Recht und Finanzen – das sind zwei Hebel, mit denen sich die Welt verändern und Zukunft gestalten lässt. Darüber herrschte Einigkeit auf dem Themenforum „Neu denken und anders entscheiden als bisher – Imperativ für eine nachhaltige Politik” bei der 20. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Gesetzesfolgenabschätzung und nachhaltige Haushaltsführung wurden dort als Steuerungsinstrumente für mehr Nachhaltigkeit vorgestellt. Auch dazu, wie man diese Instrumente nutzt, hatten die Referentinnen klare Ideen. Denn darin waren sich Ulla Burchardt, Maja Göpel, Gerda Hasselfeldt, Astrid Matthey und Dörte Diemert ebenfalls einig: Es muss sehr bald sehr viel mehr passieren.
Nach der Begrüßung durch RNE-Generalsekretär Dr. Marc-Oliver Pahl führte die ehemalige Bundestagsabgeordnete Ulla Burchardt die Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen an das Thema heran. Burchardt, seit 2016 RNE-Mitglied, wies darauf hin, dass spätestens seit der Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio unstrittig sei, dass die Wirtschaftsweise der westlichen Welt nicht zukunftsfähig ist. Der „vor einer Generation versprochene Kurswechsel” müsse damit dringend angegangen werden. „Der Handlungsdruck wächst”, sagte sie mit Blick auf den nächsten Bundestag und die nächste Bundesregierung und kritisierte alte Denkmuster bei Parlaments- und Kabinettsentscheidungen. Heute arbeiteten die Ministerien häufig als Vertretungen von Interessengruppen und meist gegen – statt miteinander. Aber: Politik sei vor allem auch ein Handwerk, und dazu brauche man die richtigen Werkzeuge – eben Recht und Finanzen.
Versorgungssicherheit, nachhaltige Gesetze, nachhaltiger Haushalt
In ihrem Impulsvortrag nahm Prof. Dr. Maja Göpel, Wissenschaftliche Direktorin am „The New Institute”, diese Stichworte auf. Um mehr zu bewegen, müsse die Gesellschaft auch anfangen, anders über diese Herausforderungen zu sprechen: „Das ultimative Ziel ist das menschliche Wohlergehen”, sagte Göpel. „Und die ultimative Grundlage ist das Naturkapital.” Dazwischen gebe es menschengemachte Strukturen wie Geld, Technologie, Institutionen: „Und menschengemachte Strukturen können Menschen auch wieder verändern.” Darin stecke das innovative Potential.
Versorgungssicherheit, nachhaltige Gesetze, nachhaltiger Haushalt: In den dann folgenden Beiträgen wurde ganz konkret solches Änderungspotential ausgelotet. „Die Pandemie hat die Stärken und Schwächen unseres Systems aufgezeigt”, sagte Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes und RNE-Mitglied. Dabei seien die Grenzen der Belastbarkeit erreicht und überschritten worden. Unter anderem sagte Hasselfeldt, sei sehr deutlich geworden, dass der Beruf der Pflegekräfte viel attraktiver gestaltet werden müsse. Das betreffe Bezahlung, Arbeitsbedingungen, Aufstiegschancen, die Anerkennung ihrer Kompetenzen und die Entlastung von Bürokratie.
Kosten für Umwelt und Gesellschaft noch nicht konsequent dargestellt
Welche Folgen haben Gesetze? Wie effektiv und effizient erreichen sie ihre Ziele? Diese Fragen soll die sogenannte „Gesetzesfolgenabschätzung” beantworten. Das funktioniert aber nur sehr schlecht – so die These von Dr. Astrid Matthey, Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Umweltbundesamt. Aktuell würden nur die unmittelbaren Kosten für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwaltung berücksichtigt, die Kosten für Umwelt und Gesellschaft hingegen nicht. Seit 2019 dürfe zwar der Nutzen dargestellt werden, das sei aber nicht verpflichtend. Dabei sei es durchaus möglich, Umwelteffekte abzuschätzen und zu monetarisieren. „Eigentlich trivial”, nannte Matthey ihre Forderung, dass alle Gesetzesfolgen abgeschätzt werden müssten, um eine Nachhaltigkeitsbetrachtung zu ermöglichen.
Noch einen Hebel, den man umlegen kann, um Veränderungen zu ermöglichen, stellte schließlich Prof. Dr. Dörte Diemert vor. Die Kämmerin der Stadt Köln erläuterte den Nachhaltigkeitshaushalt der Stadt und weitere bilanzielle Instrumente, die ökologischen und sozialen Themen mehr Sichtbarkeit verleihen. Dabei sprach sie auch offen darüber, welche Schritte die Stadt noch vor sich habe, um eine „bilanzielle Wahrheit in die Zukunft hinein” abzubilden. Ein Online-Zuhörer kommentierte dies: „Die Ehrlichkeit in diesem Vortrag bewundere ich. Solch eine Transparenz ist wichtig, um Nachhaltigkeit zielgerichtet weiterentwickeln zu können.”
„Transparenz und Offenheit” seien Voraussetzungen für Veränderung, fasste es Prof. Dr. Hubert Weiger zusammen, Ehrenvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und RNE-Mitglied. Leider sei in den vergangenen Jahren mehr geredet als umgesetzt worden. Daher habe man zentrale Ziele nicht erreicht. Das müsse sich nun ändern. Die grundlegenden Weichen sollten hierfür im Koalitionsvertrag 2021 vereinbart werden.