Die Vereinten Nationen scheinen auf ihrem Weg zu einem globalen Klimaschutzabkommen Kurs zu halten: Bereits zur nächsten UN-Klimaschutzkonferenz im Herbst in Lima soll es einen ersten, grob umrissenen Vorentwurf dazu geben. Verhandlungsführer Artur Runge-Metzger erwartet allerdings noch harte Debatten – und Greenpeace wirft der EU vor, den Mitgliedsstaaten zu lasche Vorgaben zu machen.
Im Dezember 2015 will die UN ein neues, globales Klimaschutzabkommen verabschieden, das ab 2020 gelten soll. So lautet das erklärte Ziel, das die 180 Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) bereits 2011 im südafrikanischen Durban vereinbart haben.
Seitdem führt der ehemalige EU-Unterhändler in Klimafragen, Artur Runge-Metzger, zusammen mit Kishan Kumarsingh aus Trinidad und Tobago die Arbeitsgruppe, die bis dahin einen Vorschlag erarbeiten soll, der weltweit anerkannt wird, von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern, also von so unterschiedlichen Staaten wie den USA, China, Brasilien oder Nepal.
Anfang März tagten in Bonn die Unterhändler zum vorletzten Mal vor dem nächsten Weltklimagipfel in Lima im November. Das wichtigste Ergebnis: Ab sofort sollen alle UN-Staaten ihre konkreten Vorschläge für ein globales Klimaschutzabkommen erarbeiten und mit anderen Staaten abstimmen.
„Wir versuchen jetzt so viel wie möglich aus den Vertragsstaaten herauszuholen. Bis zum Gipfel von Lima wollen wir daraus ein Konglomerat an konkreten Ideen zusammenstellen. Dann haben wir noch ein Jahr, um daraus einen Vertragsentwurf zu machen“, sagt Runge-Metzger. „Noch liegen die Vorstellungen aber weit auseinander. Das werden noch harte Verhandlungen“, ergänzt er.
Wer bietet welche CO2-Minderung?
Das größte Problem ist die Frage, zu welchen CO2-Minderungen sich die einzelnen Staaten verpflichten wollen. Bis Anfang 2015 müssen sie konkrete Ziele an die UNFCCC melden. Versuche, die Vorhaben bereits bis Ende 2014 einzusammeln, sind in Bonn gescheitert. In der Summe müssen die Emissionsminderungen das Ziel sicherstellen, die Erderwärmung auf durchschnittlich maximal zwei Grad zu begrenzen.
Dafür darf die Konzentration an CO2 (und anderen Gasen, deren Treibhauspotential aber in CO2 umgerechnet wird) nicht über 450 ppm (CO2-Moleküle pro einer Million anderer Luftbestandteile) steigen. So lautet das aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Weltklimarates IPCC abgeleitete politische Ziel, auf das sich die UN-Staaten geeinigt haben.
Nun stellt sich die Frage: Was passiert, wenn die weltweit von den Staaten vorgeschlagenen CO2-Reduktionen nicht ausreichen? Wie soll diese Lücke geschlossen werden? Dazu gab es in Bonn Vorschläge. Einer lautet: Die angebotenen Minderungen an CO2-Emissionen werden einfach gleichmäßig für alle Staaten erhöht, bis in der Summe das 2-Grad-Ziel erreicht werden kann.
Dieses Vorgehen hält Runge-Metzger allerdings für unwahrscheinlich. Südafrika hat in Bonn alternativ vorgeschlagen, das Problem schlicht zu vertagen: Erst ein weltweites Klimaschutzabkommen verabschieden, dann 2016 darüber verhandeln, wie die nötigen, zusätzlichen Einsparungen erreicht werden, sollten die Vorschläge der Staaten nicht ausreichen.
Die EU-Kommission hat bereits eine konkrete Zahl genannt, die aber noch nicht von Parlament und Rat verabschiedet ist: Bis 2030 sollen 40 Prozent weniger CO2 in der Staatengemeinschaft emittiert werden als im Jahr 1990. Viele Umweltschutzorganisationen halten das kaum für ausreichend, um andere Staaten zu großen Zugeständnissen zu animieren.
„Was die EU auf den Tisch gelegt hat, ist völlig unzureichend“, sagt Martin Kaiser, bei Greenpeace für Klimapolitik zuständig. Seine Organisation rechnet vor, dass die EU wegen bereits jetzt an die Wirtschaft und die Mitgliedsstaaten ausgegebener, überschüssiger CO2-Emissionsrechte das Ziel verfehlen und nur eine Minderung von 33 Prozent erreichen würde
Wie lange gilt das Abkommen?
Neben der Diskussion um die CO2-Lücke gibt es noch weitere offene Fragen: Erstmals sprachen die Delegierten darüber, ob es Sanktionen geben soll, wenn ein Staat seine Minderungsziele nicht einhält. Negative Sanktionen könnten dazu führen, dass viele Staaten von Anfang an niedrige Ziele für ihre Verringerung von Treibhausgasen angeben.
Denkbar wären deshalb auch Hilfen für Länder, die ihre Ziele nicht erreichen. Offen ist auch die Frage, wie mit Entwicklungsländern umzugehen ist, die für sich in Anspruch nehmen, historisch wenig CO2 ausgestoßen zu haben und daraus ein Recht auf Entwicklung und höheren CO2-Ausstoß ableiten.
Es wird diskutiert, dass diese Länder Angaben darüber machen, wann sie ihren maximalen Klimagasausstoß erreicht haben, um ihn danach zu senken, meint Runge-Metzger. Aber auch das ist bisher nur eine Idee. Ebenso ungeklärt ist die Frage, wie lange das neue Klimaschutz-Abkommen überhaupt gelten soll. Als wahrscheinlich gilt ein Zeitraum zwischen fünf und zehn Jahren.
Insgesamt ist Runge-Metzger trotz der zahlreichen offenen Fragen zuversichtlich. „Niemand versuchte, die Verhandlungen zu blockieren. Die Vertragsstaaten kommen mit konkreten Vorschlägen, wie die offenen Fragen zu klären sind“, sagt er. Das sei nicht immer so gewesen: Vor dem Klimagipfel im Jahr 2009 in Kopenhagen hätten manche Delegationen einfach die Sitzungen verlassen. Außerdem, sagt Runge-Metzger, seien nun in Bonn alle noch strittigen Punkte offen angesprochen worden – immerhin der erste Schritt zu einer Lösung.
Weiterführende Informationen
Klimakonferenz in Bonn, März 2014
Bloomberg-Bericht zu den Verhandlungen
TckTckTck-Artikel zu den Verhandlungen
Interaktive Timeline der Geschichte des Klimaschutzes