Die Europäische Union hat Unternehmen per Richtlinie dazu verpflichtet, Informationen zu Umwelt- oder Arbeitsstandards offenzulegen. Bis Ende 2016 haben die EU-Staaten Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Bei einem Workshop in Brüssel diskutierten Nachhaltigkeitsexperten die Herausforderungen dieser Berichtspflicht.
In wenigen Monaten soll die EU-Direktive zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen von Unternehmen in den Mitgliedsstaaten umgesetzt sein. Doch für deren Anwendung im Geschäftsalltag sind noch etliche Fragen ungeklärt.
Bei einem Workshop in Brüssel diskutierten Nachhaltigkeitsexperten aus den EU-Staaten über die unterschiedlichen Standards, die bereits jetzt in den Ländern gelten und Probleme, die durch die neue verpflichtende Richtlinie entstehen. Eingeladen hatten hierzu der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) und die griechische QualityNet Foundation in die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU.
In vielen EU-Ländern gibt es bereits Regelungen zur Veröffentlichung von Geschäftsdaten über Umwelt- und Arbeitsstandards, zur Achtung der Menschenrechte, für mehr Diversität in Leitungs- und Kontrollgremien oder über den Kampf gegen Korruption. Unternehmen, die Geschäfte innerhalb Europas machen, sind strengen Vorgaben unterworfen. „Das Problem entsteht dort, wo globale Lieferketten ins Spiel kommen, Standards und Offenlegungspflichten unterschiedlich hoch sind“, sagt Yvonne Zwick vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Die Folgen sind steigende Kosten für Unternehmen, um den verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden.
Unklar ist bisher noch, in welcher Form die Unternehmen nichtfinanzielle Informationen darlegen sollen. Viele Unternehmen befürchten, die Anforderungen nicht erfüllen zu können und den Aufwand für die Berichterstattung, ohne Nutzen für die Wertschöpfung, betreiben zu müssen. Unternehmen, die bislang kein Berichtswesen etabliert haben, verfügen über keine eigene CSR-Abteilung, die sich um das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen kümmert. „Im Sinne einer klaren Orientierung wäre ein einheitliches Vorgehen wünschenswert“, sagt Zwick.
Nachhaltigkeitskodex Grundlage für Umsetzung
Die EU-Richtlinie wurde 2014 verabschiedet und trat im Dezember desselben Jahres in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben zwei Jahre Zeit für die Umsetzung in nationales Recht. Betroffen sind nach Vorstellungen der EU-Kommission Unternehmen und Gesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern, darunter auch Unternehmen der Versicherungsbranche und Finanzindustrie. Die ersten Berichte müssen für das Fiskaljahr 2017 veröffentlicht werden.
Orientierung für die Unternehmen leistet heute bereits der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK). Er wurde mehrfach von der EU-Kommission als probates Mittel zur Erfüllung der Berichtspflicht genannt. Diese Einschätzung wurde 2015 durch ein externes juristisches Gutachten bestätigt. Er beschreibt Mindestanforderungen an die Berichte zu Aspekten der Nachhaltigkeit und Unternehmensführung.
Anhand von 20 Kriterien können Organisationen wie Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsleistungen beschreiben und mit Zielstellungen unterlegt perspektivisch weiterentwickeln. Der Kodex eignet sich auch für kleine und mittlere Unternehmen ohne eigene CSR-Abteilung, da er unkompliziert und kostenlos genutzt werden kann. Der einfache Ansatz überzeugt auch jenseits deutscher Grenzen: Der Nachhaltigkeitskodex wird im April in Griechenland im Rahmen der Strategie „Nachhaltiges Griechenland 2020“ eingeführt.
Unternehmen fordern Klarheit für Geschäftspraxis
Es ist vor allem die praktische Umsetzung der EU-Direktive, die die Wirtschaft umtreibt. „Es muss geklärt werden, wann und wo die neuen Berichtspflichten veröffentlichen werden müssen“, sagt Annette Selter, Expertin für Steuern und Finanzpolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Hinzu kommt, dass der CSR-Bericht prüfungsfrei bleiben soll. Nichtfinanzielle Informationen können laut EU-Kommission im jährlichen Lagebericht des Unternehmens erscheinen oder auch separat und rund sechs Monate später veröffentlicht werden. Die Mehrbelastungen für die Unternehmen müssten möglichst gering bleiben, sagt Selter.
In einer Stellungnahme machte der Rat für Nachhaltige Entwicklung klar, dass die wesentlichen Informationen in den Lagebericht des Unternehmens gehören. Zudem solle hier gekennzeichnet werden, ob und wie die Daten von Dritten überprüft wurden. Der reguläre Geschäftsbericht wird von Wirtschaftsprüfern abgenommen. Eine Leitlinie, wie Daten zu Umwelt- oder Sozialbelangen einer nichtfinanziellen Erklärung geprüft werden sollen, gibt es noch nicht. Alternativen wären wissenschaftliche Institute oder Nichtregierungsorganisationen mit etablierten Prüfprozessen. „In dieser Diskussion stehen wir noch ziemlich am Anfang“, sagt Zwick.
Deutscher Referentenentwurf liegt vor
Das Bundesjustizministerium hat inzwischen einen Gesetzesentwurf zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgelegt. Im Gegensatz zur EU-Richtlinie bezieht die Vorlage auch haftungsbeschränkte Personengesellschaften und Genossenschaften ein. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex wird neben anderen Regelwerken als Orientierungshilfe angegeben. Dazu gehören etwa die Leitprinzipien der Vereinten Nationen zu Wirtschaft und Menschenrechten oder die Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen.
Laut Entwurf sollen die Informationen zusammen mit dem Lagebericht oder in einem gesonderten Bericht spätestens sechs Monate ab dem Bilanzstichtag veröffentlicht werden. Wenn Unternehmen keine Angaben machen möchten, sind sie verpflichtet, dies genau zu begründen. Wer gegen die Auflagen verstößt, muss mit Bußgeldern von bis zu zehn Millionen Euro rechnen. Ausgewählte Akteure, darunter der Rat für Nachhaltige Entwicklung, können ihre Stellungnahmen zum Entwurf bis Mitte April beim Ministerium einreichen.
Auch Frankreich, Griechenland, Polen oder Lettland arbeiten an den gesetzlichen Vorlagen, um die EU-Richtlinie umzusetzen. Vorreiter sind vor allem die skandinavischen Länder. Dort gibt es teilweise bereits die Berichtspflicht zu nichtfinanziellen Informationen. Viel Zeit bleibt den Regierungen in den EU-Staaten nicht mehr. Am 6. Dezember dieses Jahres sollen die Gesetze in den Ländern in Kraft treten.