, um etwa die Pensionen ihrer Beamten zu finanzieren.

Bislang ist nicht bekannt, dass eine deutsche Universität oder Kommune der Divestment-Forderung nachgekommen wäre. Vorreiter ist aber die Stadt Münster. Dort hat der Stadtrat unter anderem mit den Stimmen der Grünen und der SPD beschlossen, Kapital umzuschichten.

Es geht um Rücklagen für die Pensionen der städtischen Beamten in Höhe von zehn bis zwölf Millionen Euro, die in zwei Investmentfonds stecken. Ein Teil davon ist in Aktien von RWE angelegt. Die Stadtverwaltung prüft nun, wie sich der Beschluss umsetzen lässt.

In einem offenen Brief an den Berliner Senat setzten sich kürzlich unter anderem die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus, der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, und Andreas Ströhle, Professor an der Berliner Uni-Klinik Charit©, für den Kapitalabzug aus den fossilen Industrien ein. „Derzeit hält die Stadt Berlin rund eine Milliarde Euro an investierbarem Finanzanlagevermögen“, schreiben sie. Bislang jedoch hat die Landesregierung nicht die Absicht, der Forderung nachzukommen, deutete ein Sprecher von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen an.

Die Divestment-Landschaft in den USA ist dagegen schon vielfältiger. Dort kündigten bislang über 30 Stiftungen eine klimafreundliche Anlagepolitik an, unter anderem der Merck Family Fund. Wie diese Gesellschaften ihre Entscheidungen umsetzen, lässt sich oft jedoch nicht genau überprüfen. Über 40 Kirchen haben sich der Forderung ebenfalls angeschlossen. Auch jeweils gut zwei Dutzend Städte und Universitäten wollen ihre Finanzpolitik ändern. Beispielsweise erklärte die Universität Stanford in Kalifornien, Kapital aus der Kohleindustrie abzuziehen.

Weiterführende Informationen

Webseite 350.org

Aktionstage zum Divestment

Bundesregierung zu fossilen Kraftwerken

Divestment-Kampagnen in Deutschland

Kohleausstieg Standford University