Die Vereinten Nationen haben 2015 zum Jahr des Bodens ausgerufen. Während der globale Nahrungsmittelbedarf stetig steigt, geht weltweit immer mehr Land durch Degradation und Versiegelung verloren. Ausgerechnet die EU beansprucht dabei die größten Flächen außerhalb der eigenen Grenzen. Doch selbst auf eigenem Territorium lassen Reformen auf sich warten.
Als die Vereinten Nationen (UN) im Dezember 2014 das Jahr des Bodens eröffneten, beschrieb Jos© Graziano da Silva die globale Situation in nüchternen Fakten: „Wenn es weiter geht wie bisher, wird es im Jahr 2050 weltweit pro Person nur noch ein Viertel des fruchtbaren Landes geben als noch 1960“, mahnte der Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO). Im gleichen Zeitraum wird sich die Weltbevölkerung auf wahrscheinlich neun Milliarden Menschen fast verdreifacht haben.
Momentan gehen jedes Jahr weltweit zehn Millionen Hektar Böden verloren, wird also jene obere, von Wasser, Luft, organischen und mineralischen Substanzen und Kleinstlebewesen bedeckte und oft von Pflanzen bewachsene Schicht Erde abgetragen. In Deutschland werden jeden Tag 77 Hektar entsprechender Fläche zugebaut, so viel wie 100 Fußballfelder. Die UN haben 2015 nun zu dem Jahr erhoben, in dem die Dringlichkeit des Themas Bodenverbrauch weltweit auf die Tagesordnung kommen soll, Maßnahmen für eine nachhaltige Landnutzung umgesetzt und entsprechende Investitionen angeregt werden sollen.
Ein wichtiger Schritt zum Schutz der Böden könnte in diesem Jahr auch die Verabschiedung der neuen Entwicklungsziele der UN sein, die Post-2015-Agenda. In einem bereits vorliegenden Entwurf der Open Working Group ist das Ziel formuliert, bis 2020 den weltweiten Verlust von Böden zu stoppen. Eine nachhaltige Boden- und Landbewirtschaftung gehört auch zu den Kernthemen des Rates für Nachhaltige Entwicklung, der unter anderem fordert, den Flächenverbrauch in Deutschland bis 2050 zu stoppen.
DBU und RNE loben Wettbewerb “BodenWertSchätzen” aus
Bis 2020 soll unter anderem der Verbrauch in Deutschland auf 30 Hektar am Tag begrenzt und die Artenvielfalt stabilisiert werden, so sieht es die nationale Nachhaltigkeitsstrategie vor, ebenso wie eine nicht strapazierende Landwirtschaft sowie Klima- und Ressourcenschonung. Der Nachhaltigkeitsrat und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt haben zum Jahr des Bodens den Wettbewerb „BodenWertSchätzen“ ausgerufen. Darin werden Initiativen und Projekte ausgezeichnet, die einen nachhaltigen Umgang mit Boden fördern und ihn als Ressource wertschätzen.
Momentan ist es ausgerechnet die Europäische Union (EU), die in Sachen Bodenverbrauch besonders schlecht abschneidet. Das zeigt der kürzlich von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Le Monde Diplomatique veröffentlichte Bodenatlas 2015. Demnach brauchen die EU-Bürger eineinhalb Mal mehr Land, als die Fläche ihrer Mitgliedsstaaten, um ihren Konsum zu decken – das Verhältnis ist damit so schlecht wie auf keinem anderen Kontinent.
Zwar haben einige Länder, darunter seit 1999 Deutschland, Gesetze zum Schutz von Böden. Eine EU-weite Regel gibt es aber nicht. Zwar hat die Kommission bereits 2001 im sechsten Umweltaktionsprogramm entsprechende Ziele formuliert, im September 2006 hat Brüssel schließlich den Entwurf für einen EU-Bodenrahmenrichtlinie vorgelegt.
Doch im April vergangenen Jahres zog die Kommission den Entwurf zurück, weil es keine Einigung zwischen EU-Parlament und den Mitgliedsstaaten gab: Unter anderem wurde die Aussetzung der Bodenschutzrichtlinie im sogenannten Red Tape Report des britischen Premierministers David Cameron gefordert, weil mit einem gemeinsamen Bodenschutz die EU-Bürokratie ausgeweitet würde. Auch die Bundesregierung lehnte eine EU-Richtlinie ab und forderte die EU-Staaten zum Bodenschutz auf freiwilliger Basis auf. Einige Umweltverbände kritisieren diese Position.
Bodenschutz im Umweltaktionsprogramm
Bodenschutz ist jedoch als Ziel im siebten Umweltaktionsprogramm der EU verankert. „Da die Umsetzung des 7. Umweltaktionsprogramm im Arbeitsprogramm der Kommission für 2015 nicht vorgesehen ist, ist es allerdings fraglich, ob auf europäischer Ebene dieses Jahr überhaupt etwas zu Gunsten des Bodens passiert“, sagt Markus Kutzker, der für den Deutschen Naturschutzring die EU-Bodenpolitik beobachtet. Er hofft nun auf mehr öffentlichen Druck auf die EU-Kommission. „Vielleicht gibt das UN-Jahr des Bodens der Thematik einen kurzen öffentlichen Schub“, sagt er.
Umsonst scheint das lange Ringen um den Boden dennoch nicht gewesen zu sein. „Obwohl die Richtlinie gescheitert ist, hat die thematische Strategie und die anhaltende Diskussion um eine Rahmengesetzgebung den Bodenschutz vorangebracht“, schreibt etwa Thomas Straßburger vom EU-Generaldirektorat Umwelt, Landwirtschaft, Forst und Boden in einer Analyse. Er verweist darauf, dass die EU-Kommission 2015 ein Strategiepapier „Land als Ressource“ vorlegen will.
Innerhalb der Bundesregierung dürfte das Problem des Bodenverbrauchs auch auf höchster Ebene bekannt sein: Der erste Entwurf eines Bodenschutzgesetzes in Deutschland stammt aus dem Jahr 1996. Verantwortliche Ministerin damals im Bundesumweltministerium: Angela Merkel.
Weiterführende Informationen
UN-Beschluss zum internationalen Jahr des Bodens [pdf, 35,5 KB]
Umweltbundesamt-Factsheet zum Jahr des Bodens [pdf, 336 KB]
Definition des Begriffs „Boden“
DNR-Fachartikel zur EU-Bodenrahmenrichtlinie [pdf, 711 KB]
Mitteilung Rückzug EU-Bodenrahmenrichtlinie
Red Tape Report zum Bürokratieabbau [pdf, 829 KB]
Deutsche Position Bodenrahmenrichtlinie (erwähnt)
Kritik an Rücknahme der Bodenrahmenrichtlinie
Analyse von Thomas Straßburger [pdf, 3 MB]