Schätzungen zufolge geben öffentliche Auftraggeber wie Bund, Länder und Kommunen jedes Jahr zwischen 260 und 460 Milliarden Euro für Bau-, Dienst- und Lieferleistungen aus. Die öffentliche Hand hat damit eine Marktmacht – und eine klare Vorbildfunktion, wenn es um die Umstellung auf eine nachhaltige Beschaffung geht. Der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung hat dies in einem Beschluss im Jahr 2015 bestätigt.
Nachhaltig organisieren und beschaffen – die rechtlichen Grundlagen
Konkrete Maßnahmen sollen für mehr Klimaschutz, für eine Reduktion der CO2-Emission bei Dienstreisen, für Nachhaltigkeitskriterien in Kantinenbetrieben oder auch bei der Organisation von Veranstaltungen sorgen. Als Hilfestellung für die Durchführung von nachhaltigen Veranstaltungen der obersten und oberen Bundesbehörden haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Bau gemeinsam mit dem Umweltbundesamt einen Leitfaden geschrieben, auf den das Maßnahmenprogramm der Staatssekretäre hinweist. Wie von Behörden und Ministerien beschafft werden darf, regelt das Vergaberecht. Mit der Novelle des Gesetzes im April 2016 werden Aspekte der Nachhaltigkeit nun stärker berücksichtigt.
Der neue Rechtsrahmen ermögliche es den Vergabestellen, die öffentliche Auftragsvergabe stärker zur Unterstützung strategischer Ziele zu nutzen, heißt es dort. "Dazu gehören vor allem soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte."
Damit können Unternehmen unterstützt werden, die bereits jetzt ihrer Verantwortung bis hinein in die Produktions- und Lieferketten nachkommen. Zudem sollen Firmen Anreize erhalten, internationale Standards zur Unternehmensverantwortung einzuhalten. Dazu zählen etwa die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Auch über das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen werden diese strategischen Ziele gestärkt.
Haushaltsrecht und Nachhaltigkeit passen zusammen
Der Gesetzgeber gibt Rückendeckung für mehr Nachhaltigkeit in der Beschaffung. Bedenken kommen allerdings häufig aus den Finanz- und Haushaltsabteilungen. „Haushaltsrecht soll nicht mit Nachhaltigkeit in Konflikt kommen“, stellt Ilse Beneke klar, Leiterin der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung beim Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Inneren. „Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Wichtig ist also, bei der Leistungsauswahl bereits auf ökologische und soziale Aspekte zu achten.“
Die Stelle berät den öffentlichen Einkauf im Bund, in den Ländern und in den Kommunen und gibt praktische Hilfestellung, wenn es um nachhaltige Beschaffung geht. Sie stellt Leitfäden zur Verfügung, informiert ganz konkret zu verschiedenen Produktgruppen. Per E-Mail und Telefon geben die Mitarbeiter Auskunft. Die Kompetenzstelle ist eine Art Lotsendienst, die auch die täglichen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen wie die Rechtsgrundlagen und mögliche, strenge Haushaltsvorgaben im Blick hat.
Allerdings weiß auch Beneke, dass die Haushaltsbeauftragten öffentlicher Institutionen teilweise noch überzeugt werden wollen. Da die Budgets begrenzt sind, fällt die Entscheidung teilweise zu Ungunsten des nachhaltigeren Produkts aus. Es ist dabei aber nicht zu vergessen, dass Nachhaltigkeit oft auch nicht mehr kostet – ein Beispiel dafür ist das Recyclingpapier, das in der Beschaffung nicht teurer sein muss. Zudem wissen viele Mitarbeiter noch nicht ausreichend Bescheid, welche Auswahlmöglichkeiten sie tatsächlich haben.
„Hier können wir Hilfestellung leisten“, sagt Beneke. Klimafreundlicher Transport? Fair gehandelte Produkte auf dem Kaffeetisch? Einkauf von sozialen Projekten? Beneke rät dazu, sich genau zu überlegen, welche Prioritäten die Organisatoren bei Veranstaltungen haben. „Setzen Sie sich realistische Ziele“, sagt die Vergabeexpertin. „Fangen Sie mit kleinen Schritten an und machen Sie sich und anderen Ihre Erfolge bewusst.“
Nachhaltige Anreise
Zu den größten Herausforderungen bei der Organisation einer Veranstaltung zählt die Suche nach einem passenden Ort. Er soll nicht nur ausreichend Platz für alle Gäste bieten, sondern möglichst nah an öffentlichen Verkehrsmitteln sein. Gibt es einen Bus- und/oder Bahnanschluss? Ist eine Radstation in der Nähe? Vielleicht sogar eine Ladestation für ein Elektroauto? Je besser die Anreiseplanung und -beschreibung ist, desto leichter lassen sich die Teilnehmenden zu einer umweltfreundlichen Anreise bewegen.
Die Behörden und öffentlichen Organisationen sind jedoch angehalten, das preiswerteste Verkehrsmittel zu buchen. Auch der volle Terminkalender der Teilnehmenden schließt in vielen Fällen die umweltfreundlichste Anreise aus. Hinzu kommt, dass ein bestimmtes Verkehrsmittel nicht bevorzugt werden darf. Schlägt der Flug preislich das Veranstaltungsticket der Bahn, gibt es die Möglichkeit, freiwillig einen CO2-Ausgleich zu bezahlen. Zum Beispiel über Atmosfair oder my climate. Allerdings ist die Resonanz für die Kompensation bisher bei vielen Behörden noch gering. Dagegen hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr alle Dienstreisen, die mit dem Flugzeug gemacht wurden, ausgeglichen.
Nicht nur die Teilnehmenden müssen an den Tagungsort gelangen. Auch die Caterer, die Technik, das Material für die Konferenz. Welche Ausstattung gibt es bereits vor Ort? Was muss zwingend transportiert werden? Auch für diese Fahrten oder die Hin- und Rückreise zum Hotel gibt es klimaneutrale Anbieter, wie zum Beispiel die öffentlichen Verkehrsmittel, oder Elektroautos beziehungsweise Elektrotaxen.
Essen mit gutem Gewissen
Für die Teilnehmenden wird besonders bei der Verpflegung sichtbar, wie ökologisch und sozial eine Veranstaltung ausgerichtet ist. Im Winter Erdbeeren auf dem Buffet zu präsentieren, kommt bei den Gästen schon lange nicht mehr gut an. „Regionale und saisonale Produkte sind klimaschonend, aromatisch und sorgen für Abwechslung “, sagt Francis Hugenroth, Expertin für Nachhaltigkeitsmanagement und Kommunikation. Sie setzt auf Bio-Zutaten in den Gerichten und auf fair gehandelte Produkte. Diese Menüauswahl wird nicht zwangsläufig teurer. Wer weniger Fleisch anbietet, dafür vegetarische Gerichte in Bio-Qualität, hat in der Regel kaum Mehrausgaben.
Obwohl das Buffet Nachhaltigkeitskriterien entspricht, stößt die Menüauswahl bei den Teilnehmenden trotzdem auf Widerstand. Auch das kann passieren. Schließlich möchte nicht jeder beispielsweise auf ein Fleischgericht verzichten. Die Organisatoren müssen sich auf Gegenwind gefasst machen und sich klar machen: Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement ist ein Lernprozess für alle Beteiligten.
Anhaltspunkte darüber, ob auch die Produkte, die für die kleine Besprechungsrunde ausgewählt wurden, den Wunschvorstellungen entsprechen, gibt die Webseite www.siegelklarheit.de. Bio, Fairtrade, artgerechte Tierhaltung: Hier wird erklärt, was hinter den Labeln steckt. Ein ähnliches Prinzip gilt für Getränke – zum Beispiel für Kaffee, Tee oder Säfte. Auch der Nachhaltige Warenkorb des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) gibt Hinweise auf die wichtigsten Siegel für Lebensmittel, aber auch für Textilien, Kosmetik oder Elektronik.
Hugenroth empfiehlt den Teilnehmenden, in ihren Veranstaltungen Leitungswasser anzubieten. Das sorgt allerdings mitunter vor allem bei ausländischen Gästen für Verwirrung. In den meisten Ländern kann Wasser nicht bedenkenlos aus dem Hahn getrunken werden. Nicht so in Deutschland, wo die Qualitätsstandards für Leitungswasser höher sind als für abgefüllte Tafelwässer. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollten die Veranstalter die Getränkeversorgung mit Leitungswasser offen ansprechen. Die Vorteile sind offensichtlich: Die Abfüllung vor Ort in Karaffen spart Emissionen für Wege und Müll. Außerdem spart Leitungswasser richtig Geld. Experten schätzen, dass mit 27 Cent für eine Flasche Mineralwasser rund 121 Liter Leitungswasser zu haben sind. Wer doch auf Getränke in Flaschen ausweichen will oder muss, sollte sich für einen regionalen Anbieter entscheiden.
Beim Catering fällt häufig der meiste Abfall an. Plastikgeschirr ist tabu, auch zu viele Servietten sind unnötig. Für Kekse, Milch oder Zucker können wiederbefüllbare Behälter verwendet werden. Auftischen mit Maß – das sollte die Devise der Caterer sein. Was brauchen die Teilnehmenden tatsächlich zum Mittagessen, zum Nachmittagskaffee, zum Dinner? Damit das gute Essen nicht in der Tonne landet, kann man den Gästen anbieten, die Reste vom Buffet mitzunehmen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat dazu die Aktion „zu gut für die Tonne“ gestartet.
Neben den Tischen stehen Boxen parat, die die Teilnehmenden selbst befüllen können. Die Lebensmittelverordnung hat strenge Vorgaben, entbindet aber den Caterer, wenn die Mitnahme auf eigene Verantwortung erfolgt. Eine Alternative ist, mit dem Anbieter zu vereinbaren, die Reste, die noch in der Küche sind, an soziale Einrichtungen weiter zu geben.
Es geht auch ohne Papier
Referierende halten Vorträge, die Presseabteilung informiert die Öffentlichkeit, in Gruppen wollen die Teilnehmenden ihre Ergebnisse zusammentragen. Was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun? Auch hier müssen die Veranstalter überlegen, welches Material tatsächlich benötigt wird und ob Präsentation und Pressemitteilung tatsächlich ausgedruckt in einer Mappe liegen müssen. Dieser Grundsatz gilt für die komplette Planung der Veranstaltung. Ohnehin ist der digitale Ordner mit allen Informationen praktischer für viele Teilnehmende. Falls doch gedruckt werden muss, dann doppelseitig und auf Recycling-Papier. Wenn möglich sollten regionale und nachhaltige Druckereien beauftragt werden.
Um Vorträge anschaulicher zu gestalten, verwenden viele Referierende und Moderatoren Aufsteller oder sogenannte Roll-ups. In der Regel kann das Material aus vergangenen Veranstaltungen wiederverwendet werden. Gleiches gilt für Dekoration, Tischdecken, Namensschilder oder Stifte. Ist das nicht der Fall, lohnt sich ein Upcycling des Materials. Werkstätten, Nähereien aber auch beispielsweise Berufsschulen sind dankbar für die Überbleibsel. So werden etwa Taschen und Kleider aus den entsorgten Stoffen genäht. Als Dankeschön können diese wieder an die Teilnehmenden verteilt werden. So wird die Upcycling-Aktion zum Werbeträger.
Problem bleibt die Technik vor Ort. Kaum ein Anbieter kann garantieren, dass Teile der Ausrüstung nicht doch beispielsweise aus China oder Bangladesch kommen. Ökologische und soziale Standards einzuhalten und auf Alternativen bei der Elektronik auszuweichen, ist noch schwierig. Dafür lässt sich bei Anschaffungen, in den eigenen Häusern und Büros viel ändern. Das Umweltbundesamt hat im September die Verwaltungen aufgefordert, Computer länger zu nutzen, um den Energieverbrauch und die Umweltbelastung bei der Produktion der Geräte zu verringern.
Soziale Nachhaltigkeit
Je nach Größe und Art der Veranstaltung wird oft monatelang geplant und organisiert. In vielen Fällen wird der Auftrag für die Umsetzung der Konferenz, der Tagung, des Seminars an ein externes Unternehmen abgegeben. Doch wie findet man den Anbieter, der eine Veranstaltung tatsächlich nachhaltig gestaltet? „Das Thema soziale Nachhaltigkeit wird oft vernachlässigt“, sagt Kerstin Pettenkofer von labconcepts.
Es geht nicht nur um Öko-Produkte für die Kaffeepause oder den Tagungsort, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen ist. Wichtig ist auch die Unternehmenskultur. Handelt es sich um ein Sozialunternehmen? Einen Betrieb, der mit Behinderten arbeitet oder mit Geflüchteten? Werden den Mitarbeitenden gute Arbeitsbedingungen geboten, bekommen Hostessen, Techniker und Servicepersonal angemessene Löhne? Auch das sind Kriterien für ein nachhaltiges Veranstaltungsmanagement. Soziale Aspekte lassen sich zudem im Rahmenprogramm unterstreichen. Zum Beispiel mit einem Konzert mit Geflüchteten, einer Aktion mit Kindern, einem Seniorentheater. Je nach Veranstaltungsart können die Organisatoren damit hervorheben, welche gesellschaftlichen Initiativen sie unterstützen wollen.
Barrierefreiheit ist als Teil der Nachhaltigkeit zu verstehen. Das heißt: Gäste mit den unterschiedlichsten Handicaps sind selbstverständlich willkommen. Auch das muss in der inhaltlichen wie organisatorischen Planung praktisch berücksichtigt und der tatsächliche Bedarf spätestens mit der Erinnerungsemail für die Veranstaltung abgefragt werden. Es geht um barrierefreie Zimmer in Hotels, um Gebärdendolmetscher, aber auch um einfache Sprache bei der Gestaltung der Einladung.
Kleine Schritte der Nachhaltigkeit
Warum sollen Veranstaltungen unter sozialen und ökologischen Aspekten organisiert werden? Welche Aspekte sind uns wichtig? Auf diese Fragen sollte jede Behörde und Institution eine Antwort parat haben. Je eindeutiger die Haltung, desto leichter fällt es, Geldgeber und Öffentlichkeit zu überzeugen. Organisationsexpertin Pettenkofer rät dazu, Maßnahmen breit zu bewerben. "Der Kaffee kommt aus dem fairen Handel" steht auf dem Info-Aufsteller neben dem Tisch. In der Einladung wird auf das vegetarische Mittagessen und die CO2-Kompensation hingewiesen. – Es geht um die Sensibilisierung der Gäste für das Thema. Dasselbe gilt für den Fall, wenn die gesteckten Ziele nicht erreicht werden. Die Kekse kommen doch aus der konventionellen Herstellung und der Bio-Tee fehlt? Lieber offen ansprechen, als darauf zu hoffen, dass diesen Umstand niemand bemerkt.
Nachhaltigkeit wird selbstverständlich, wenn möglichst viele Mitarbeitende mitmachen. Sie haben oft die besten Ideen, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Eine Erinnerung schadet nicht: Zum Beispiel über ein Pop-up-Fenster am Computer, das eine Checkliste für mehr Nachhaltigkeit aufleuchten lässt. Sinnvoll sind auch Übersichten, um abzufragen, was in Sachen Nachhaltigkeit geklappt hat und was nicht. Ein solches niederschwelliges Monitoring ist mit vergleichsweise geringem Aufwand umzusetzen. Von heute auf morgen komplett auf Nachhaltigkeit umzustellen, wird kaum möglich sein. Aber jeder einzelne Schritt ist ein wichtiger Baustein.
Monitoring per Checkliste und Label
Hat die Veranstaltung den Kriterien der Nachhaltigkeit entsprochen? Mit der green score card können die Organisatoren dies überprüfen. 13 Handlungsfelder und über 200 nachhaltige Maßnahmen sind in der online basierten Checkliste aufgeführt. Das kostenpflichtige Angebot ist eine Art Leitfaden für die Umsetzung und Durchführung nachhaltiger Veranstaltungen. Grundlage der Bewertung ist die CO2-Relevanz.
Nachhaltige Veranstaltungen können zudem mit dem Label „Green Note“ ausgezeichnet werden. Bewertet werden etwa schlüssige Umweltkonzepte, ein klimafreundliches Catering oder die Einbindung regionaler Dienstleister. Für jeden Aspekt werden Punkte vergeben. Hinter dem Label steckt die Plattform my-green-meeting. Derzeit tragen rund 40 Unternehmen, Verbände oder Organisationen das Siegel. Auch die Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) wurde mit dem Siegel ausgezeichnet.