Herr Christoph, Endeema ist eine Energiemanagementsoftware für Unternehmen – wie funktioniert sie?
Joel Christoph: Wir analysieren mit Endeema die öffentlichen Energienachfragedaten und den Energieverbrauch unserer Kunden. So können wir den Verbrauch zeitlich besser an die Preise anpassen. Und weil die Preise niedriger sind zu Zeiten, in denen mehr Solar- und Windenergie im Stromnetz ist, heißt das auch, dass die Emissionen niedriger sind.
Was sind das für Unternehmen, die Endeema nutzen?
Vor allem energieintensive Produktionsunternehmen: Stahl, Aluminium, Papier und Zellstoff. Wir haben aber auch mit kleineren Firmen und Konzernen aus der Autoindustrie gearbeitet, vor allem während der Produktentwicklung.
Was haben Sie in dieser Phase der Produktentwicklung gelernt?
Wir hatten wöchentlich Gespräche mit Unternehmen, um besser zu verstehen, was ihre Energieprobleme sind. Uns wurde schnell klar, dass es einen relativ hohen Energieverbrauch benötigt, höher als etwa bei Haushalten, damit durch “Load Shifting” – so nennt man die zeitliche Verschiebung des Energievolumens – die Kosten verringert werden können. Unsere Zielgruppe sind also Unternehmen, die relativ viel Energie verbrauchen, aber gleichzeitig 15 bis 30 Prozent ihrer Energienachfrage verschieben können.
Produktionszeiten zu verschieben, klingt nicht nach einer Kleinigkeit.
Ja, das ist nicht so einfach und jedes Unternehmen braucht unsere individuelle Betrachtung. Wir haben in der Regel zwei Aufgaben: Erstens müssen wir identifizieren, welche Prozesse an welchem Ort, wie viele Stunden verschoben werden können. Kann etwas, das um neun Uhr stattfindet, auch um zehn Uhr stattfinden? Oder nachts, oder gar am Wochenende? Große Verschiebungen sind in der Regel nicht möglich. Aber es gibt Prozesse, bei denen eine Verschiebung genug Kosten reduziert, dass es Sinn ergibt, Personal zu anderen Zeiten einzusetzen.
Zweitens passen wir das Modell, das ich entwickelt habe, an die Gegebenheiten vor Ort an. Es werden verschiedene Variablen integriert, etwa die Energielast der Maschinen. Die Variablen müssen angepasst werden, wenn sich etwas vor Ort ändert, etwa durch neue Maschinen. Nur dann können wir die Energienutzung optimieren und Kosten reduzieren. Unser Grundsatz ist, dass unser Produkt nichts kostet, wenn das Unternehmen keine Kostenersparnisse generiert.
Das klingt nach viel Detailarbeit, wie groß ist die Ersparnis im Durchschnitt?
Im Durchschnitt sind es zwei bis vier Prozent des jährlichen Energieverbrauchs. Das hängt davon ab, wie viel Spielraum wir haben. Es kommt auf die Maschinen, die Prozesse, aber auch auf die Firmenkultur an. Das klingt jetzt alles sehr kompliziert, aber zweimal im Jahr verschieben wir alle die Zeit und somit die Produktion um eine Stunde, wir kennen das. Die Frage ist eher, für wen das technisch und ökonomisch Sinn ergibt. Das versuchen wir als Startup festzustellen – in Deutschland und bald auch in anderen Ländern.
Andere Länder und auch größere Unternehmen?
Viele große Konzerne haben bereits Abteilungen im Haus, die sich um das Energiemanagement kümmern. Aber als Klein- oder Mittelstandsunternehmen kann man dafür oft keine Leute abstellen. Darauf sind wir spezialisiert.
Wie kam es zu der Idee für Endeema?
Im Jahr 2019 habe ich in London für eine Energieberatungsfirma gearbeitet. Es gab einen Wettbewerb zu der Frage, wie man den Energieverbrauch für Haushalte optimieren kann. Meine Idee war, eine SMS zu schicken, wenn es zum Beispiel günstiger ist, die Spülmaschine später einzuschalten. Solche Konzepte gibt es schon und sie funktionieren, etwa in Bogotá, in Tokyo, in Kalifornien. In Europa aber nicht so, was mich erstaunt hat, weil die Elektrizitätskosten hier relativ hoch sind, vor allem durch die Steuern. Doch meine Idee wurde nicht angenommen. Das Feedback war, dass keiner die Spülmaschine eine Stunde später starten würde, um dreißig Cent oder einen Euro zu sparen. So blieb das liegen, bis ich 2021 die Idee hatte, mit Unternehmen zu arbeiten. Im Frühjahr 2021 habe ich mich mit Endeema für das Programm “Futury” in Frankfurt am Main beworben und habe dort ein vierköpfiges Team gegründet. Wir haben angefangen, unser Produkt zu entwickeln und Gespräche mit Konzernen geführt.
Wenn die Konzerne bereits ein internes Energiemanagement haben, wieso waren diese Gespräche für sie von Interesse?
Da ging es vor allem um kleinere Zulieferer von Maschinen- oder Automobilteilen. Wenn die Zulieferer Kosten sparen, kann die Ersparnis auch bei den Konzernen ankommen.
Sie haben in vielen Ländern gelebt, sprechen viele Sprachen, wieso sitzt Endeema in Deutschland?
Deutschland ist ideal, weil es drei Dinge hat. Erstens: relativ hohe Elektrizitätskosten für Firmen. Zweitens: einen großen Produktionssektor. Und drittens: mindestens zwanzig Prozent Elektrizität aus Solar- und Windenergie, die ist wetter- und somit zeitabhängig.
Was müsste passieren, damit Unternehmen mit Endeema noch mehr Energie einsparen können?
Sobald es mehr Elektrizität aus Solar- und Windkraft gibt – auf dem Weg ist die Bundesregierung bereits – gibt es auch mehr Variabilität im Energieangebot.
Gab es bei der Gründung von Endeema Stolpersteine?
Ja, es war nicht so einfach, alle Unternehmensarten zu verstehen. Wieso man in der Praxis mit einer GbR anfängt und dann eine UG wird und dann eine GmbH. Wir mussten uns außerdem als Team erst organisieren und herausfinden, wie wir dezentral arbeiten können. Ich hatte auch Zweifel, ob ich meine Zeit richtig investiere in die einzelnen Teile des Projekts, oder ob wir mehr Hilfe brauchen. Doch das Geld war knapp, das fehlt oft schon für Anwälte und Steuerberater. Wir hatten Glück, dass wir das von “Futury” kostenlos bekommen haben.
Ist die Nachfrage nun so, wie Sie sich das anfangs vorgestellt haben?
Kommt darauf an. Es sind auch Firmen auf uns zugekommen, mit denen wir nicht gerechnet haben. Etwa Elektroautohersteller. Deren Kunden könnten mit Endeema per App oder SMS benachrichtigt werden, wann es am günstigsten ist, ihr Auto aufzuladen. Doch momentan haben wir nicht genug Personal, um das Modell auf andere Industriezweige anzupassen.
Was möchten Sie mit Endeema im kommenden Jahr erreichen?
Ich glaube, dass unsere Herausforderungen innerhalb des Teams liegen, wir müssen wachsen. Außerdem müssen wir das Produkt im Backend entwickeln, aber auch das User-Interface, also das Frontend anpassen. Strategisch müssen wir unser Netzwerk zu Leuten mit sowohl Startup-Erfahrung als auch Industrieerfahrung ausbauen.
Wenn Sie einem nachhaltigen Software-Startup in Deutschland einen Rat geben müssten, was wäre das?
Das ist schwierig, wenn es nur einer sein soll. Aber man kann nicht oft genug sagen: Man darf nicht aufgeben. Es gibt so viele Probleme, die ein Startup lösen muss. Aber die Lösung ist oft schlicht ein Perspektivwechsel, eine Umschichtung im Team oder Hilfe von außen. Die meisten Startups scheitern nicht an der Konkurrenz, sondern weil sie zu früh aufgeben.
Projekt Nachhaltigkeit zeichnet das Software-Startup Endeema aus
Seit fünf Jahren zeichnet Projekt Nachhaltigkeit herausragende Initiativen und Projekte des Wandels in Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Kommunen aus, die sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen. Vergeben wird der Nachhaltigkeitspreis von den vier RENN (Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien) in Kooperation mit Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) unter dem Dach des Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit.
Joel Christoph ist Mitgründer und Geschäftsführer von Endeema. Foto: Endeema
Endeema ist eine Energiemanagementsoftware, die die Kapazität von erneuerbaren Energien im Stromnetz berechnet. Nach diesen Berechnungen planen die Kunden ihre Produktionszeiten und ihren Energieeinkauf. Das Software Startup wurde im Mai 2021 in Frankfurt am Main gegründet, das Team besteht aus vier Personen. Joel Christoph ist Mitgründer und Geschäftsführer von Endeema.