Um die Verschwendung natürlicher Ressourcen einzudämmen, hat das Öko-Institut das Projekt „Rohstoffwende Deutschland 2049“ gestartet. Im Interview spricht der Darmstädter Projektleiter Matthias Buchert über die Ziele der Forscher und Herausforderungen der Rohstoffpolitik.
Herr Buchert, was sind aus Ihrer Sicht bei der Ressourceneffizienz die größten politischen Defizite in Deutschland und Europa?
Matthias Buchert: Uns geht es um eine sehr langfristige Perspektive für Politik und Wirtschaft. Die Ziele, die es bisher in Deutschland und der EU gibt, sind eher kurz- bis mittelfristig. Die Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie in Deutschland gehen bis 2020. Es fehlen Konzepte für die Zeit darüber hinaus, allerdings sind auch auf mittelfristige Sicht noch Defizite zu erkennen.
Welche Defizite?
Ein zwar schon seit 15 Jahren diskutiertes, aber wieder sehr aktuelles Beispiel ist die Grunderwerbsteuer, weil Immobilien gerade eine sehr attraktive Anlageform sind. Die Steuer richtet sich allein nach dem Kaufpreis, unabhängig von der Größe des Grundstücks oder davon, ob es schon bebaut wurde. Wenn Kommunen also auf der grünen Wiese neues Bauland für einen sehr günstigen Quadratmeterpreis ausweisen, ist das für die Käufer billiger, als wenn sie ein Grundstück in der Stadtmitte erwerben, auf dem möglicherweise noch ein altes Gebäude steht, das sie renovieren könnten, statt ein neues zu bauen. Das ist eindeutig das Gegenteil von einer Steuerung in Richtung nachhaltiger Entwicklung.
Ein anderes Beispiel ist der Verbrauch von Metallen. Im jüngsten Indikatorenbericht zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie heißt es, der Verbrauch sei in den letzten zehn Jahren in Deutschland um 40 Prozent gestiegen. Welche Probleme erwarten Sie, falls sich nichts ändert?
Wir wollen mit unserem Projekt zwei Dinge adressieren. Das eine sind reine Mengenströme, aber manchmal wird die ganze Rohstoffdebatte darauf stark verkürzt. Deshalb wollen wir auch untersuchen, wie umweltfreundlich und effizient die kompletten Vorketten bis zum Produkt sind. Bei den Metallen ist ein zunehmender Trend, dass immer mehr Wertschöpfungsanteile aus dem Ausland kommen.
Wie können Verbraucher, Industrie und Bauwirtschaft in Europa Verantwortung übernehmen?
Zunächst mal ist die Frage, welche Verantwortung die Politik übernimmt und welchen Einfluss sie hat. Fangen wir mal bei Rohstoffen an, die stärker heimisch konzentriert sind. Wir haben hier bei Frankfurt den Langener Waldsee. Da gibt es Kiesgruben mit starken Erweiterungsplänen und das betrifft Bannwälder, die unabhängig vom menschlichen Einfluss wachsen sollen. Hier ist das Ziel wichtig, dass wir für Gebäude und Infrastruktur – nicht zuletzt durch angemessene Sanierungen – die Lebensdauer erhöhen, um große Mengen an Baurohstoffen wie Kies einzusparen. Bei manchen Industriematerialien wie Kali- und Steinsalz haben wir auch einen unmittelbaren Einfluss. Erze und Metalle aber kommen überwiegend aus Ländern außerhalb der EU. Das ist die Frage, wie die Wirtschaft effizienter wird und in der Produktion beispielsweise weniger Verschnitt und damit Ausschuss anfällt. Auch bei Recyclingketten gibt es noch viel Potenzial – insbesondere bei Technologiemetallen, die zwar in kleineren Mengen gebraucht werden, dafür aber massive Umweltbelastungen in den Vorkettenaufweisen, wie Seltene Erden, Edelmetalle oder Metalle wie Indium und Gallium.
Die EU-Kommission hat vor wenigen Wochen Vorschläge für eine stärkere Kreislaufwirtschaft vorgelegt. Ab 2025 sollen keine wiederverwertbaren Abfälle mehr auf Deponien landen. Hat sich das Problem des Ressourcenverbrauchs dann erledigt?
Leider nicht. Das Thema Deponien betrifft vor allem organische, kohlenstoffhaltige Abfälle, die auf Deponien klimaschädliches Methan freisetzen. Da müssen die meisten EU-Staaten in Ost- und Südeuropa noch stark aufholen. Für Metalle ist es nicht sinnvoll, sie in Müllverbrennungsanlagen zu überführen. Hier müssen die Sammlung und die Rückführung in den Stoffkreislauf forciert und optimiert werden, da gibt es in ganz Europa noch starken Nachholbedarf. Außerdem nimmt auch beim Abfall die Internationalisierung zu. Elektronikschrott, der nicht selten illegal aus Europa exportiert wird, verursacht in Entwicklungsländern gewaltige Probleme für Umwelt und Gesundheit. Das sind auch Sekundärrohstoffe, die uns in Europa verloren gehen.
Einen großen Bedarf an Metallen haben nicht zuletzt Technologien für die Energiewende wie Windräder, Solarmodule und Elektroautos. Verschärft die Energiewende das Ressourcenproblem?
Nein, das wäre überzeichnet. Regenerative Energien und Technologien für Energieeffizienz erfordern natürlich eine Investition von bestimmten Materialien. Dafür werden aber sehr große Mengen an fossilen Energieträgern eingespart. Auch für Materialien für die Energiewende muss aber natürlich gelten, dass die Vorketten effizient und auch möglichst sauber gestaltet sind. In Europa müssen wir vor allem versuchen, Technologiemetalle zu recyceln. In diesem sogenannten Urban Mining liegen unsere Minen.
Weiterführende Informationen
Pressemitteilung des Öko-Instituts zum Projekt „Rohstoffwende Deutschland 2049“
Indikatorenbericht 2014 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie [PDF, 3,6 MB]
Bericht zur Rohstoffsituation in Deutschland der Deutschen Rohstoffagentur [PDF, 4 MB]