Brexit, Trump, Rechtspopulismus, Klimawandel: 2017 war das Jahr, in dem es Juliane Stadler reichte. Ja, die schlechten Nachrichten aus aller Welt rissen nicht ab, aber davon wollte sie sich nicht mehr frustrieren und demotivieren lassen. Wenn im Großen so viel schief lief, dann müsste man doch wenigstens im Kleinen – also direkt vor Ort in ihrer Heimatstadt Speyer – dafür sorgen, die Welt ein wenig besser zu machen. Und mit diesem Gefühl war sie nicht allein, stellte sie wenig fest. „Schnell waren Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus dem Freundes- und Bekanntenkreis waren mit im Boot”, erzählt Stadler. „Und auch darüber hinaus fanden sich bald weitere Interessierte, die anpacken wollten und mit ihrem Engagement, ihren Ideen und Netzwerken der Sache zu einer ganz neuen Dynamik verhalfen.”
Aus dieser Runde entstand inSPEYERed e.V., eine parteien- und kirchenunabhängige Bürgerinitiative, die seither die unterschiedlichsten Projekte in der pfälzischen Kommune initiiert. Eines haben sie alle gemeinsam: Die Initiativen des Vereins sollen Menschen dazu motivieren, ihre Lebenswelt demokratisch mitzugestalten, und sie damit zu einem nachhaltigeren und sozial gerechteren Ort machen. „Mitmachen statt meckern” sei die Devise, sagt Nadine Gärtner, die von Anfang an dabei ist. „Oft fühlt man sich machtlos, aber das Gefühl trügt.” Jeder und jede könne in seinem oder ihrem Rahmen etwas verändern.
Alle können mitmachen
Wie das funktionieren kann, führte der junge Verein als erstes mit einer Pflanzaktion vor: Im April 2018 lud inSPEYERed alle Interessierten ein, „Bienenkübel” zu bepflanzen. Interessierte brachten Gefäße mit, inSPEYERed stellte Substrat und Pflanzen bereit. Hunderte folgten dem Aufruf, die Aktion war so erfolgreich, dass sie im Jahr darauf wiederholt wurde. „Wir legen unsere Initiativen bewusst niedrigschwellig an”, sagt Gärtner. „Wir wollen es Menschen leicht machen, sich zu beteiligen.”
Das gilt auch für die Veranstaltungsreihen, etwa das inSPEYERed-Forum, eine monatliche Veranstaltungsreihe, die die aktuellen Themen in Form von Diskussionsrunden oder Workshops aufgreift, lokale Initiativen vorstellt und Menschen miteinander ins Gespräch bringt, oder die Vortragsreihe „Anders WIRtschaften”. Beides ist allerdings derzeit wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt.
„Eigentlich funktioniert inSPEYERed nach einem ganz einfachen Prinzip”, sagt Gärtner: „Wenn jemand eine Idee hat und sich engagieren will, sucht er in unserem Netzwerk nach Verbündeten.” Bisher habe das immer geklappt, etwa für eine ganze Reihe von Verkehrswende-Projekten, von einem E-Lastenrad-Verleih über das „Speyrer Sattelfest”, das die Menschen zum Radfahren motivieren soll, bis zu regelmäßigen Fahrrad-Demos.
Als Transformationsprojekt ausgezeichnet
Für sein Engagement ist der junge Verein von den Regionalen Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) im vergangenen Sommer als „Projekt Nachhaltigkeit 2020“ ausgezeichnet worden. Darüber hinaus wurde inSPEYERed kürzlich unter den 40 Preisträgern als eines von vier so genannten Transformationsprojekten zusätzlich herausgehoben. „Die Transformationsprojekte haben einen kraftvollen Hebel, um die Gesellschaft zu verändern”, sagte Marc-Oliver Pahl, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE): „Sie verfolgen einen neuen Ansatz und fördern neues Denken.“ Außerdem seien sie langfristig angelegt und auf andere Regionen übertragbar – ein wichtiger Aspekt, da die RENN Nachhaltigkeit in den Regionen und über Ländergrenzen hinweg bekannter und praktisch erlebbar machen wollen.
„Wir freuen uns, wenn unsere Ideen eine Leuchtturmfunktion für andere Kommunen haben”, sagt Gärtner. inSPEYERed wolle sich aber auch langfristig gezielt auf Speyer beschränken. Für die Zukunft gibt schon eine Reihe von Ideen: herrenlose Obstbäume in der Stadt ernten, einen Unternehmerkreis zum nachhaltigen Wirtschaften gründen oder in einem Kunstprojekt zum Thema Klimawandel öffentliche Flächen gestalten. Am liebsten wäre es den Vereinsmitgliedern allerdings, sagt Gärtner, wenn der Ansatz von inSPEYERed eines Tages zum Selbstläufer werde: „Wir wünschen uns, dass es ganz natürlich wird, sich lokal zu engagieren – dass es dazu gar keinen Verein braucht.”