Diese knapp 40 Sekunden Film haben es in sich: Parallel werden Szenen aus dem Alltag zweier Arbeiter gezeigt. Der eine arbeitet in einer Werkstatt irgendwo in Deutschland, der andere ist Näher in einer Schuhfabrik in Südasien. Für beide beginnt der Tag um fünf Uhr morgens, beide fahren mit Bus und Bahn zur Arbeit. Doch der eine hat geregelte Arbeitszeiten, spielt Tennis nach der Arbeit.
Der andere schuftet an der Nähmaschine. Am Ende des Tages kommen beide Lebenswelten zusammen. Der deutsche Werkstattarbeiter kauft die Schuhe, die der Näher hergestellt hat. Die Botschaft: „Du kaufst mehr als du denkst“. Denn vom Ladenpreis eines Turnschuhs in Europa landen nur 0,4 Prozent beim Näher in der Fabrik viele Tausend Kilometer entfernt, heißt es im Film.
Dieser Spot wurde bereits 2011 mit dem Sukuma Award ausgezeichnet. Sukuma kommt aus dem Suaheli und bedeutet sich Aufstacheln, sich Erheben. Und genau darum geht es dem Verein hinter dem Preis. „Wir stoßen an, dass sich wirklich etwas ändert, nicht nur in den Köpfen der Menschen, sondern auch in ihren Herzen“, sagt Franziska Pschera, Projektkoordinatorin des Sukuma Awards. „Werbung beeinflusst uns jeden Tag enorm. Mit den Filmen wollen wir auf Themen aufmerksam machen, die noch nicht so präsent sind.“ Zum Beispiel auf die schlechten Arbeitsbedingungen in Fabriken in Entwicklungsländern oder auf die negativen Umweltauswirkungen bei der Produktion bestimmter Produkte.
Ein Bürgerpreis, den jeder gewinnen kann
Das jeweilige Schwerpunktthema für die jährliche Ausschreibung setzen Pschera und ihre Kollegen. Ideen zur konkreten Umsetzung kommen aus der Bevölkerung. Nicht nur Filmschaffende oder Entwicklungsexperten sind aufgefordert, Vorschläge einzureichen. Der Sukuma Award soll ein Bürgerpreis sein, den jede und jeder gewinnen kann. Die meisten Einsendungen kommen laut Verein von Menschen zwischen 18 Jahren und 40 Jahren. Das Sukuma-Award-Team kümmert sich um das Drehbuch, die Regie, aber auch darum, dass nicht plumpe Stereotype vorkommen – in Absprache mit Experten und Ideengebern.
Premiere der Gewinnerfilme ist jeweils in Dresden, Chemnitz und Leipzig. Die Spots laufen etwa bei den Filmnächten in Dresden und in Chemnitz. In Leipzig werden sie bei den Classic Open präsentiert, vor rund 200.000 Besuchern der gesamten Veranstaltungsreihe. Vor einem Film oder einem Konzert wird der Werbespot für nachhaltigen Konsum gezeigt.
Der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) hat das Projekt als Transformationsprojekt im Rahmen von Projekt Nachhaltigkeit 2017 ausgezeichnet. Sabine Gerhardt von der Leitstelle für Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) beim RNE bezeichnet Sukuma als „sehr innovativen Bürgerfilmwettbewerb“. „Obwohl lokal angesiedelt, haben der Wettbewerb und die daraus entstehenden Werke eine große mediale Präsenz und fördern mit der Beteiligung der Bürger die Auseinandersetzung mit ganz unterschiedlichen Nachhaltigkeitsthemen“. Überzeugt hätte auch der angegliederte Jugendwettbewerb mit Filmworkshops für Jugendliche. „Diese Zielgruppe ist nicht einfach zu erreichen“, merkt Sabine Gerhardt an.
Verein will Umdenken beim Konsumverhalten erreichen
Begonnen hat die Initiative mit Filmen zum Fairen Handel mit Kaffee oder Bananen. Auch Spots zu Geldanlagen wurden verfilmt oder der Umgang mit Rohstoffen, etwa in Handys und Computern. Die Themen kennen alle, sie berühren die persönliche Lebenswelt jedes Einzelnen. Vor elf Jahren hat Franziska Pschera den Verein und das Projekt mitgegründet. Für sie ist nachhaltiger Konsum eine Lebenseinstellung. Besonders beeindruckt hat sie in den vergangenen Jahren das Thema Boden.
„Wir wissen, dass Luft und Wasser schützenswert sind, aber über den Bodenschutz ist nur wenig in der öffentlichen Wahrnehmung bekannt“, sagt die Initiatorin des Sukuma Awards. Dabei habe jedes Konsumprodukt letztlich Auswirkungen auf Äcker und die Qualität des Erdreichs. Nach den Filmarbeiten hat auch sie Konsequenzen gezogen – und sich einen Wurmkompost in die Wohnung gestellt. Damit wandern die wertvollen pflanzlichen Lebensmittel nicht in die Verbrennungsanlage, sondern werden aufbereitet.
Finanziert wird das Projekt Sukuma Award über das Bundesentwicklungsministerium und von Stiftungen oder Hilfswerken wie „Brot für die Welt“. Auch die Landeshauptstadt Dresden unterstützt die Initiative finanziell. Derzeit werden die Drehs der Siegerideen zum Thema „Teilen“ vorbereitet. „Es geht um nachbarschaftliches, gemeinschaftliches Teilen ohne Geldleistungen“, sagt Pschera.
Auch am Thema für die nächste Wettbewerbsausschreibung arbeitet sie. Welcher Schwerpunkt sich eignet, entscheiden die Projektaktiven gemeinsam mit den Partnern. Dabei werden aktuelle Kampagnen auch von internationalen Initiativen in die Entscheidung einbezogen. Die Vereinten Nationen haben 2017 zum Internationalen Jahr für nachhaltigen Tourismus ausgerufen. Gut möglich, dass der Verein bald Ideen zum Thema Urlaub sammelt.