Auf den ersten Blick ist es nicht viel: 2012 standen in Deutschland für sogenanntes wertorientiertes Investment in Deutschland 24 Millionen Euro zur Verfügung, 2015 waren es 70 Millionen – und 2016 könnten gerade mal 7 bis 8 Millionen Euro davon auch tatsächlich investiert werden. Ganz klar ein Nischenmarkt, heißt es auch in der jetzt erscheinen Studie der Bertelsmann Stiftung.
Trotzdem ist es ein Markt, dem besonders im angloamerikanischen Raum große Chancen beigemessen werden. „Ist Social Impact Investing the next venture capital?“, fragte das Business-Magazin Forbes schon vor zwei Jahren: „Ist wertorientiertes Investment das neue Risikokapital?“ heißt das auf Deutsch in Anspielung auf den Markt des Risikokapitals, der in den 80er Jahren geradezu explosionsartig wuchs.
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass diese Chance vor allem von der sozialstaatlichen Verfasstheit der jeweiligen Staaten abhängt. Ersichtlich wird das mit einem Blick auf die naheliegende Frage: Was genau ist „wertorientiertes Investment“ – den Begriff hat das National Advisory Board (NAB) in Deutschland zu dem Thema ins Muttersprachlich übersetzt.
Die Bertelsmann Stiftung hat das Gremium in Zusammenarbeit mit dem Bundesentwicklungsministerium und dem Bundesfamilienministerium ins Leben gerufen, ihm gehören Vertreter von Sozialwirtschaft, Finanzwirtschaft, Stiftungen, Wissenschaft und öffentlicher Hand an.
Auf die Definition kommt es an
Auffällig ist, dass die Bertelsmann-Studie weder Investitionen in Erneuerbare Energien, noch die Bilanzsummen von Ethik- oder Genossenschaftsbanken oder die Budgets von Wohlfahrtsverbänden zum wertorientierten Investment zählt. „Wir wollen niemanden ausklammern, aber auch keine Studie über nachhaltige Geldanlagen machen“, sagt Jake Benford, der die Studie bei Bertelsmann beauftrag hat.
Denn tatsächlich ist die Definition sehr eng. Bertelsmann hält sich an die des Global Impact Investing Networks (GIIN). Demnach geht es um Investitionen in „wirkungsorientierte Organisationen oder Fonds mit der gezielten Absicht, soziale bzw. ökologische Wirkung sowie eine positive finanzielle Rendite zu erzielen. Die soziale bzw. ökologische Wirkung ist Teil der Investmentstrategie und wird gemessen.“
Das heiße nicht, dass andere Investitionen schlecht seien – aber um die Messung gehe es eben, sagt Benford. Beratung liefern etwa das Social Impact LAB, das Impact Hub, die Social Entrepreneurship Akademie, entsprechende Produkte bieten etwa Bonventure, Ananda, die KfW oder Social Impact Finance an. Der Marktaufbau werde bisher rein privat finanziert, etwa von Ashoka, der BMW Stiftung Herbert Quandt oder eben der Bertelsmann Stiftung, heißt es in der Studie.
Der Markt könnte größer sein
Dort ist nur von 50 Unternehmen die Rede, die laut der engen Definition in Deutschland seit 2012 gefördert wurden. Dabei könnten es deutlich mehr sein. Das Centrum für Soziale Investitionen und Innovation (CSI) der Uni Heidelberg geht von 1.000 bis 1.500 innovativen Sozialunternehmen aus, McKinsey von 4.000 jungen und sogar 70.000 etablierten Organisationen, die in Deutschland Empfänger für wirkungsorientiertes Investment sein könnten.
Klassisch kommen die Unternehmen aus dem Bildungsbereich, Beschäftigung oder Gesundheit. Unternehmen, die Menschen mit Asperger-Syndrom als Informatiker ausbilden oder etwa Gemeinwohnprojekte für ältere Menschen, damit diese seltener zu Pflegefällen werden.
„An der Definition solcher Projekte entscheidet sich, ob wir von einem Millionen- oder einem Milliardenmarkt sprechen“, sagt Volker Thun vom CSI, der auch im erwähnten National Advisory Board (NAB) sitzt. Als Beispiel nennt er die Wohlfahrtsfinanzierung: Häufig läuft die über Kirchenbanken, Genossenschaftsbanken oder die Bank für Sozialwirtschaft, und dabei vor allem über Kredite und weniger über Eigenkapital.
Diese Banken erhalten zwar auch Kreditzinsen, sind aber verpflichtet, die Gewinne wieder im sozialen Bereich anzulegen – hier fließt also kein Geld aus den Sozialetats an die Privatinvestoren. Solche klassischen sozialstaatlichen Aufgaben zählen nicht als wertorientiertes Investment, ebenso wenig wie der Milliardenmarkt Erneuerbare Energien. Der Grund hierfür: „Die Preise sind über das EEG politisch reguliert, also kein freier Markt“, sagt Then.
Wohlfahrtsverbände sind kritisch
Wozu aber der Privatwirtschaft zusätzlichen Gewinn für die Erfüllung sozialer Aufgaben zahlen? Denn: „Natürlich kommt die Rendite am Ende aus den Sozialetats des Staates“, sagt Then. Deshalb gehe es vor allem um soziale Innovationen, die vom Sozialstaat nicht finanziert werden.
Anders ausgedrückt: Es geht um eine Art Forschungs- und Entwicklungsabteilung für die Sozialwirtschaft, sagt Benford. Er nennt auch das Thema Prävention: „Wenn Sie ein Kind in ein Heim schicken, dann zahlt das der Staat. Für präventive Maßnahmen sind jedoch deutlich weniger Ressourcen vorhanden“, sagt er.
Es gehe also nicht darum, traditionelle soziale Aufgaben durch Impact Investment zu finanzieren, sagt auch Marianne Dehne, vom Zentrum Recht und Wirtschaft der Diakonie Deutschland, die ebenfalls im National Advisory Board vertreten ist. „Eine wirkungsorientierte Sichtweise entspricht dem Grundverständnis der Diakonie“, sagt sie.
Doch gebe es auch problematische Aspekte beim wirkungorientierten Investment: Private Investitionen dürften nicht schleichend als Alternative für die Gewährleistungspflicht des Staates bei sozialen Aufgaben herangezogen werden. Zudem seien die Ergebnisse sozialer Arbeit nicht leicht zu messen. „Die Studie geht an keiner Stelle darauf ein, welche Kriterien bei den vorhandenen Ansätzen angewendet werden“, sagt Dehne.
GLS Bank will Kriterien entwickeln
Das Messproblem sieht auch Benford, er verweist auf eine Sammlung möglicher Indikatoren. Gerade weil soziale Erfolge so schwer messbar seien, sei zu viel Standardisierung schwer, sagt er. Ein Problem, mit dem auch die ethisch orientierte GLS Bank zu kämpfen hat – die ebenfalls im NAB vertreten ist. „Wir haben bisher von Fall zu Fall entschieden, was gesellschaftlich sinnvolle Investitionen sind“, sagt Pressesprecher Christof Lützel. „Da wir immer größer werden, wollen wir künftig einen Kriterienkatalog dazu entwickeln, mit dem Erfolge besser messbar sind“, ergänz er. Bald werde man dazu eine Stelle schaffen.
Schließlich ist es die Verfasstheit des deutschen Sozialsystems, die dem wertorientierten Investment hierzulande Grenzen setzen, analysiert Then: In der Bundesrepublik ist, vom Prinzip her, der Staat zu Sozialleistungen verpflichtet, unabhängig vom aktuellen Haushalt. Die Kosten orientieren sich an den Rechtsansprüchen der Bürger. In den USA und Großbritannien dagegen setzt der Staat ein Budget für soziale Aufgaben fest und wenn das aufgebraucht ist, entstehen eben Wartelisten, etwa in den Krankenhäusern.
Hier können private Investoren einspringen, mit entsprechenden Renditeerwartungen. Sind die von sozial positiven, messbaren Effekten abhängig, nennt sich das Impact Investment – dort wo in Deutschland der Staat zu Leistungen verpflichtet ist. „Deshalb haben wir hier nicht den Milliardenmarkt, den die amerikanischen Kollegen vermuten“, sagt Then.