Immer mehr Firmen berichten darüber, was sie für eine nachhaltige Entwicklung tun. Welche sozialen und ökologischen Auswirkungen aber haben die komplexen Geschäfte eines multinationalen Konzerns in Entwicklungs- und Schwellenländern? Das sollen Forscher im Auftrag der EU-Kommission jetzt untersuchen und Instrumente entwickeln, um diesen Einfluss zu messen.
„Wie können multinationale Unternehmen ihrer globalen Verantwortung gerecht werden?“, fragt Andr© Martinuzzi, Leiter des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement der Wirtschaftsuniversität Wien. Drei Jahre wird er nun im Projekt “Global Value“ ein internationales Team koordinieren und, gefördert von der EU, erforschen, wie multinationale Konzerne globale Entwicklungsziele beeinflussen. Dabei sollen Methoden zur Messung und zum Management der ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkung entwickelt und in drei Fallstudien getestet werden.
„Unternehmen haben eine Vielzahl von positiven Wirkungen auf Entwicklungsländer: Sie schaffen Arbeitsplätze und Einkommen, bieten Produkte und Dienstleistungen, tragen zu Innovation und Infrastruktur bei und leisten mit ihren Steuern Beiträge zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben“, sagt Martinuzzi. Dem stünden allerdings negative Wirkungen auf die Umwelt, auf die Gesundheit und die Lebensbedingungen der Menschen in Entwicklungsländern gegenüber.
Um die komplexen Wirkungen ganzer Lieferketten zu erfassen, gebe es im Prinzip vier Schwierigkeiten, sagt er: Die Verfügbarkeit von Daten, die Komplexität von Wirkungsketten, die vielfältigen Dimensionen solcher Wirkungen und am Ende die Abgrenzung von Verantwortung eines einzelnen Unternehmens.
Testlauf in Bangladesch, Tansania und Indien
Neun Einrichtungen aus der EU sind deshalb an dem Projekt beteiligt. Aus Deutschland sind das Öko-Institut und die Universität Saarbrücken dabei. Dazu kommen Institute aus Bangladesch, Tansania und Indien als wichtige Partner. Denn am Ende sollen Unternehmen nicht nur Instrumente zur Verfügung haben, um ihren Impact (so hieß auch das Vorgängerprojekt der EU) in solchen Ländern zu messen, die Methoden sollen auch getestet werden. Drei Unternehmen haben sich dazu bereit erklärt: Ein Hersteller und Großhändler von Nahrungsmitteln in Tansania, in Bangladesch ein Bekleidungsunternehmen und in Indien eine Firma aus der IT-Branche.
Dazu soll es aber erst im Jahr 2015 kommen. Zunächst will Martinuzzis Team erfassen und analysieren, welche Methoden es bereits heute gibt. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex beispielsweise umfasst 20 Kriterien, anhand derer die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen gemessen wird. Dazu gehört auch, ob ein Unternehmen die Einhaltung von Menschenrechten in seiner Lieferkette prüft oder ob der monetäre Gewinn den Regionen zugute kommt, in denen die Unternehmen aktiv sind. Auch die Global Reporting Initiative gehört zu dieser Art von Instrumenten, die Nachhaltigkeit anhand konkreter Indikatoren messbar machen.
Das Global Value Projekt allerdings geht darüber hinaus. Zum einen soll es eine Abwägung zwischen positiven und negativen Wirkungen von Unternehmen auf Entwicklungsländer geben. Ein Beispiel: Ein Investor kauft eine Fabrik, bringt sie auf den neuesten Stand der Technik und berichtet, wie viele lokale Arbeitsplätze damit geschaffen wurden. Allerdings könnten im Zuge der Modernisierung auch Arbeitsplätze abgebaut worden sein, andere Unternehmen verdrängt werden und somit eine insgesamt negative Auswirkung auf die Jobs einer Region ausgelöst werden.
Zudem lassen sich für soziale Auswirkungen oft keine globalen Indikatoren finden. In Indien hat der IT-Sektor eine besondere Bedeutung bei der Durchsetzung von Frauenrechten, weil sich viele marginalisierte Frauen durch die Technologie Gehör verschaffen und organisieren können. Es gehe also auch darum, lokale Indikatoren für Nachhaltigkeit zu finden, sagt Martinuzzi.
Projekt sucht noch Expertinnen und Experten
„Wir wollen die Außenwirkung des Handelns von multinationalen Unternehmen in Entwicklungsländern erfassen“, sagt Franziska Wolff, stellvertretende Leiterin des Institutsbereichs Umweltrecht & Governance am Öko-Institut. Es geht also nicht, wie bei bisherigen Instrumenten, um die Binnenperspektive und die Frage, was ein Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit leistet, sondern was die entsprechenden Maßnahmen nach außen bewirken. „Wir wollen keinen neuen Berichtsstandard für Unternehmen schaffen. Vielmehr wollen wir ihnen helfen, zu erfassen, was für Auswirkungen sie auf die Länder haben, in denen sie tätig sind“, sagt Wolff.
Das Öko-Institut soll in dem Projekt untersuchen, wie verschiedene externe Regularien die Wirkung von Unternehmen bei ihren Bemühungen um Nachhaltigkeit beeinflussen. Sind es eher staatliche Anforderungen oder NGO-Initiativen, wie Fair Trade oder die Clean Clothes Campaign?
Momentan sucht “Global Value“ noch Expertinnen und Experten aus dem Bereich Impact Assessment und Management. Sie sollen zunächst dabei helfen, weltweit die Instrumente zu erfassen, mit denen nachhaltiges Handeln von Unternehmen gemessen werden kann. „Später sollen die Expertinnen und Experten auch die Ergebnisse unseres Projektes beurteilen und in die drei Fallstudien eingebundenn werden“, sagt Martinuzzi.
Weiterführende Informationen
EU-Regeln zu Berichtspflichten