Bisher beruhen Angaben etwa zur Bekämpfung der Armut oft nur auf Schätzungen. In vielen Ländern liegen keine genauen Statistiken vor. Das will Generalsekretär Ban Ki-moon mit der Entwicklung der Post-2015-Agenda ändern. An dieser „Datenrevolution“ kann sich jeder beteiligen.
Wie lässt sich die nachhaltige Entwicklung genau messen? Der Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), Ban Ki-moon, hat dazu eine 25-köpfige UN-Beratergruppe etabliert, die Independent Expert Advisory Group on the Data Revolution for Sustainable Development (IEAG).
Den Vorsitz haben der italienischen Wirtschaftsprofessor Enrico Giovannini – er war Arbeitsminister und Präsident des italienischen Statistikamtes – und der chinesische Informatiker und Gründer der Internetsuchmaschine Baidu Robin Li. Die Wissenschaftler sollen klären, wie Datenlücken geschlossen und die nationalen statistischen Erhebungen verbessert werden können. Das erste Treffen fand im September dieses Jahres in New York statt.
„Die Datenrevolution gibt der Welt ein mächtiges Werkzeug, das hilft, eine Zukunft einzuleiten, die nachhaltiger ist“, erklärt Ban Ki-moon. Die IEAG könne dazu einen „wichtigen Input für die Post-2015-Debatte“ liefern.
Bessere Lebensbedingungen für Slumbewohner
Zur Jahrtausendwende hatte sich die Staatengemeinschaft „Millenniumsziele“ bis zum Jahr 2015 gesetzt. Nicht alle sind erreicht. Doch offiziell hat sich die Zahl der absolut Armen oder der Menschen ohne Trinkwasser seither halbiert. Auch haben sich die Lebensbedingungen von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern erheblich verbessert. Auf dem UN-Millenniumsgipfel im September 2015 will sich die Weltgemeinschaft nun neue globale Ziele setzen. Seit Monaten tagen dazu verschiedene Arbeitsgruppen.
Die Bundesregierung hatte im Frühjahr einen 13-Punkte-Plan vorgeschlagen. Mittlerweile hat die sogenannte Offene Arbeitsgruppe (Open Working Group) der UN Generalversammlung einen Vorschlag mit 17 Zielen und 169 Indikatoren verabschiedet. Sie stellt eine wesentliche Grundlage für alle weiteren Diskussionen. Demnach soll etwa die Armut weltweit beseitigt werden, Frauen und Männer gleichberechtigt leben. Städte sollen sicher sein, der Klimawandel gebremst werden. Das geht weit über die bisherigen UN-Ziele hinaus.
Doch die besten Ziele helfen wenig, wenn keine Daten vorliegen. „Wenn wir den Ausgangswert nicht kennen, wissen wir nicht, was wir erreichen müssen“, sagt Johannes Jütting, der Mitglied der IEAG ist. Als Manager des UN-Statistik-Sekretariats Paris 21 kennt er die Datenlandschaft weltweit, Paris 21 steht für „The Partnership in Statistics for Development in the 21st Century“.
Daten über Entwicklungsziele oft nur Schätzungen
So ist die Kindersterblichkeit in vielen Ländern nicht genau erfasst, die Zahl der Einwohner genauso wenig. Vor allem in armen Ländern gebe es oft nur Schätzungen, meint Jütting: „Die Datengrundlage in Entwicklungsländern, aber auch andernorts ist verbesserungswürdig.“ Gefragt seien „mehr“, „solidere“ und „international besser vergleichbare“ Daten, die Politikern zudem „schneller“ zur Verfügung stehen. Abgesehen davon müsse man sich erst einmal einigen, wie etwa Gendergerechtigkeit oder gute Arbeit zu messen ist. Jütting: „Das sind harte Nüsse“.
Solide Datenerhebung und -auswertung kosten Geld. Gut 250 Milliarden Euro pro Jahr seien mindestens nötig, schrieb der dänische Politikwissenschaftler Björn Lomborg im Guardian.
Die Berechnungen, auf die er sich bezog, seien aber nicht „seriös“, meint Jütting. Bisher werde von der gesamten Entwicklungshilfe nicht einmal ein Prozent für Statistiken ausgegeben – etwa 250 Millionen Euro pro Jahr.
Läuft alles nach Plan werden Jütting und seine Kollegen den Bericht zur Datenrevolution Anfang November veröffentlichen. Zwei Wochen zuvor soll ein Entwurf unter von jedermann kommentiert werden können. In Gesprächen mit den NGOs habe sich schon jetzt gezeigt, dass vor allem eins für alle wichtig sei, meinte Jütting: „Die Daten müssen anonymisiert werden, um Missbrauch vorzubeugen.“
Weiterführende Informationen
Wie man Entwicklung misst, Webseite der neuen Expertengruppe
Post-2015-Entwicklungsziele, Vorschlag der Open Working Group
Pressemitteilung der UN zur neuen Beratergruppe
13-Punkte-Plan der Bundesregierung für die neuen Entwicklungsziele [pdf, 609 KB]
UN-Bericht zu Fortschritten bei den Entwicklungszielen [pdf, 3,8 MB]