Sie heißen Mosquito, Gemini, Medusa, Mad Max und Big Wheel, gebaut zwischen 1941 und 1984. Die fünf riesigen Baggermaschinen förderten jahrzehntelang im Tagebau Golpa-Nord bei Gräfenhainichen Millionen Tonnen Braunkohle. 1991 war Schluss. Seit 2000 stehen sie in Ferropolis. Die Stadt aus Eisen ist zugleich Museum, Industriedenkmal und Veranstaltungsareal. Für Thies Schröder, Geschäftsführer der Ferropolis GmbH, hat der Ort „nicht nur einen Bezug zur alten Energie, er ist heute, wie 1989 nach der Wende, ein Ort der Transformation“ – und ein Vorreiter der Energiewende. 2011 lässt der Ingenieur für Landschaftsplanung Solaranlagen auf die Hallendächer bauen. Wenn Bands wie Metallica oder der Musiker Herbert Grönemeyer abends vor 25.000 Besucher*innen spielen, liefert die Sonne aber keine Energie mehr. Wie macht man also ein Festival klimaneutral, wie versorgt man eine ganze Region so mit erneuerbarer Energie, dass die Wertschöpfung vor Ort bleibt? Das geht nur mit lokalen Partnern, denkt Schröder.
2015 entwickelt er die Idee von der Energieavantgarde und gewinnt dafür die Stiftung Bauhaus Dessau, Bürgerinnen, Kommunen, Unternehmen sowie Institutionen. Sie gründen zusammen – die Ferropolis GmbH gehört auch dazu – den Verein Energieavantgarde Anhalt (EAA). Schröder übernimmt den ehrenamtlichen Vorsitz. Er und seine Mitstreiterinnen wollen, dass in der Region Anhalt-Bitterfeld-Wittenberg Öko-Energie vor Ort produziert und verbraucht wird, alle Bürgerinnen sollen davon profitieren. „Wir wollen beweisen, dass die umstrittenen langen Stromtrassen unnötig sind, wenn Strom, Wärme und Mobilität dabei zusammenwachsen. Umwelt und Klima werden so geschont, unnötige Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher vermieden“, erklärt Schröder. Zusammen mit Betrieben, Bürgerinnen und den Stadtwerken arbeitet die EAA an dezentralen Lösungen. Zum Beispiel wird jede*r mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder der Wärmepumpe im Keller gleichzeitig Konsument und Produzent. Überschüssiger Strom und entstehende Abwärme werden vom Betrieb um die Ecke, von der Kommune, von dem Landkreis und vom Bundesland mitgenutzt – und umgekehrt.
Gelingen kann die Energiewende laut Schröder aber nur, „wenn wir mit den Akteurinnen und Akteuren der alten Energiewelt in die neue Welt gehen, denn die chemische Industrie wird auch zukünftig eine Bedeutung in unserer Region haben“. Ein Anfang ist gemacht: In einer ersten Kooperation mit dem Chemiepark Bitterfeld-Wolfen beschäftigen sich Expert*innen mit Materialinnovationen für eine umweltfreundlichere Kreislaufwirtschaft. Und in Ferropolis werden in alten Maschinenräumen und auf den Dächern von Mosquito und Mad Max Lesungen, Konzerte und Kinofilme aufgeführt.
Dieser Text ist Teil der Publikationsreihe „17 Ziele – Einfach machen“ der RENN und wurde zuerst im Booklet zur praktischen Umsetzung der SDGs in Sachsen-Anhalt veröffentlicht. Das vorgestellte Projekt wurde vom Fonds Nachhaltigkeitskultur gefördert. Hier geht es zum vollständigen Booklet sowie zu den 16 Ausgaben der einzelnen Bundesländer.
In den sozialen Medien finden Sie Beiträge dazu unter #16x17einfachmachen.