Noch immer werden PCs, Smartphones, Drucker oder andere IT-Geräte mehr als fragwürdig produziert. Entlang der gesamten Lieferkette gibt es ausbeuterische Arbeitsbedingungen wie Kinderarbeit und Zwangsarbeit, kaum Sicherheit und Gesundheitsschutz, Umweltzerstörung. „Manchmal stehe ich verständnislos davor und frage mich, warum die Weltgemeinschaft bei Unternehmensverantwortung keine gleichen Wettbewerbsbedingungen schafft und die Industriestaaten nicht vorangehen“, sagte Annelie Evermann, Referentin für Wirtschaft, Menschenrechte und faire Beschaffung bei der NGO Weed, auf der „Fachkonferenz für sozial verantwortliche Beschaffung von IT-Hardware“ in Leipzig. Organisiert wurde die Veranstaltung von Eine Welt Leipzig, dem Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen, dem Verein Zukunftsfähiges Thüringen, dem Eine Welt Netzwerk Sachsen-Anhalt in Kooperation mit RENN.mitte.
Trotz der Kritik, die Evermann übte, gebe es auch eine Entwicklung zum Positiven, sagte sie. Auch wenn es ein 100 Prozent faires IT-Gerät nicht gebe, so könnten doch Ministerien, Behörden, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen bei der Beschaffung ihrer IT-Hardware einen Unterschied machen, so Evermann. Manche Hersteller könnten mittlerweile nachweisen, dass sie Sozialrechte nicht nur in der Endmontage sicherstellen – und das ließe sich im Leistungskatalog von Einkäufern fordern.
In den letzten Jahren haben neue Gesetze und öffentlicher Druck offenbar etwas bewirkt. Weed hat in der im Dezember 2018 veröffentlichten Studie „Am anderen Ende der Lieferkette“ 19 IT-Hersteller untersucht. Generell hat sich etwas bei der Verwendung von sogenannten Konfliktmineralien verbessert. Das liegt vor allem am den USA, die im Jahr 2010 IT-Hersteller mit dem Dodd-Frank Act verpflichtet haben, öffentlich darüber zu berichten, wenn Zinnstein, Coltan, Wolframit oder Gold aus der Demokratischen Republik Kongo oder angrenzenden Staaten in ihren Produkten verbaut sind. Mit den Rohstoffen werden in der Region Bürgerkriege finanziert. Obwohl diese Berichte nur für US-Unternehmen verpflichtend sind, wurden sie zum Standard in der Branche und haben alle Hersteller bewogen, Strategien zu erarbeiten, um die Verwendung von Konfliktmineralien durch ihre Zulieferer einzudämmen.
Doch nur wenige legen Rechenschaft über weitere, oft ebenso problematische Rohstoffe wie Kobalt oder Mica ab oder berichten auch über die Herkunft ihrer verwendeten Rohstoffe aus anderen Regionen. Die Hersteller Apple, Dell, Acer und Fairphone sind hier laut der Weed-Studie besonders engagiert.
Hilfe bei der Gesetzeslage
Für öffentliche Stellen ist es grundsätzlich möglich, „soziale und umweltbezogene Aspekte“ bei Ausschreibungen zu integrieren, so steht es im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung. Grundlage dafür wiederum bildet eine EU-Richtlinie von 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe. Allerdings ist Vergaberecht unter einem bestimmten Schwellenwert Ländersache und nur zwölf Bundesländer haben in ihren Landesvergabegesetzen soziale und ökologische Kriterien überhaupt berücksichtigt. Ausnahmen bilden Sachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen.
Eine sehr gute Übersicht über die verschiedenen Rechtslagen bietet hier der Kompass Nachhaltigkeit, bis hin zu Formulierungshilfen für die Ausschreibung verschiedener Produkte in verschiedenen Bundesländern. Extra für die Tagung in Leipzig hat der Rechtsanwalt André Siedenberg einen Leitfaden über die rechtlichen Rahmenbedingungen vom Europa- bis zum Landesrecht erstellt. Einen weiteren Leitfaden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es ebenso zum Download . Das Bundesland Baden-Württemberg hat ebenso einen eigenen Leitfaden erstellt.
Eine Frage des Labels
Mittlerweile gibt es einige Labels, die nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte bei der Herstellung von IT-Hardware berücksichtigen. „Sozialverantwortliche IT-Beschaffung ist möglich“, sagt deshalb Annelie Evermann. Das gilt vor allem an den beiden Enden der Lieferkette: zu Beginn, bei den Rohstoffen, wie oben beschrieben. Außerdem bei der Endfertigung der Geräte und den direkten Zulieferern. Als Vorreiter bei der Bewertung sozialer Kriterien gilt dabei das Label „TCO Certified“. Ökologische Zertifizierungen bieten auch der Blaue Engel, Epeat, das EU-Ecolabel, das Nordic Ecolabel und TÜV Rheinland Green Product. Weed schreibt, dass auch das EU Ecolabel und der Blaue Engel schrittweise Sozialkriterien für einige IT-Umweltzeichen aufnehmen.
Wenn öffentliche Einrichtungen IT-Geräte kaufen, dürfen sie bei der Ausschreibung allerdings von den Bietern nicht verlangen, nur Geräte zu liefern, die mit einem konkreten Label ausgezeichnet sind. Lediglich Eigenschaften von Geräten dürfen bei Ausschreibungen definiert werden, etwa ein bestimmter Energieverbrauch. Und diese Eigenschaften können dann über verschiedene Label nachgewiesen werden. Weed betont, dass es neben Labels aber auch alternative Methoden gibt, um ökologische oder soziale Standards bei IT-Produkten nachzuweisen. Dazu gehören Fragenkataloge oder Dialoge mit Bietern. Die NGO Electronics Watch bietet Hilfe bei entsprechenden Verfahren an.
Der beste Weg für eine nachhaltigere IT ist jedoch, die Geräte schlicht möglichst lang zu verwenden, so ein Fazit der Tagung. Das sei allerdings, so berichteten es Teilnehmende der Tagung, in der Praxis oft schwer umzusetzen. So werden Wartungsverträge für IT-Hardware kaum länger als für fünf Jahre vereinbart. Denn für ältere IT gibt es oft keine Treiber oder Sicherheitsupdates mehr. Für eine nachhaltigere Verwendung von IT-Geräten muss sich deshalb die ganze Branche bewegen: Auch die Softwarehersteller sind gefragt, genauso jedoch die Behörden, Universitäten oder andere Einrichtungen, die oftmals aus Bequemlichkeit nach fünf Jahren die Hardware einfach komplett austauschen.