Für Aufsehen sorgte die österreichische Tochter des Finanzkonzerns Allianz AG im Dezember 2014 mit der Ankündigung, sich allmählich „aus Kohleabbau-Investments zurückzuziehen“. Dies ist ein Schritt des sogenannten Divestments. Unter diesem Motto verlangen Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, Investoren sollten ökologisch und sozial umstrittenen Firmen kein Kapital mehr zur Verfügung stellen.
Einer Erklärung des Versicherungsunternehmens zufolge hat die Allianz Österreich ihre gesamten Kapitalanlagen in Höhe von rund sieben Milliarden Euro überprüft. „Wir richten nicht nur Teilaspekte, sondern unser gesamtes Portfolio schrittweise auf Nachhaltigkeit aus“, sagte Wolfram Littich, Vorstandsvorsitzender der Allianz Gruppe in Österreich. Während heute etwa 17 Prozent der Kapitalanlagen in problematischen Investitionen steckten, wolle man diesen Anteil auf fünf Prozent bis 2030 reduzieren. Die Abkehr vom Kohlebergbau werde im Portfolio des Konzerns rund 600.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen. Parallel dazu will das Unternehmen mehr Kapital in erneuerbare Energien investieren.
Die angekündigte Umschichtung ist Ergebnis einer Zusammenarbeit mit der Umweltorganisation WWF. Die Allianz hat den dort entwickelten Kriterienkatalog angewendet, um ihre Anlagen zu überprüfen. Das Ziel der Umschichtung wurde in einem Vertrag zwischen Allianz Österreich und WWF Österreich vereinbart. Für das Unternehmen spielt unter anderem eine Rolle, dass nachhaltige Investments unter bestimmten Bedingungen höhere Renditen bringen als Kapitalanlagen in umweltschädlichen Vorhaben.
Umweltorganisationen begründen die Forderung nach Divestment mit den Klimaschäden, die die Ausbeutung und Nutzung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas verursacht. Vor diesem Hintergrund argumentieren sie, Investitionen in fossile Energien stellten „risikoreiche Kapitalanlagen“ dar. „Kohle-, Äl- und Gasunternehmen belasten die Atmosphäre mit fünfmal mehr Kohlenstoff als die Zivilisation bewältigen kann. Deshalb ist ihr Börsenwert fünfmal höher, als er eigentlich sein dürfte“, erklärt die Kampagne Fossil Free.
Investoren müssten gewahr sein, dass sich ein Teil der Anlagen des fossilen Energiesystems nicht rechnet, nur wenig oder keine Rendite mehr abwerfe, heißt es bei der Initiative Carbon Tracker. Ein Aspekt dieser Entwicklung: Die Bundesregierung will Betreiber von Kohlekraftwerken per Gesetz verpflichten, die Laufzeit zu verringern, damit das deutsche Klimaschutzziel erreicht wird. Weltweit stünden durch solche Entwicklungen Börsenwerte von Energieunternehmen in Höhe von bis zu vier Billionen Dollar (3,2 Billionen Euro) zur Disposition, schätzt Carbon Tracker. Wer entsprechende Aktien halte, müsse mit Wertverlust rechnen.
Nicht nur die Allianz Österreich nimmt diese Warnungen inzwischen ernst. So hat eine Expertengruppe der norwegischen Regierung im Dezember 2014 empfohlen, dass der Pensionsfonds der Regierung mehr auf die Klima-Auswirkungen seiner Investments achten und sie nötigenfalls reduzieren solle. Der Fonds müsse entsprechenden Einfluss auf die Unternehmen ausüben, an denen er Beteiligungen halte. Firmen, bei denen diese Strategie erfolglos sei, könnten aus dem Anlageportfolio ausgeschlossen werden.
Entscheidungen wie die der Allianz und des norwegischen Regierungsgremiums deuten darauf hin, dass Divestment mittlerweile nicht mehr nur ein moralisches, sondern auch ein betriebswirtschaftliches Druckmittel darstellen könnte. Auf 50 Milliarden Dollar (40 Milliarden Euro) schätzt das Beratungsunternehmen Arabella Advisers das Anlagekapital, das bisher aus Unternehmen unter anderem der Kohlenstoff-Industrien abgezogen worden sei. Die Beratungsfirma veröffentlicht eine Liste von rund 200 Institutionen und Investoren, die Divestment betreiben.
Darauf stehen beispielsweise US-Stadtregierungen wie Ann Arbor, Boulder und Cambridge, Wohltätigkeitsorganisationen wie der Merck Family Fund und der Rockefeller Brothers Fund, Bildungseinrichtungen wie die San Francisco State University Foundation, Kirchen und zivilgesellschaftliche Organisationen. Arabella Advisers räumt allerdings ein, dass die Summe berechnet wurde auf der Basis veröffentlichter Selbstverpflichtungen der Organisationen. Ob die Divestment-Absicht auch in die Tat umgesetzt wurde, lasse sich nicht überprüfen.
Weiterführende Informationen
Mitteilung der Allianz Österreich zur nachhaltigen Anlagestrategie
Hintergründe zum Divestment der Kampagne Fossil Free
Liste von Fossil Free mit den 200 weltweit größten Energieunternehmen
Studie von Carbon Tracker zum Anlagewert fossiler Energieanlagen
Liste von Arabella Advisers zu erfolgten Divestments [PDF, 235 kB]